KINO | 02.09.2020

DER FLÜSSIGE SPIEGEL

Nahezu unbemerkt streift Juste durch die Straßen von Paris. Er sammelt die letzten Erinnerungen der Menschen, die ihn sehen können, dann begleitet er sie in eine andere Welt. Juste ist ein Geist. Doch eines Tages wird er von Agathe gesehen und sie erkennt in ihm Ihre große Liebe, die vor Jahren plötzlich verschwunden war.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Les Films du Losange

Juste (Thimotée Robart) wandert durch die Straßen von Paris und sucht nach Menschen, die nur er sehen kann. Er sammelt ihre letzten Erinnerungen, bevor er ihnen ins Jenseits hilft. Eines Tages erkennt ihn Agathe (Judith Chemla), eine junge Frau. Sie gehört zu seinem früheren Leben. Sie lebt und er ist ein Geist. Wie werden sie es schaffen, sich zu lieben und diese zweite Chance zu nutzen?

„Der flüssige Spiegel“ von Regisseur Stéphane Batut ist ein wundervoller Film, welcher den Zuschauer entführt in eine Art Traumwelt und voller geheimnisvoller Gleichungen und Erzählungen ist. Wunderschöne Bilder vereinen sich mit einer zu Herzen gehenden romantischen Handlung. Der Film, der überwiegend im 19. Pariser Arrondissement gedreht wurde und die die dort vorherrschende Atmosphäre sehr schön einfangt, lässt viele Interpretationen zu, was schön ist, weil es die Zuschauer zum nachdenken und zum träumen anregt. Großartig agiert Thimotée Robart in seiner ersten Filmrolle als Juste. Jener Juste, der unfreiwillig als Geist agiert und Menschen ins Jenseits begleitet und deren letzte Erinnerungen sammelt. Er ist ein klassischer Anti-Held, der eigentlich nur wieder ganz normal, sprich lebendig sein möchte.


© Les Films du Losange

Aber was bedeutet schon normal. Der Film bietet sehr schöne Schauwerte und zelebriert die hohe Kunst der Filmmontage. Da steht Juste gerade noch in der hektischen Großstadt und begleitet in der nächsten Szene ein Unfallopfer durch eine verschneite, surreal anmutende Gebirgslandschaft, um sich seine letzten Erinnerungen erzählen lassen. Das ist Filmpoetik auf einem hohen Niveau. Juste ist eine Figur zwischen unserer Welt und dem Jenseits, vergleichbar mit Merkur in der römischen Mythologie. Quecksilber wiederum ist auch bekannt als „flüssiger Spiegel“, ein Element, dass eine Verbindung zwischen den Welten darstellt. Und wie ist lautet der französische Name für Quecksilber? Mercure. So schließt sich der Kreis. Der Regisseur liebt die Symbolik und die Romantik sehr. Das spürt man jeder Szene in diesem Film an. Juste, der für die meisten Menschen unsichtbar ist, wird filmisch gespiegelt durch den Blick des Films auf die Menschen innerhalb der Gesellschaft, die für die meisten Menschen unsichtbar zu sein scheinen. „Der flüssige Spiegel“ ist ein Film über die Kraft der Liebe und ein wundervolles Porträt unserer Zeit und noch so viel mehr.


DER FLÜSSIGE SPIEGEL

Frankreich 2019 | Film Kino Text | Start: 03. September 2020 (FSK 12)
R: Stéphane Batut | D: Thimotée Robart, Judith Chemla, Saadia Bentaïeb


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