DVD & BLU-RAY | 25.06.2025

TRAUMNOVELLE

Als Jacob von seiner Frau erfährt, dass sie heimliche erotische Fantasien über einen fremden Mann hegt, will auch er sein sexuelles Verlangen erforschen. Also begibt er sich auf eine dekadente nächtliche Odyssee. Doch die Erfüllung unterdrückter Sehnsüchte fordert einen hohen Preis.

von Franziska Keil


© Warnuts Entertainment

Am 12. Juni 2025 ist Florian Frerichs' deutscher Spielfilm "Traumnovelle" für das Heimkino auf DVD und Blu-ray erschienen. Mit dieser Produktion wagt sich erstmals ein deutscher Regisseur an Arthur Schnitzlers berühmte Novelle, ein Stoff, der durch Stanley Kubricks ikonische Verfilmung "Eyes Wide Shut" bereits eine prominente Leinwandpräsenz erfuhr. Frerichs' Ansatz, sich dabei enger an die literarische Vorlage zu halten und gleichzeitig eine eigene Version zu schaffen, ist ambitioniert. Doch während der Film in einigen Aspekten interessante Akzente setzt, verliert er sich zuweilen in einer mutlosen Inszenierung und einer inkonstanten Tonalität, die seine tiefgründigen Absichten untergräbt. Frerichs' "Traumnovelle" versucht, Schnitzlers zeitlose Geschichte der sexuellen und psychologischen Erkundungen eines Ehepaares in ein zeitgenössisches Gewand zu kleiden. Der Film verortet die Handlung im Hier und Jetzt, was sich in zahlreichen Anspielungen auf den Zeitgeist manifestiert: Die Prostituierte der Novelle wird zum OnlyFans-Model, und die Medienlandschaft wird durch die Gewichtung von Sensationsmeldungen gegenüber kulturellen Ereignissen satirisch kommentiert. Auch die Besetzung, insbesondere in den Nebenrollen, zeugt von einem bewussten Streben nach Diversität, das sich von Kubricks Fokus auf makellose Körper und westliche Schönheitsideale abhebt. People of Color, mehrgewichtige Darsteller und non-binäre Charaktere bevölkern die Berliner Nachtclubs, wodurch der Film einen frischen, inklusiveren Blick auf die Gesellschaft wirft. Diese Modernisierungsversuche sind jedoch nicht durchweg kohärent umgesetzt. Eine auffällige Inkonsistenz zeigt sich in den Dialogen: Während die Gespräche in den Berliner Nachtclubs das normale Deutsch der 2020er Jahre widerspiegeln und mit derben Gags überraschen, wirken die intimen, entrückten Dialoge zwischen Jakob und Amelia in der deutschen Synchronfassung seltsam monoton, antiquiert und theaterhaft, nicht zuletzt durch die häufige Verwendung des Präteritums.


© Warnuts Entertainment

IDiese stilistische Dissonanz stört die Immersion und lässt den Film in seiner Tonalität unentschlossen wirken. Die "Traumnovelle" leidet unter einer mangelnden erzählerischen Geschlossenheit. Jakobs schwer zu visualisierende Gedanken, die in Schnitzlers Novelle eine zentrale Rolle spielen, werden oft in einer simplen "Engelchen-und-Teufelchen"-Manier aus dem Off eingesprochen. Der plötzliche Bruch der "Vierten Wand" am Ende des Films, bei dem sich Jakob direkt an das Publikum wendet, wirkt deplatziert und unterstreicht die narrative Unsicherheit. Nikolai Kinskis Darstellung des Jakob wirkt bisweilen teilnahmslos; seine scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber den Ausführungen seiner Gattin erschwert es dem Zuschauer, eine emotionale Verbindung zu seiner Figur aufzubauen. Amelias Sehnsüchte bleiben bis zum Abspann weitgehend undurchsichtig, und die Behauptung, die beiden seien ein Paar, wirkt oft unbegründet. Der Film hangelt sich brav an den Stationen der literarischen Vorlage entlang, von Jakobs Besuch bei Mizzi über die Begegnung mit Professor Roediger bis zum Etablissement von Lady Mina. Diese Episoden werden zwar bisweilen humorvoll variiert (etwa durch eine Prügelei) und ins heutige Berliner Nachtleben übertragen, doch die Inszenierung bleibt dabei oft "Hausmannskost" und entfaltet selten eine eigene, unverkennbare Handschrift. Die omnipräsent im Hintergrund hängenden Plakate für das Gastspiel von Verdis "Ein Maskenball" im Berliner Renaissance-Theater, dessen Gesangseinschübe mit fortlaufender Spieldauer ermüdend wirken, sind ein Beispiel für eine visuelle und akustische Referenz, die ihren Zweck verfehlt und eher zur Redundanz beiträgt. Auch in puncto Erotik, einem zentralen Element der Vorlage und von Kubricks Adaption, präsentiert sich Frerichs' Version recht bieder und harmlos. Die "Maskenball-Orgie", auf die sich Jakob im Mittelteil schleicht, ist im Vergleich zu Kubricks Version enttäuschend zahm. Selbst die skurrilsten Elemente, wie ein riesiger Strap-on-Penis, wirken eher kurios als provokant. Das "Erotikdrama" bleibt selten surreal und steuert ohne große Aufreger auf ein Finale zu, das fast genauso wie in der Novelle gestaltet ist.


TRAUMNOVELLE

ET: 12.06.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 16
R: Florian Frerichs | D: Nikolai Kinski, Laurine Price, Detlev Buck
Deutschland 2024 | Busch Media Group

Bonusmaterial: Behind the Scenes; Interviews; Kurzfilme; Deletes Scenes u.v.m;


 


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