DVD & BLU-RAY | 02.07.2025

LIES –Lust und Lügen

Ein 38-Jähriger Bildhauer lässt sich auf eine verbotene, sexuelle Beziehung mit einer 18-jährigen Schülerin ein. Diese ist nach südkoreanischem Gesetz noch minderjährig. Doch ihr Sex ist für beide eine Offenbarung: Voller Wollust, Experimentierfreude und absoluter Hingabe. Immer fordernder und tabuloser wird ihr Liebesspiel, das schnell sadomasochistische Formen annimmt.

von Franziska Keil


© Busch Media Group

Am 8. Mai 2025 erlebte der Film „Lies – Lust und Lügen“ eine hochverdiente Wiedergeburt: Der Klassiker wurde erstmals aufwendig restauriert auf DVD, Blu-ray und als limitiertes Blu-ray-Mediabook veröffentlicht, letzteres ergänzt durch ein exklusives Artwork von Adrian Keindorf und ein sechzehnseitiges Booklet. Diese neue Edition ermöglicht es, ein Werk neu zu entdecken, das bei seiner ursprünglichen Veröffentlichung nicht in vollem Umfang als das erkannt wurde, was es bei genauerer Betrachtung ist: ein Film von bemerkenswerter filmhistorischer Relevanz und einer subtilen, doch ungemein wirkmächtigen feministischen Filmanalyse. „Lies – Lust und Lügen“ dekonstruiert die männliche Perspektive auf weibliche Sexualität und Macht in einer Weise, die ihrer Zeit voraus war. Der Film taucht tief in die komplexen psychologischen und sexuellen Dynamiken seiner Charaktere ein. Statt einer simplen Darstellung von Verführung und Betrug bietet er eine vielschichtige Erkundung von Lust, Lügen und den oft verschwommenen Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Der Film weigert sich, weibliche Sexualität zu objektivieren oder auf die männliche Erwartung zu reduzieren. Stattdessen wird die weibliche Hauptfigur als Subjekt mit eigenen, oft widersprüchlichen Begierden und Motivationen porträtiert. Ihre Lügen sind nicht bloße Mittel zur Manipulation, sondern Ausdruck einer komplexen inneren Welt, die von gesellschaftlichen Erwartungen, Machtstrukturen und der Suche nach Selbstbestimmung geprägt ist. Der Film beleuchtet die patriarchalen Strukturen, die Frauen oft in Rollen der Verführbarkeit oder der passiven Verfügbarkeit drängen, und zeigt, wie weibliche Figuren diese Erwartungen unterlaufen oder für ihre eigenen Zwecke nutzen. Die Erzählung verweigert sich einer eindeutigen moralischen Wertung und zwingt das Publikum, die Ambivalenz der menschlichen Natur zu akzeptieren. Dies ist ein Bruch mit traditionellen Darstellungsweisen, in denen Frauenfiguren oft entweder als Heilige oder Huren stilisiert werden. „Lies – Lust und Lügen“ zeichnet Frauen als komplexe Individuen, die in einem Netz aus Erwartungen und heimlichen Wünschen agieren.


© Busch Media Group

Ein zentraler Aspekt des Films ist die Art und Weise, wie er female Agency – also die Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung von Frauen – verhandelt. Auch wenn die Figuren in Konventionen gefangen scheinen mögen, offenbaren sich in ihren Handlungen und Reaktionen Momente der subtilen oder direkten Ermächtigung. Ihre „Lügen“ sind eine Form des Überlebens in einer Welt, die ihnen oft nur begrenzte Ausdrucksmöglichkeiten bietet. Sie navigieren durch ein Minenfeld von Erwartungen und nutzen ihre Intelligenz und ihr Verständnis menschlicher Psychologie, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen oder sich aus misslichen Lagen zu befreien. Der Film vermeidet es, einen moralischen Zeigefinger zu erheben, und gestattet seiner weiblichen Protagonistin eine moralische Ambiguität, die im Kino oft männlichen Charakteren vorbehalten war. Dies ist ein mutiger Schritt, der die vielschichtige Natur von weiblicher Lust, Macht und Widerstand anerkennt. Die Kameraführung und die Inszenierung unterstützen diese Perspektive, indem sie den weiblichen Blick und die innere Welt der Frauen in den Vordergrund rücken, anstatt sie ausschließlich als Objekte des männlichen Blicks zu präsentieren. „Lies – Lust und Lügen“ ist filmhistorisch bedeutsam, weil er die Grenzen der Darstellung von Erotik und Psychologie im Kino seiner Zeit verschob. Er scheute sich nicht, unkonventionelle Themen anzusprechen und die oft verdrängten Facetten menschlicher Beziehungen und sexueller Dynamiken zu erkunden. Der Film trug dazu bei, das Spektrum dessen zu erweitern, was im Mainstream-Kino gezeigt und diskutiert werden konnte, insbesondere in Bezug auf die weibliche Rolle in komplexen Beziehungsgeflechten. Er öffnete den Dialog über weibliche Begierden jenseits patriarchaler Normen und konventioneller Rollenbilder. Die aufwendige Restaurierung und die Veröffentlichung der limitierten Edition mit exklusivem Artwork von Adrian Keindorf und einem umfangreichen Booklet sind ein klares Zeichen für die anhaltende Wertschätzung dieses Films. Sie ermöglichen es einem neuen Publikum, das Werk in seiner vollen künstlerischen Pracht zu erleben und seine progressive Botschaft neu zu bewerten. „Lies – Lust und Lügen“ ist ein Beispiel dafür, wie ein Film, der auf den ersten Blick vielleicht als reines Genrestück erscheint, bei genauerer Betrachtung tiefe feministische Einsichten und eine bleibende Relevanz für die Filmgeschichte birgt. Er bleibt ein fesselndes und nachdenklich stimmendes Werk, das die Art und Weise, wie wir über Lust, Wahrheit und die Macht des weiblichen Blicks denken, nachhaltig beeinflusst hat.


LIES – Lust und Lügen

ET: 08.05.25: DVD, Blu-ray Blu-ray-Mediabook (limitiert) | FSK 18
R: Sun-Woo Jang | D: Lee Sang-Hyun, Kim Tae-Yon, Hyun-Joo Choi
Südkorea 19994 | Busch Media Group

Bonusmaterial: Deleted Scenes; Original-Trailer; Trailershow; Wendecover


 


AGB | IMPRESSUM