Ein
filmischer Ausnahmefall von stiller Größe: "U Are
the Universe" verhandelt die existenzielle Einsamkeit des Alls
als überraschend intime Liebesgeschichte. Mit formaler Reduktion
und emotionaler Präzision verwandelt Pavlo Ostrikov kosmische
Leere in ein Resonanzfeld menschlicher Sehnsucht.
Mit
der Veröffentlichung von „U Are the Universe“ am
05. Dezember als Blu-ray erhält einer der ungewöhnlichsten
Science-Fiction-Filme der jüngeren Jahre endlich die Plattform,
die er verdient. Pavlo Ostrikovs Werk erweitert das Genre des Weltraum-Einsiedlertums
nicht nur formal, sondern existenziell. Der Film tritt in einen traditionsreichen
Diskurs ein – Soloastronauten, verloren im All, die Konfrontation
mit Isolation und Endlichkeit –, doch er wählt einen völlig
anderen Weg: Statt technischer Survival-Dramatik oder mutwilligem
Pathos entwickelt Ostrikov eine intime, zutiefst menschliche Liebesgeschichte,
die die Schwerkraft des Alls zwar anerkennt, aber nicht fürchtet.
Im
Zentrum steht Andriy Melnyk, ein ukrainischer Weltraumtrucker, dessen
Routine im Orbit von Jupiter durch einen drastischen kosmischen Einschnitt
erschüttert wird. Dass die Erde explodiert, ist weniger erzählerischer
Schauwert als Katalysator einer grundlegenden ontologischen Selbstbefragung.
Ostrikov interessiert sich nicht für das Spektakel des Untergangs,
sondern für die Folgen der radikalen Vereinzelung im Angesicht
der absoluten Stille. Die Leerstelle – sowohl die narrative
als auch die kosmische – wird zum Resonanzraum des Menschlichen.
Die karge Expositionsdramaturgie, geprägt durch knappe Szenen
zwischen Andriy und seinem Begleitroboter Maxim, entfaltet dabei überraschend
viel Komik. Maxim ist nicht der übliche KI-Sarkast, sondern eine
dysfunktional-wohlmeinende Maschine, deren Versuche, Andriy zu unterhalten
oder zu beschützen, ebenso scheitern wie rühren. Die Beziehung
zwischen Mensch und Maschine gewinnt dadurch einen organischen Charakter,
der fernab technokratischer Klischees liegt.
Die
narrative Zäsur entsteht, als Andriy erkennt, dass er möglicherweise
der letzte Mensch ist – ein apokalyptisches Wissen, das er mit
absurdem, fast kindlichem Trotz beantwortet. Sein impulsiver Funkspruch
ins Nichts ist nicht Ausdruck von Verzweiflung, sondern von menschlicher
Restwürde. Und es ist ein schönes filmisches Detail, dass
gerade diese Mischung aus Albernheit und Einsamkeit dazu führt,
dass Catherine auf der anderen Seite des Sonnensystems antwortet.
Was folgt, ist eine der poetischsten Fernbeziehungen der jüngeren
Filmgeschichte. Die Kommunikation zwischen Andriy und Catherine ist
formal minimalisiert – Stimmen, Fragmentarisches, das Metallische
der Übertragung –, aber onyxfarben klar in der emotionalen
Tiefe. Ein Film, der fast ausschließlich aus Dialogen zwischen
zwei räumlich isolierten Figuren besteht, müsste theoretisch
statisch wirken. Doch Ostrikov erreicht das Gegenteil: Die Gespräche
werden zu einem lebendigen Raum, der Wärme, Unsicherheit und
Hoffnung zugleich beherbergt.
Volodymyr
Kravchuk trägt den Film mit einer Nuanciertheit, die an die besten
Einzelperformances des Genres erinnert. Er verkörpert Andriy
nicht als heroischen Übermenschen, sondern als pragmatischen,
leicht verschrobenen Alltagsmenschen, der sich im All nicht verliert,
sondern neu findet. Sein Spiel balanciert zwischen stillem Humor,
latenter Verletzlichkeit und unerwarteten Momenten emotionaler Transparenz.
Wo andere Filme Schwerelosigkeit als Spektakel verstehen, nutzt Ostrikov
sie als Spiegel: Andriy schwebt – und mit ihm seine Gefühle,
seine Ängste, seine neu entdeckte Fähigkeit zu lieben. Die
Leistung von Alexia Depicker als Stimme Catherine – warm, unprätentiös,
präzise – verstärkt diesen Eindruck. Dass ihre Präsenz
allein durch Stimme und Rhythmus der Sprache vermittelt wird, macht
den emotionalen Anschluss des Publikums umso bemerkenswerter.
„U
Are the Universe“ gelingt das seltene Kunststück, Romantik
im Science-Fiction-Kontext nicht als Nebenschauplatz, sondern als
dramaturgisches Zentrum zu inszenieren. Es ist eine Liebesgeschichte,
die nicht auf Nähe beruht, sondern auf Distanz; die nicht von
Körperlichkeit lebt, sondern von sprachlicher Resonanz. Die dialogischen
Miniaturen wirken als pulsierende Verbindungslinien zwischen zwei
kosmischen Einzelwesen – und gerade ihre Fragilität macht
ihren Zauber aus. Ostrikov vermeidet jede Sentimentalität. Die
Beziehung ist unperfekt, geprägt von Missverständnissen,
Humor, Pausen. Aber sie besitzt jene Wahrhaftigkeit, die große
Romantik auszeichnet. Der Film erinnert daran, dass Liebe nicht die
Überwindung von Raum bedeutet, sondern die Überwindung von
Gleichgültigkeit.
Obwohl
der Film visuell vergleichsweise reduziert ist, arbeitet er mit einer
Bildsprache, die die metaphorische Qualität des Kosmos betont:
Leere als Möglichkeit. Dunkelheit als Schutzraum. Sterne als
soziale Minimalstruktur eines Universums ohne Menschen. Ostrikovs
Regie sucht nicht den Effekt, sondern die Atmosphäre –
und findet in der Kombination aus karger Ästhetik und emotionaler
Überfülle eine fast lyrische Qualität. „U Are
the Universe“ ist ein Film über Einsamkeit, aber ebenso
ein Film über die Durchlässigkeit des Menschlichen. Seine
Stärke liegt in der Erkenntnis, dass jede noch so futuristische
Geschichte letztlich eine Variation eines uralten Gefühls ist:
der Wunsch nach Verbindung. Die Blu-ray-Veröffentlichung macht
diesen leisen, humorvollen und zutiefst berührenden Film endlich
einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich – und zeigt,
dass große Science-Fiction immer dort beginnt, wo das Menschliche
am klarsten sichtbar wird. Ein Werk, das in seiner Reduktion enorm,
in seiner Emotionalität universell und in seiner filmischen Präzision
bemerkenswert ist.