Die
Eleganz des Denkens
„Der junge Inspektor Morse“ als modernes
Fernsehkunstwerk
Ein melancholischer
Blick auf Oxford, ein brillanter Kopf im Zwiespalt – „Der
junge Inspektor Morse“ verbindet klassische Krimikunst mit tiefgründiger
Charakterzeichnung. Die nun erscheinende DVD-Gesamtbox feiert ein
Serienjuwel, das Intellekt und Emotion in seltener Harmonie vereint.
Wenn
man auf die Geschichte des britischen Fernsehens blickt, so stößt
man unweigerlich auf jene Serien, die das Genre des Krimis weit über
das reine Rätselspiel hinaus erhoben haben – Werke, in
denen Verbrechen und Moral, Intelligenz und Einsamkeit zu einer fast
literarischen Einheit verschmelzen. „Der junge Inspektor Morse“
gehört zweifellos zu diesen seltenen Errungenschaften. Nun erscheint
die Serie, die mit ihrer Mischung aus klassischer Erzähltradition
und modernem psychologischem Tiefgang seit Jahren ein internationales
Publikum fesselt, erstmals als vollständige Gesamtbox auf 22
DVDs bei Edel Motion – inklusive umfangreichem Bonusmaterial,
das nicht nur für Sammler, sondern für Liebhaber der britischen
Fernsehkunst von unschätzbarem Wert ist. Schon das Ursprungswerk
„Inspector Morse“ (1987–2000) gilt als ein Meilenstein
des „intelligenten Krimis“: eine Serie, die nicht den
Täter, sondern die menschliche Schwäche in den Mittelpunkt
stellte. „Der junge Inspektor Morse“ (Endeavour) führt
diesen Ansatz fort – und zugleich zurück zu den Anfängen.
Der von Shaun Evans mit feiner, fast schüchterner Intensität
verkörperte junge Endeavour Morse ist kein Held, sondern ein
Suchender, dessen analytischer Geist stets an seine eigene Verletzlichkeit
grenzt. Evans gelingt es meisterhaft, die Keimzelle jener Figur freizulegen,
die später – im Körper des älteren John Thaw
– zu einem der komplexesten Ermittler der TV-Geschichte werden
sollte. Dass Morse hier nicht aus der Feder von Colin Dexter stammt,
sondern aus der Imagination des Drehbuchautors Russell Lewis, tut
der Authentizität keinen Abbruch. Lewis entwirft jede Episode
wie ein Kreuzworträtsel – nicht nur inhaltlich, sondern
auch formal. Die Serie ist durchzogen von Anspielungen, Zitaten und
filmischen „Easter Eggs“, die das Werk zu einer Hommage
an Literatur, Musik, Philosophie und die britische Kultur der 1960er
Jahre machen.
Jede
Folge ist ein intellektuelles Vergnügen, ein cineastisches Palimpsest,
das dazu einlädt, immer wieder neue Details zu entdecken. Doch
„Der junge Inspektor Morse“ ist mehr als nur ein nostalgisches
Period Piece. In seinem eleganten Retro-Stil – den makellosen
Kostümen, den glänzenden Jaguar-Karosserien, dem Nikotindunst
über den Teetassen – spiegelt sich ein tiefer gesellschaftlicher
Wandel. Die Serie seziert den Verfall alter Hierarchien: das bröckelnde
Empire, die Erosion patriarchaler Strukturen, die leisen Aufbrüche
der Moderne. Sie zeigt, wie sich Moral, Klasse und Autorität
im Übergang zur Spätmoderne neu definieren müssen.
Diese gesellschaftliche Schärfe unterscheidet „Der junge
Inspektor Morse“ von vielen nostalgischen Formaten. Sie verleiht
ihm jene Relevanz, die es braucht, um nicht bloß zu erinnern,
sondern zu reflektieren. Unter der glänzenden Oberfläche
der Universitätsstadt Oxford brodelt eine dunkle, unaufgelöste
Spannung – zwischen Ideal und Realität, Ordnung und Chaos,
Wissen und Macht. Was diese Serie zu einem Kunstwerk erhebt, ist ihre
Stimmung. In ihr vereinen sich Kriminalhandlung und Poesie, Ratio
und Sehnsucht. Morse ist ein Romantiker der Vernunft, ein Mann, der
lieber denkt als lebt – und doch in jeder Episode mit den eigenen
Emotionen konfrontiert wird.
Seine
Liebe zur Musik, sein Stolz, seine Einsamkeit: all das formt ein psychologisches
Porträt, das sich über die Jahre zu einem der berührendsten
Charakterstudien des modernen Fernsehens entwickelt hat. Hinzu kommt
die unverwechselbare visuelle Sprache – das Licht über
den alten Mauern Oxfords, die melancholische Farbpalette zwischen
Sepia und Rauchblau, die Kompositionen, die fast wie Gemälde
wirken. „Der junge Inspektor Morse“ ist nicht einfach
ein Krimi, sondern ein ästhetisches Erlebnis, das mit jeder Folge
lehrt, wie Denken und Fühlen, Logik und Leidenschaft in ein feines
Gleichgewicht gebracht werden können. Dass Colin Dexter in seinem
Testament verfügte, Shaun Evans solle der letzte Morse bleiben,
ist mehr als eine Anekdote – es ist eine Würdigung. Sie
bestätigt, dass diese Serie, entstanden als Prequel, das Erbe
ihres Originals nicht verwässert, sondern vertieft hat. Mit der
Veröffentlichung der kompletten DVD-Gesamtbox am 21. November
2025 wird dieses Kapitel nun geschlossen – als Hommage an eine
Ära des britischen Fernsehens, in der Intelligenz, Haltung und
Stil noch Selbstverständlichkeit waren. „Der junge Inspektor
Morse“ ist damit weit mehr als ein Prequel. Es ist eine Meditation
über Erinnerung, Wahrheit und die Kunst des Zweifelns –
ein stilles Meisterwerk, das die Vergangenheit ehrt, ohne in ihr zu
erstarren.
DER JUNGE INSPEKTOR MORSE - Gesamtbox [22 DVDs]
ET:
21.11.25: DVD | FSK 16
D: Anton Lesser, Jack Bannon, James Bradshaw, Roger Allam
Großbritannien 2025 | Edel Motion
Extras:
- Über drei Stunden Interviews mit Cast & Crew sowie Einblicke
hinter die Kulissen;
Die Dokumentation ”Der junge Inspektor Morse – Eine
letzte Reise“; Die Pilotfolge der Ursprungsserie ”Inspector
Morse“:
Die Toten von Jericho; Ein umfangreiches Booklet mit Informationen
zur Serie, den Hauptdarstellern,
dem Serienschöpfer Colin Dexter und den Verbindungen zwischen
”Inspector Morse“, „Lewis“ und ”
Der junge Inspektor Morse“; Fünf exklusive Sammelkarten