SACHBUCH | 03.03.2021
        Multikulturelle 
          Gesellschaft & Rassismus für den gehobenen Bedarf - Zwei Vorträge
        WOLFGANG 
          POHRT hielt die beiden Vorträge 1989 und 1992, als sich die Grünen 
          noch für Sirtaki und Kebab begeisterten und die Migranten als Bereicherung 
          der Kultur im eigenen Land empfanden. Zur gleichen Zeit wurden aus dem 
          linksalternativen Milieu immer wieder Stimmen laut, die behaupteten, 
          dass die Türken da rausfielen, »weil wir die eh nie verstanden 
          haben«.
        von 
          Melanie Thaler
      
       
        Schon damals machte sich die 
          Linke Gedanken, wie man den „Zuzugstrom“ in den Griff kriegen 
          könnte, weil man nicht wollte, „daß die ganze BRD ein 
          Industriegürtel à la Sao Paulo wird“. Dieses Phänomen 
          versucht Pohrt vor dem Hintergrund der Bundesrepublik als einer „spätkapitalistischen, 
          nach Einkommen-, Macht- und Statusgruppen segmentierten Industriegesellschaft“ 
          zu entschlüsseln. Pohrt plädiert für offene Grenzen und 
          ruft ins Bewusstsein, „daß die Zugehörigkeit zur bundesrepublikanischen 
          Gesellschaft nicht auf den Banden des Blutes und der Scholle basiert, 
          sondern auf erworbenen und daher von jedem erwerbbaren Kenntnissen, 
          Fähigkeiten und Fertigkeiten.“
        Wolfgang 
          Pohrt war ein streitbarer Intellektueller, der in seiner langen wissenschaftlichen 
          und publizistischen Karriere nie ein Blatt vor den Mund genommen hat 
          und sich nicht scheute unbequeme Wahrheiten auszusprechen. In einer 
          Zeit, wo man lieber übereinander statt miteinander spricht und 
          diskutiert, sind kritische Stimmen, wie die von Wolfgang Pohrt, der 
          2018 verstarb, wichtiger und gefragter denn je. Dabei ist es nicht relevant, 
          ob man mit seiner Meinung übereinstimmt oder nicht. Es ist wichtig 
          sich mit Fakten und Meinungen auseinanderzusetzen, die auch einmal diametral 
          den eigenen Überzeugungen zuwiderlaufen können. Nur durch 
          einen kritischen Dialog ist es möglich, den eigenen Standpunkt 
          zu überdenken, zu modifizieren und auch zu verwerfen. Aus diesen 
          Gründen ist die kritische Stimme von Wolfgang Pohrt auch in der 
          heutigen Zeit wichtig und aktueller denn je. Er studierte Soziologie, 
          Psychologie, Politische Wissenschaften und Volkswirtschaftslehre in 
          Frankfurt und Berlin. 1976 erschien seine Dissertation „Theorie 
          des Gebrauchswerts“. Von 1990 bis 1994 erstellte er im Auftrag 
          der von Reemtsma ins Leben gerufenen Hamburger Stiftung zur Förderung 
          von Wissenschaft und Kultur Studien über das „Massenbewusstsein“ 
          in Deutschland, die sich methodisch an Adornos „The Authoritarian 
          Personality“ orientierten. 
        In 
          „Multikulturelle Gesellschaft & Rassismus für den gehobenen 
          Bedarf“ finden sich zwei Vorträge des Autors aus den Jahren 
          1989 und 1992. Damals befanden sich die Grünen in ihrer Anfangs- 
          und Findungsphase. Wolfgang Pohrt analysiert in seinen Vorträgen 
          messerscharf die Ideologie der Grünen und auch der Friedensbewegung. 
          Für den Autor waren schon damals innerhalb beider Bewegungen starke 
          deutsch-nationale Anklänge zu finden: "Man hat eine Friedensbewegung 
          machen wollen, und es wurde eine deutschnationale Erweckungsbewegung 
          daraus". In Zeiten, wo sich eine Koalition zwischen CDU/CSU und 
          den Grünen im Bund abzeichnet und eine solche Koalition bereits 
          in Österreich unter Bundeskanzler Kurz regiert, ist dieses Buch 
          ein sehr wichtiger Diskussionsbeitrag.