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DVD & BLU-RAY | 27.11.2025

Die Dutton-Saga als moderne Mythologie YELLOWSTONE - Die komplette Serie

"Yellowstone" entfaltet über fünf Staffeln hinweg ein gewaltiges Panorama amerikanischer Identitäts- und Machtstrukturen und erhebt den modernen Western zur seriellen Hochkunst. Die nun erschienene Gesamtedition ermöglicht einen Blick auf die Dutton-Saga als vielschichtiges Mythengewebe.

von Anna Winter


© Paramount Pictures

Es gibt Serien, die ihr Genre erneuern, solche, die Publikumserwartungen übertreffen – und jene, die unvermittelt zu kulturellen Marksteinen werden. „Yellowstone“, dessen komplette Serie nun am 20. November auf 24 DVDs erschienen ist, gehört zweifellos zur letzten Kategorie. Was Taylor Sheridan und John Linson über fünf Staffeln hinweg geschaffen haben, ist nicht weniger als eine moderne amerikanische Tragödie: ein epischer, mitunter brutaler, aber stets präzise gezeichneter Blick auf Macht, Familie, Land und die Zerreißproben einer Gesellschaft, die im Mythos ihrer eigenen Gründung gefangen ist.

Im Zentrum steht die Rancher-Dynastie der Duttons, angeführt von Kevin Costner in einer seiner differenziertesten Rollen. John Dutton ist kein Held; er ist ein Relikt, ein Patriarch, dessen moralische und politische Positionen sich mit der Starrheit eines Felsens behaupten. Über die fünf Staffeln hinweg verschiebt sich der Blick auf ihn und seine Familie kontinuierlich. Mal erscheinen die Duttons als letzte Verteidiger eines bedrohten Lebensmodells, mal als kompromisslose Machtmenschen, die jedes Mittel einsetzen, um ihr Territorium zu bewahren. Genau darin liegt die filmhistorische Bedeutung von Yellowstone: Die Serie öffnet den Western-Mythos für die Gegenwart, ohne ihn zu entwerten. Sheridan erzählt nicht nur von Cowboys und Rindern, sondern von Landraub, politischer Korruption, ökonomischen Interessen und der Fragilität von Identität. Montana wird zur Projektionsfläche einer Nation, die sich in ihrem eigenen Selbstbild verheddert – ein Echo auf die Duttons, deren Clan ebenso brüchig ist wie das Land, das sie zu beschützen glauben.


© Paramount Pictures

Das Figurenensemble entfaltet seine Wirkung durch eine außergewöhnliche narrative und emotionale Präzision. Beth Dutton etwa entwickelt sich zu einer der faszinierendsten Serienfiguren des letzten Jahrzehnts: brillant, zerstörerisch, verletzlich und zugleich im Kampfmodus permanent unbesiegbar wirkend. Kayce Dutton hingegen bleibt eine Figur der Zerrissenheit – zwischen Loyalität, Familienrollen und der Sehnsucht nach einem moralisch integeren Leben. Und Rip Wheeler verkörpert eine archaische, aber zutiefst gebrochene Männlichkeit; seine Loyalität ist ebenso grenzenlos wie seine Gewaltbereitschaft. Sheridan zeichnet alle diese Figuren mit einer Mischung aus archaischer Wucht und psychologischer Feinheit, sodass kein eindeutiger Held und kein makelloser Antagonist entsteht. Aus diesem Geflecht an Loyalitäten, Interessen und alten Verletzungen erwächst über fünf Staffeln hinweg ein erzählerischer Kosmos, der sich organisch entwickelt und konsequent einer inneren Logik folgt. Dass die Serie zugleich mit filmischer Opulenz arbeitet – weite Landschaftsaufnahmen, die wie Gemälde des amerikanischen Realismus wirken, und eine Kamera, die Gesten, Körper und Umgebung zu tragenden Erzählkomponenten macht – unterstreicht ihren Anspruch. Yellowstone ist nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch ein Monument.

Der enorme Erfolg von Yellowstone führte zur Etablierung eines der wichtigsten Serien-Universen unserer Zeit. Die Prequels „1883“ und „1923“ erzählen nicht einfach die Vorgeschichte der Duttons, sondern erweitern die Thematik in neue historische und ästhetische Räume. „1883“ ist ein existenzielles Pionierdrama, das den amerikanischen Gründungsmythos in all seiner Brutalität zeigt. „1923“ hingegen entfaltet ein vielschichtiges Historienepos, das die Umbrüche des frühen 20. Jahrhunderts in den Blick nimmt und mit Harrison Ford und Helen Mirren zwei ikonische Figuren der Kinogeschichte ins Zentrum rückt. Weitere geplante Ableger wie „6666“ verlagern die Handlung in andere Regionen und eröffnen zusätzliche Facetten des Serienkosmos. Dieses Yellowstone-Universum zeigt die strategische Größe von Sheridans Vision: Es ist eine epische Erzählwelt, deren Expansion sich organisch aus ihrer thematischen Wucht ergibt.


© Paramount Pictures

Dass die Serie nun als umfangreiche DVD-Komplettedition erhältlich ist, ist ein kultureller Glücksfall. In einer Zeit, in der Streaming-Plattformen Inhalte oft schneller verschwinden lassen, als Zuschauer sie entdecken können, bewahren physische Medien ein Werk in seiner Gesamtheit. „Yellowstone“ verdient genau diesen geschützten Raum: als ästhetisches Artefakt, als narrative Großform und als kulturelle Reflexionsfläche. Die Serie gehört – im besten Sinne – in das Regal jedes Sammlers, jedes Filmwissenschaftlers und jedes Liebhabers anspruchsvoller Erzählkunst.

FAZIT

„Yellowstone“ ist mehr als ein Western, mehr als ein Familiendrama, mehr als ein Serienphänomen. Es ist eine kraftvolle, tief in der nordamerikanischen Kultur verwurzelte Erzählung über Besitz, Identität und das Verlöschen traditioneller Strukturen im Licht der Moderne. Die vollständige Serie, nun auf 24 DVDs verfügbar, ist ein monumentaler Beitrag zur Fernsehgeschichte – und ein unverzichtbares Werk für alle, die begreifen wollen, wie komplex, widersprüchlich und stilprägend modernes Serienerzählen geworden ist.


YELLOWSTONE - Die komplette Serie

VÖ: 20.11.25: DVD | FSK 16
C: Taylor Sheridan, John Linson | D: Kevin Costner, Wes Bentley, Luke Grimes
USA 2025 | Paramount Pictures

Bonusmaterial: Über 19 Stunden Bonusmaterial,Taylor Sheridan & Kevin Costner über "Yellowstone",Unbestreitbare Leidenschaft: Beth & Rip / Monica & Kayce,Die Arbeit an "Yellowstone":
Kampf-Choreografie,Cowboy-Camp,u.v.m.

 


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