Verlassene
Großstädte, Massenpanik, Militär – so sah die
Welt in „28 Days Later“ und „28 Weeks Later“
aus, nachdem sich ein fataler Virus auf die Menschheit ausbreitete.
Nun, mehr als 20 Jahre nach dem Release des ersten Films, kehrt Regisseur
Danny Boyle mit „28 Years Later“ zurück – dem
Auftakt einer neuen Trilogie, die mit gewohntem Horror, aber auch
überraschender Tiefe aufwartet.
Die
Handlung konzentriert sich diesmal nur auf einen kleinen Teil der
überlebenden Menschheit. Eine streng isolierte Inselgemeinschaft
lebt abgeschottet vom mit dem Virus verseuchten Festland. Eine archaisch
anmutende Enklave, eingebettet in Quarantänezäune und Angst
vor dem, was hinter den Mauern des Dorfes auf der anderen Seite des
Meeres lauert. Nachdem Spike (Alfie Williams) das erste mal mit seinem
Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) zur Jagd das Festland betritt,
begibt er sich auf eigene Faust mit seiner kranken Mutter Isla (Jodie
Comer) auf die Suche nach einem mysteriösen Arzt (Ralph Fiennes),
der dort in der Wildnis leben soll. Es beginnt eine Reise ins Herz
menschlicher Urängste und existenzieller Fragen.
Regisseur Danny Boyle und Cinematographer Anthony
God Mantle entschieden sich dafür, große Teile des Films
ausschließlich mit iPhones zu drehen. Das ist mehr als nur ein
technisches Gimmick. Es ist ein bewusstes Stilmittel, das den Film
näher an sein Publikum bringt – körperlich, psychologisch,
atmosphärisch. Außerdem wird damit ein Tribut an „28
Days Later“ gezollt, welcher in den frühen 2000ern teilweise
mit Camcordern gefilmt wurde, wodurch der Film einen unverkennbaren
(und teilweise leider sehr verpixelten) Look erhielt.
Die visuelle Sprache von „28 Years Later“
ist wunderschön und hat mich persönlich sehr berührt.
Weite Landschaften, einst menschliche Strukturen und Gebäude,
die nun von der Natur zurückerobert wurden in Kombination mit
den etwas grobkörnigen, oft leicht entsättigten Bildern
zeigen eine Welt, die trotz all des Grauens im Stillen floriert. An
vielen Stellen wirkt der Film geradezu dokumentarisch.
Ebenfalls voll überzeugt hat mich der
Soundtrack der schottischen Band Young Feathers. Wer dachte, nach
den überragenden Soundtracks der ersten beiden Filme kann es
nicht mehr besser werden – oh doch, es kann. Nie zu vor klang
die Apokalypse so organisch, so roh und gleichzeitig so hypnotisch
und gefühlvoll. Die Musik kommt oft leise, beinahe zufällig
daher, als würde sie durch Wind und Wasser getragen. In anderen
Momenten dröhnt sie wie ein rasender Herzschlag. Besonders eine
Vertonung des Gedichts „Boots“ von Rudyard Kipling, die
bereits im Trailer zu hören war, sorgt für ein terrorhaftes
und dystopisches Feeling.
Es
ist diese Symbiose aus visueller Unmittelbarkeit und intuitivem Klang,
die „28 Years Later“ zu mehr macht als nur einem weiteren
Zombiefilm. Was wir sehen und hören, ist nicht die inszenierte
Apokalypse, sondern gefühlvoller Zerfall. Dabei zeigt der Film
die Katastrophe nicht als Spektakel, sondern als leisen, schleichenden
Verlust. Es geht diesmal nicht um das Chaos der ersten Tage, sondern
um die stille Leere danach.
Der
Film schreckt auch nicht davor zurück, unbequeme Fragen zu stellen:
Was bedeutet Menschlichkeit, wenn die Gesellschaft zerfällt?
Wer hat das Recht zu überleben und wer entscheidet darüber?
Besonders die Koexistenz von überlebenden Menschen und Infizierten
wird in diesem Teil des Franchise auf eine Weise thematisiert, die
zutiefst emotional berührt und zum Nachdenken anregt.
„28
Years Later“ ist weit mehr als die einfache Rückkehr eines
ikonischen Horror-Franchise. Es ist ein Film, der sich selbstbewusst
von seiner Herkunft emanzipiert, ohne diese dabei zu vergessen. Danny
Boyle gelingt es, Horror, Familiendrama und gesellschaftspolitische
Reflexion in eins zu verschmelzen. Der Film ist kein reiner Grusel,
sondern eine dunkle Parabel über über Isolation, Zivilisationsverlust
und das Recht auf Hoffnung. Wo „28 Days Later“ einst als
fiebriger, dystopischer Schlag die post 9/11-Welt traf und „28
Weeks Later“ den politischen Zynismus des War on Terror aufgriff,
sucht „28 Years Later“ nach einem tiefergehenden Sinn
in einer Welt, die den Glauben an Fortschritt, Heilung und Kontrolle
beinahe aufgegeben hat. Der Film mutiert damit vom Genre-Werk zu einem
philosophischen Endzeit-Essay, ohne seine Wurzeln im Horrorfilm zu
verleugnen. Damit ist „28 Years Later“ mein absoluter
Favorit aus diesem Franchise und ich freue mich schon, im Januar 2026
den zweiten Teil der Trilogie, „28 Years Later: The Bone Temple“,
sehen zu können.
28 YEARS LATER
Start:
19.06.25
R: Danny Boyle | D: Aaron Taylor-Johnson, Jodie Comer, Alfie Williams
Großbritannien 2025 | Sony Pictures Germany