Als
Jacob von seiner Frau erfährt, dass sie heimliche erotische Fantasien
über einen fremden Mann hegt, will auch er sein sexuelles Verlangen
erforschen. Also begibt er sich auf eine dekadente nächtliche
Odyssee. Doch die Erfüllung unterdrückter Sehnsüchte
fordert einen hohen Preis.
Am
12. Juni 2025 ist Florian Frerichs' deutscher Spielfilm "Traumnovelle"
für das Heimkino auf DVD und Blu-ray erschienen. Mit dieser Produktion
wagt sich erstmals ein deutscher Regisseur an Arthur Schnitzlers berühmte
Novelle, ein Stoff, der durch Stanley Kubricks ikonische Verfilmung
"Eyes Wide Shut" bereits eine prominente Leinwandpräsenz
erfuhr. Frerichs' Ansatz, sich dabei enger an die literarische Vorlage
zu halten und gleichzeitig eine eigene Version zu schaffen, ist ambitioniert.
Doch während der Film in einigen Aspekten interessante Akzente
setzt, verliert er sich zuweilen in einer mutlosen Inszenierung und
einer inkonstanten Tonalität, die seine tiefgründigen Absichten
untergräbt. Frerichs' "Traumnovelle" versucht, Schnitzlers
zeitlose Geschichte der sexuellen und psychologischen Erkundungen
eines Ehepaares in ein zeitgenössisches Gewand zu kleiden. Der
Film verortet die Handlung im Hier und Jetzt, was sich in zahlreichen
Anspielungen auf den Zeitgeist manifestiert: Die Prostituierte der
Novelle wird zum OnlyFans-Model, und die Medienlandschaft wird durch
die Gewichtung von Sensationsmeldungen gegenüber kulturellen
Ereignissen satirisch kommentiert. Auch die Besetzung, insbesondere
in den Nebenrollen, zeugt von einem bewussten Streben nach Diversität,
das sich von Kubricks Fokus auf makellose Körper und westliche
Schönheitsideale abhebt. People of Color, mehrgewichtige Darsteller
und non-binäre Charaktere bevölkern die Berliner Nachtclubs,
wodurch der Film einen frischen, inklusiveren Blick auf die Gesellschaft
wirft. Diese Modernisierungsversuche sind jedoch nicht durchweg kohärent
umgesetzt. Eine auffällige Inkonsistenz zeigt sich in den Dialogen:
Während die Gespräche in den Berliner Nachtclubs das normale
Deutsch der 2020er Jahre widerspiegeln und mit derben Gags überraschen,
wirken die intimen, entrückten Dialoge zwischen Jakob und Amelia
in der deutschen Synchronfassung seltsam monoton, antiquiert und theaterhaft,
nicht zuletzt durch die häufige Verwendung des Präteritums.
IDiese
stilistische Dissonanz stört die Immersion und lässt den
Film in seiner Tonalität unentschlossen wirken. Die "Traumnovelle"
leidet unter einer mangelnden erzählerischen Geschlossenheit.
Jakobs schwer zu visualisierende Gedanken, die in Schnitzlers Novelle
eine zentrale Rolle spielen, werden oft in einer simplen "Engelchen-und-Teufelchen"-Manier
aus dem Off eingesprochen. Der plötzliche Bruch der "Vierten
Wand" am Ende des Films, bei dem sich Jakob direkt an das Publikum
wendet, wirkt deplatziert und unterstreicht die narrative Unsicherheit.
Nikolai Kinskis Darstellung des Jakob wirkt bisweilen teilnahmslos;
seine scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber den Ausführungen
seiner Gattin erschwert es dem Zuschauer, eine emotionale Verbindung
zu seiner Figur aufzubauen. Amelias Sehnsüchte bleiben bis zum
Abspann weitgehend undurchsichtig, und die Behauptung, die beiden
seien ein Paar, wirkt oft unbegründet. Der Film hangelt sich
brav an den Stationen der literarischen Vorlage entlang, von Jakobs
Besuch bei Mizzi über die Begegnung mit Professor Roediger bis
zum Etablissement von Lady Mina. Diese Episoden werden zwar bisweilen
humorvoll variiert (etwa durch eine Prügelei) und ins heutige
Berliner Nachtleben übertragen, doch die Inszenierung bleibt
dabei oft "Hausmannskost" und entfaltet selten eine eigene,
unverkennbare Handschrift. Die omnipräsent im Hintergrund hängenden
Plakate für das Gastspiel von Verdis "Ein Maskenball"
im Berliner Renaissance-Theater, dessen Gesangseinschübe mit
fortlaufender Spieldauer ermüdend wirken, sind ein Beispiel für
eine visuelle und akustische Referenz, die ihren Zweck verfehlt und
eher zur Redundanz beiträgt. Auch in puncto Erotik, einem zentralen
Element der Vorlage und von Kubricks Adaption, präsentiert sich
Frerichs' Version recht bieder und harmlos. Die "Maskenball-Orgie",
auf die sich Jakob im Mittelteil schleicht, ist im Vergleich zu Kubricks
Version enttäuschend zahm. Selbst die skurrilsten Elemente, wie
ein riesiger Strap-on-Penis, wirken eher kurios als provokant. Das
"Erotikdrama" bleibt selten surreal und steuert ohne große
Aufreger auf ein Finale zu, das fast genauso wie in der Novelle gestaltet
ist.
TRAUMNOVELLE
ET:
12.06.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 16
R: Florian Frerichs | D: Nikolai Kinski, Laurine Price, Detlev
Buck
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