Diva
Futura
Ein schillerndes Märchen des männlichen
Blicks und seine feministische Entzauberung
Zwischen
Glamour und Selbstbetrug entfaltet Diva Futura ein schillerndes Porträt
des italienischen Erotikunternehmers Riccardo Schicchi – und
offenbart zugleich die blinden Flecken eines Systems, das weibliche
Körper feiert und zugleich funktionalisiert.
Mit
„Diva Futura“, am 20. November auf DVD und digital veröffentlicht,
präsentiert Giulia Louise Steigerwalt eine farbenfrohe, heiter
inszenierte Hommage an den italienischen Pornoproduzenten Riccardo
Schicchi – und zugleich ein Werk, das in seiner Leichtigkeit
beständig mit den Schatten jener Industrie ringt, die es veredeln
möchte. Was als quirliges Biopic daherkommt, offenbart sich bei
genauerer Betrachtung als aufschlussreiches Dokument darüber,
wie tief internalisierte patriarchale Strukturen selbst dort fortbestehen,
wo vermeintliche Befreiung gefeiert wird.
Steigerwalt öffnet ihr filmisches Universum
wie ein Kaleidoskop aus Neonfarben, Revue-Nummern und schlaglichtartigen
Anekdoten. Der episodische Aufbau, der unvermittelt zwischen Zeitebenen
springt, erzeugt ein spritziges Momentum, das sich dem Tempo eines
Musikclips annähert. Innerhalb dieses pulsierenden Rhythmus inszeniert
der Film Riccardo Schicchi als eine Mischung aus überforderter
Visionärsfigur, liebenswert-naivem Träumer und erotischem
Alchemisten, der aus Frauen Ikonen formt: La Cicciolina, Moana, Éva.
Die Kamera taucht ein in eine Welt der verführerischen Kostüme,
des Glitzerlichts und der körperlichen Selbstinszenierung, wodurch
Diva Futura zunächst fast wie das quecksilbrige Gegenstück
zu Boogie Nights wirkt – nur ohne dessen bittere Ironie.
Gerade diese betonte Leichtigkeit jedoch entlarvt
den filmischen Blick als ein zutiefst männlich codiertes Narrativ.
Steigerwalt erzählt Schicchis Geschichte mit einer Sympathie,
die selten den Raum öffnet, um die strukturelle Asymmetrie zwischen
Regisseur und Darstellerinnen kritisch zu hinterfragen. Obwohl der
Film mehrfach andeutet, dass Moana oder Éva eigene Kämpfe
führen – mit dem Filmgeschäft, politischen Ambitionen
oder privaten Verletzungen –, bleiben diese Konflikte oft nur
ornamenthafte Randnotizen. Es ist ein Kino, das zwar Frauen feiert,
aber vor allem als Projektionsflächen für Schicchis Charisma,
Leidenschaften und Fehlentscheidungen. Der Film reproduziert damit
– möglicherweise unbewusst – ein Muster, das der
Protagonist selbst verkörpert: die Reduktion weiblicher Selbstbestimmung
zugunsten einer erotisierten Idee von Freiheit, deren Deutungsmacht
allein bei Männern liegt.
Besonders
problematisch wird dies, wenn Diva Futura Schicchis Verhalten gegenüber
den Frauen in seinem Umfeld bagatellisiert. Episoden, die im Kern
Fragen nach Grenzen, Machtmissbrauch und ökonomischem Zwang aufwerfen,
werden zu leichtfüßigen Anekdoten entschärft. Die
Darstellung seiner „Eifersucht“, der Kontrolle über
die Karrieren seiner Partnerinnen oder die Ausblendung der harten
Realitäten verschiedener Casting-Erfahrungen der Schauspielerinnen
zeigt ein Werk, das lieber verzaubern als vertiefen will. Gleichzeitig
wäre es zu einfach, „Diva Futura“ schlicht als unkritische
Verklärung abzustrafen. Denn das, was der Film ausspart, offenbart
auf einer zweiten Ebene viel darüber, wie sich die Pornografie
der 1980er und 1990er selbst erzählte: als Ort der Befreiung,
der aber nur für jene Akteure wirklich autonom war, die ihre
ökonomischen und kreativen Bedingungen kontrollierten.
Cinematografisch beeindruckt „Diva Futura“
mit warmem Licht, geschmeidigen Kameraeinstellungen und einer weichen,
nahezu nostalgischen Ästhetik. Doch gerade dieses visuelle Versprechen
– eine Welt des Begehrens, des Glanzes, des Spiels – bildet
die eigentliche Struktur der Inszenierung: Schönheit wird zur
Strategie der Verdrängung. Was erzählt wird, ist ein Mythos
von Reinheit, Kreativität und Erotik; was fehlt, ist ein Dialog
über Verantwortung, Agency und institutionelle Macht.
FAZIT
„Diva Futura ist kein schlechter Film. Er ist charmant, rhythmisch,
humorvoll und voll von audiovisueller Energie. Doch gerade aus feministischer
Sicht bleibt er ein Dokument seines eigenen Unvermögens, die
Komplexität jener Frauen ernst zu nehmen, die er zeigt. Und damit
wird der Film – unfreiwillig – zum lehrreichen Beispiel
dafür, wie patriarchale Narrative heute noch funktionieren: elegant
verpackt, liebevoll erzählt, aber ohne den Mut, ihr eigenes Fundament
zu hinterfragen. Ein Film über die Glitzerwelt der Pornografie
– und ein Spiegel jener gesellschaftlichen Mechanismen, die
selbst im Glanz der Oberfläche ihre Macht behalten.
DIVA FUTURA
ET:
20.11.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 16
R: Giulia Louise Steigerwalt | D: Pietro Castellitto, Denise Capezza,
Lidija Kordic
Italien 2024 | Busch Media Group