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DVD & BLU-RAY | 11.12.2025

U ARE THE UNIVERSE

Ein filmischer Ausnahmefall von stiller Größe: "U Are the Universe" verhandelt die existenzielle Einsamkeit des Alls als überraschend intime Liebesgeschichte. Mit formaler Reduktion und emotionaler Präzision verwandelt Pavlo Ostrikov kosmische Leere in ein Resonanzfeld menschlicher Sehnsucht.

von Franziska Keil


© Pandastorm

Mit der Veröffentlichung von „U Are the Universe“ am 05. Dezember als Blu-ray erhält einer der ungewöhnlichsten Science-Fiction-Filme der jüngeren Jahre endlich die Plattform, die er verdient. Pavlo Ostrikovs Werk erweitert das Genre des Weltraum-Einsiedlertums nicht nur formal, sondern existenziell. Der Film tritt in einen traditionsreichen Diskurs ein – Soloastronauten, verloren im All, die Konfrontation mit Isolation und Endlichkeit –, doch er wählt einen völlig anderen Weg: Statt technischer Survival-Dramatik oder mutwilligem Pathos entwickelt Ostrikov eine intime, zutiefst menschliche Liebesgeschichte, die die Schwerkraft des Alls zwar anerkennt, aber nicht fürchtet.

Im Zentrum steht Andriy Melnyk, ein ukrainischer Weltraumtrucker, dessen Routine im Orbit von Jupiter durch einen drastischen kosmischen Einschnitt erschüttert wird. Dass die Erde explodiert, ist weniger erzählerischer Schauwert als Katalysator einer grundlegenden ontologischen Selbstbefragung. Ostrikov interessiert sich nicht für das Spektakel des Untergangs, sondern für die Folgen der radikalen Vereinzelung im Angesicht der absoluten Stille. Die Leerstelle – sowohl die narrative als auch die kosmische – wird zum Resonanzraum des Menschlichen. Die karge Expositionsdramaturgie, geprägt durch knappe Szenen zwischen Andriy und seinem Begleitroboter Maxim, entfaltet dabei überraschend viel Komik. Maxim ist nicht der übliche KI-Sarkast, sondern eine dysfunktional-wohlmeinende Maschine, deren Versuche, Andriy zu unterhalten oder zu beschützen, ebenso scheitern wie rühren. Die Beziehung zwischen Mensch und Maschine gewinnt dadurch einen organischen Charakter, der fernab technokratischer Klischees liegt.

Die narrative Zäsur entsteht, als Andriy erkennt, dass er möglicherweise der letzte Mensch ist – ein apokalyptisches Wissen, das er mit absurdem, fast kindlichem Trotz beantwortet. Sein impulsiver Funkspruch ins Nichts ist nicht Ausdruck von Verzweiflung, sondern von menschlicher Restwürde. Und es ist ein schönes filmisches Detail, dass gerade diese Mischung aus Albernheit und Einsamkeit dazu führt, dass Catherine auf der anderen Seite des Sonnensystems antwortet. Was folgt, ist eine der poetischsten Fernbeziehungen der jüngeren Filmgeschichte. Die Kommunikation zwischen Andriy und Catherine ist formal minimalisiert – Stimmen, Fragmentarisches, das Metallische der Übertragung –, aber onyxfarben klar in der emotionalen Tiefe. Ein Film, der fast ausschließlich aus Dialogen zwischen zwei räumlich isolierten Figuren besteht, müsste theoretisch statisch wirken. Doch Ostrikov erreicht das Gegenteil: Die Gespräche werden zu einem lebendigen Raum, der Wärme, Unsicherheit und Hoffnung zugleich beherbergt.


© Pandastorm

Volodymyr Kravchuk trägt den Film mit einer Nuanciertheit, die an die besten Einzelperformances des Genres erinnert. Er verkörpert Andriy nicht als heroischen Übermenschen, sondern als pragmatischen, leicht verschrobenen Alltagsmenschen, der sich im All nicht verliert, sondern neu findet. Sein Spiel balanciert zwischen stillem Humor, latenter Verletzlichkeit und unerwarteten Momenten emotionaler Transparenz. Wo andere Filme Schwerelosigkeit als Spektakel verstehen, nutzt Ostrikov sie als Spiegel: Andriy schwebt – und mit ihm seine Gefühle, seine Ängste, seine neu entdeckte Fähigkeit zu lieben. Die Leistung von Alexia Depicker als Stimme Catherine – warm, unprätentiös, präzise – verstärkt diesen Eindruck. Dass ihre Präsenz allein durch Stimme und Rhythmus der Sprache vermittelt wird, macht den emotionalen Anschluss des Publikums umso bemerkenswerter.

„U Are the Universe“ gelingt das seltene Kunststück, Romantik im Science-Fiction-Kontext nicht als Nebenschauplatz, sondern als dramaturgisches Zentrum zu inszenieren. Es ist eine Liebesgeschichte, die nicht auf Nähe beruht, sondern auf Distanz; die nicht von Körperlichkeit lebt, sondern von sprachlicher Resonanz. Die dialogischen Miniaturen wirken als pulsierende Verbindungslinien zwischen zwei kosmischen Einzelwesen – und gerade ihre Fragilität macht ihren Zauber aus. Ostrikov vermeidet jede Sentimentalität. Die Beziehung ist unperfekt, geprägt von Missverständnissen, Humor, Pausen. Aber sie besitzt jene Wahrhaftigkeit, die große Romantik auszeichnet. Der Film erinnert daran, dass Liebe nicht die Überwindung von Raum bedeutet, sondern die Überwindung von Gleichgültigkeit.

Obwohl der Film visuell vergleichsweise reduziert ist, arbeitet er mit einer Bildsprache, die die metaphorische Qualität des Kosmos betont: Leere als Möglichkeit. Dunkelheit als Schutzraum. Sterne als soziale Minimalstruktur eines Universums ohne Menschen. Ostrikovs Regie sucht nicht den Effekt, sondern die Atmosphäre – und findet in der Kombination aus karger Ästhetik und emotionaler Überfülle eine fast lyrische Qualität. „U Are the Universe“ ist ein Film über Einsamkeit, aber ebenso ein Film über die Durchlässigkeit des Menschlichen. Seine Stärke liegt in der Erkenntnis, dass jede noch so futuristische Geschichte letztlich eine Variation eines uralten Gefühls ist: der Wunsch nach Verbindung. Die Blu-ray-Veröffentlichung macht diesen leisen, humorvollen und zutiefst berührenden Film endlich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich – und zeigt, dass große Science-Fiction immer dort beginnt, wo das Menschliche am klarsten sichtbar wird. Ein Werk, das in seiner Reduktion enorm, in seiner Emotionalität universell und in seiner filmischen Präzision bemerkenswert ist.


U ARE THE UNIVERSE

ET: 21.11.25: digital / 05.12.25: Blu-ray | FSK 12
R: Pavlo Ostrikov | D: Volodymyr Kravchuk, Daria Plakhtii, Alexia Depicker
Ukraine, Belgien 2024 | Pandastorm


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