In „Buzzheart“
entfaltet Dennis Iliadis ein verstörend-hypnotisches Psychodrama,
das die Tradition des griechischen „Weird Cinema“ zugleich
zitiert und weiterführt. Mit präziser Bildsprache, beklemmender
Atmosphäre und einem Spiel mit Realitätsebenen erforscht
der Film die Zerbrechlichkeit menschlicher Bindungen.
Mit
„Buzzheart“, seit dem 27. November für das Heimkino
erhältlich, kehrt Dennis Iliadis zu jener flirrenden, reizvoll
unangepassten Ästhetik zurück, die das zeitgenössische
griechische Kino international bekannt gemacht hat. Der Film ist unverkennbar
in der Tradition von Filmemachern wie Lanthimos verortet, bemüht
sich jedoch zugleich um eine eigenständige psychologische Tiefenschärfe,
die ihn aus dem Schatten seiner Vorbilder heraustreten lässt.
Iliadis entwirft ein Werk, das zwischen surrealem Unbehagen und emotionaler
Intimität changiert – ein oszillierendes Drama über
Liebe, Manipulation und die Versuchungen des Machtgefälles. Im
Zentrum steht der neunzehnjährige Argyris, der – gespielt
mit bemerkenswerter Zurückhaltung von Claudio Kaya – in
eine Beziehung hineinstolpert, deren anfängliche Unschuld sich
rasch ins Gefährliche verkehrt. Die Einladung in das abgelegene
Landhaus seiner neuen Freundin Mary fungiert als archaischer Initiationsraum:
ein Ort, an dem sich Begehren und Kontrolle überlagern und familiäre
Strukturen zu einem Ritual der Grenzüberschreitung mutieren.
Der Film nutzt dabei die räumliche Isolation nicht als bloßes
Setting, sondern als psycho-logischen Resonanzkörper, der Argyris’
Verlorenheit und die zunehmende Bedrohlichkeit der Situation verdichtet.
Besonders hervorzuheben ist Iliadis' Fähigkeit, Atmosphäre
als dramaturgische Kraft zu begreifen. Evan Maragkoudakis’ Kamera
taucht die Räume in erdrückende Halbdunkelheiten, die stets
etwas Unausgesprochenes, Unheilvolles transportieren. Die Ausstattung
– eine Sammlung bizarrer Objekte zwischen Kinderzimmer-Naivität
und grotesker Ornamentik – verstärkt diesen Eindruck: Als
würde die Umgebung selbst die seelischen Verwerfungen der Figuren
spiegeln. Die Musik von Coti K. legt sich wie ein nervöses Flirren
über die Szenen und lässt die emotionale Unsicherheit kontinuierlich
hörbar werden. Die Handlung, die sich zwischen psychologischem
Thriller, Familiendrama und Albtraum verschiebt, folgt der Logik einer
Prüfung: Argyris wird einer Reihe von Tests unterzogen, die seine
Liebesfähigkeit, seine Loyalität und letztlich seine Selbstachtung
hinterfragen sollen.
Dass
diese Prüfungen brutal, sadistisch und zutiefst ritualisiert
sind, gehört zum Kern des Films – es geht nicht um Glaubwürdigkeit
im realistischen Sinn, sondern um die symbolische Entblößung
eines jungen Mannes, der sich nicht nur in einer Beziehung, sondern
in einem emotionalen System von Macht und Ohnmacht verliert. Die schauspielerischen
Leistungen tragen maßgeblich zur Intensität bei. Konstantina
Messini verleiht Mary eine faszinierende Ambivalenz zwischen Verletzlichkeit
und manipulativer Überlegenheit; Evelina Papoulia und Giorgos
Liantos spielen deren Eltern mit einer Theatralik, die die Atmosphäre
des Films ins Mythische verschiebt. Ihre Performances betonen die
archetypischen Strukturen, die „Buzzheart“ durchziehen:
Eltern als übermächtige Autoritätsfiguren, Kinder als
Objekte ihres übergriffigen Schutzes – oder ihrer Projektionen.
Dass der Film erzählerisch nicht immer überraschend ist,
fällt angesichts der konsequenten ästhetischen Handschrift
kaum ins Gewicht. Vielmehr wirkt „Buzzheart“ wie ein bewusst
gestalteter Beitrag zu einer filmischen Tradition, die das Groteske,
das Traumhafte und das Psychodramatische miteinander verschmilzt.
Die Frage, wie weit ein Mensch zu gehen bereit ist, um Liebe zu „beweisen“,
wird hier nicht realistisch beantwortet, sondern existenziell ausgestellt:
als Geflecht aus Sehnsucht, Gewalt, Unterwerfung und Selbsttäuschung.
Gerade in seiner formalen Konsequenz zeigt der Film seine Stärke.
Iliadis interessiert sich weniger für narrativen Realismus als
für emotionale Wahrhaftigkeit – und so gelingt ihm ein
Werk, das den Zuschauer nicht rational, sondern körperlich erfasst.
„Buzzheart“ ist ein psychologischer Sog, der durch seine
ästhetische Präzision, sein intensiv choreografiertes Spiel
und seine poetisch-düstere Bildwelt überzeugt.
FAZIT
„Buzzheart“ mag nicht radikal neu sein, doch in seiner
eleganten, bewusst komponierten Verbindung aus psychologischem Horror,
coming-of-age Tragödie und surrealer Familiengroteske entfaltet
der Film eine Wirkung, die sowohl verstört als auch fasziniert.
Iliadis bestätigt sich als Regisseur, der Atmosphäre nicht
nur erzeugt, sondern als erzählerisches Mittel zu nutzen versteht
– und damit ein Werk erschafft, das im Gedächtnis nachhallt.
BUZZHEART
ET:
27.11.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 16
R: Dennis Iliadis | D: Evelina Papoulia, Yorgos Liantos
Griechenland, USA 2025 | Busch Media Group