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DVD & BLU-RAY | 26.11.2025

Diva Futura
Ein schillerndes Märchen des männlichen Blicks und seine feministische Entzauberung

Zwischen Glamour und Selbstbetrug entfaltet Diva Futura ein schillerndes Porträt des italienischen Erotikunternehmers Riccardo Schicchi – und offenbart zugleich die blinden Flecken eines Systems, das weibliche Körper feiert und zugleich funktionalisiert.

von Franziska Keil


© BUSCH MEDIA GROUP

Mit „Diva Futura“, am 20. November auf DVD und digital veröffentlicht, präsentiert Giulia Louise Steigerwalt eine farbenfrohe, heiter inszenierte Hommage an den italienischen Pornoproduzenten Riccardo Schicchi – und zugleich ein Werk, das in seiner Leichtigkeit beständig mit den Schatten jener Industrie ringt, die es veredeln möchte. Was als quirliges Biopic daherkommt, offenbart sich bei genauerer Betrachtung als aufschlussreiches Dokument darüber, wie tief internalisierte patriarchale Strukturen selbst dort fortbestehen, wo vermeintliche Befreiung gefeiert wird.

Steigerwalt öffnet ihr filmisches Universum wie ein Kaleidoskop aus Neonfarben, Revue-Nummern und schlaglichtartigen Anekdoten. Der episodische Aufbau, der unvermittelt zwischen Zeitebenen springt, erzeugt ein spritziges Momentum, das sich dem Tempo eines Musikclips annähert. Innerhalb dieses pulsierenden Rhythmus inszeniert der Film Riccardo Schicchi als eine Mischung aus überforderter Visionärsfigur, liebenswert-naivem Träumer und erotischem Alchemisten, der aus Frauen Ikonen formt: La Cicciolina, Moana, Éva. Die Kamera taucht ein in eine Welt der verführerischen Kostüme, des Glitzerlichts und der körperlichen Selbstinszenierung, wodurch Diva Futura zunächst fast wie das quecksilbrige Gegenstück zu Boogie Nights wirkt – nur ohne dessen bittere Ironie.

Gerade diese betonte Leichtigkeit jedoch entlarvt den filmischen Blick als ein zutiefst männlich codiertes Narrativ. Steigerwalt erzählt Schicchis Geschichte mit einer Sympathie, die selten den Raum öffnet, um die strukturelle Asymmetrie zwischen Regisseur und Darstellerinnen kritisch zu hinterfragen. Obwohl der Film mehrfach andeutet, dass Moana oder Éva eigene Kämpfe führen – mit dem Filmgeschäft, politischen Ambitionen oder privaten Verletzungen –, bleiben diese Konflikte oft nur ornamenthafte Randnotizen. Es ist ein Kino, das zwar Frauen feiert, aber vor allem als Projektionsflächen für Schicchis Charisma, Leidenschaften und Fehlentscheidungen. Der Film reproduziert damit – möglicherweise unbewusst – ein Muster, das der Protagonist selbst verkörpert: die Reduktion weiblicher Selbstbestimmung zugunsten einer erotisierten Idee von Freiheit, deren Deutungsmacht allein bei Männern liegt.


© LUCIA IUORIO

Besonders problematisch wird dies, wenn Diva Futura Schicchis Verhalten gegenüber den Frauen in seinem Umfeld bagatellisiert. Episoden, die im Kern Fragen nach Grenzen, Machtmissbrauch und ökonomischem Zwang aufwerfen, werden zu leichtfüßigen Anekdoten entschärft. Die Darstellung seiner „Eifersucht“, der Kontrolle über die Karrieren seiner Partnerinnen oder die Ausblendung der harten Realitäten verschiedener Casting-Erfahrungen der Schauspielerinnen zeigt ein Werk, das lieber verzaubern als vertiefen will. Gleichzeitig wäre es zu einfach, „Diva Futura“ schlicht als unkritische Verklärung abzustrafen. Denn das, was der Film ausspart, offenbart auf einer zweiten Ebene viel darüber, wie sich die Pornografie der 1980er und 1990er selbst erzählte: als Ort der Befreiung, der aber nur für jene Akteure wirklich autonom war, die ihre ökonomischen und kreativen Bedingungen kontrollierten.

Cinematografisch beeindruckt „Diva Futura“ mit warmem Licht, geschmeidigen Kameraeinstellungen und einer weichen, nahezu nostalgischen Ästhetik. Doch gerade dieses visuelle Versprechen – eine Welt des Begehrens, des Glanzes, des Spiels – bildet die eigentliche Struktur der Inszenierung: Schönheit wird zur Strategie der Verdrängung. Was erzählt wird, ist ein Mythos von Reinheit, Kreativität und Erotik; was fehlt, ist ein Dialog über Verantwortung, Agency und institutionelle Macht.

FAZIT
„Diva Futura ist kein schlechter Film. Er ist charmant, rhythmisch, humorvoll und voll von audiovisueller Energie. Doch gerade aus feministischer Sicht bleibt er ein Dokument seines eigenen Unvermögens, die Komplexität jener Frauen ernst zu nehmen, die er zeigt. Und damit wird der Film – unfreiwillig – zum lehrreichen Beispiel dafür, wie patriarchale Narrative heute noch funktionieren: elegant verpackt, liebevoll erzählt, aber ohne den Mut, ihr eigenes Fundament zu hinterfragen. Ein Film über die Glitzerwelt der Pornografie – und ein Spiegel jener gesellschaftlichen Mechanismen, die selbst im Glanz der Oberfläche ihre Macht behalten.


DIVA FUTURA

ET: 20.11.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 16
R: Giulia Louise Steigerwalt | D: Pietro Castellitto, Denise Capezza, Lidija Kordic
Italien 2024 | Busch Media Group


 


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