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DVD & BLU-RAY | 10.12.2025

DAS PHANTOM DER OPER

In seiner opulenten Neuinterpretation von „Das Phantom der Oper“ entwirft Dario Argento ein ästhetisch eigensinniges, zugleich kontroverses Kapitel moderner Horrorfilmgeschichte. Die neue Mediabook-Edition erlaubt eine erneute, differenzierte Würdigung dieses oft unterschätzten Werks zwischen barocker Sinnlichkeit und radikalem Stilwillen.

von Franziska Keil


© PLAION PICTURES

Wenn „Das Phantom der Oper“ von Dario Argento am 11. Dezember als Mediabook (4K-UHDs + zwei Blu-rays) erneut in die Öffentlichkeit tritt, geschieht mehr als ein reiner Re-Release. Die Edition lenkt den Blick zurück auf ein Werk, das bei seiner Erstveröffentlichung 1998 vielfach missverstanden wurde – sowohl von seinem eigenen Fanlager als auch von den Kritikern. Heute, mit Abstand und einem geschärften Verständnis für Argentos Spätphase, zeigt sich ein Film, der weit mehr ist als ein verunglückter Versuch, Gaston Leroux’ Erzählung neu zu adaptieren: Er ist ein ästhetisches Experiment, eine Revision des Opernmythos und zugleich ein filmhistorisches Dokument eines Übergangs. Sein Phantom ist kein entstellter Außenseiter, der seine Deformation hinter einer ikonischen Maske verbirgt. Stattdessen ist es eine Figur, deren „Verstörung“ nicht äußerlich, sondern psychisch verlagert wird. Argento inszeniert das Unheimliche als inneren Riss, nicht als sichtbare Wunde – ein Ansatz, der das klassische Motiv entmythologisiert und gleichzeitig psychologisiert. Die Herkunft des Phantoms – von Ratten großgezogen, ein Wesen zwischen Mensch und Tier – verschiebt den Stoff endgültig in die Sphäre des animalischen Instinkts. Das Bild ist in seiner Symbolik überdeutlich, aber gerade dadurch typisch für Argentos barocke Erzählweise: Das Phantom wird zur Allegorie des Unbeherrschten, des Triebhaften, des aus den Katakomben der menschlichen Psyche hervordrängenden Begehrens. Argentos Interesse gilt weniger der stringenten Narration als der sensorischen Verdichtung. Die Bathhouse-Szene, die rattenmechaniken, die grotesken Visionen – all dies erscheint zunächst fragmentiert, beinahe überladen, doch gerade diese Überfülle ist ein bewusstes Stilmittel. Der Film nimmt sich Freiheiten, löst sich immer wieder vom Kernplot und driftet in visuelle Miniaturen ab, die den Stoff ästhetisch überhöhen. Die Kritik bemängelte seinerzeit eine gewisse Unverbundenheit dieser Episoden, doch rückblickend zeigen sie Argentos konsequente Weigerung, das Opernmaterial naturalistisch zu zähmen. Stattdessen verwandelt er „Das Phantom der Oper“ in ein Tableau aus Albtraumfragmenten, melodramatischen Gesten und surrealen Atmosphären. Der Film wird so zu einer Art barocker Übermalung des Originals – wuchernd, exzentrisch, manchmal unbeholfen, aber stets voller formaler Energie. Das Zusammenspiel der Figuren unterstreicht diese Hybridität. Julian Sands gibt dem Phantom eine überraschend komplexe Präsenz: mal romantisch, mal besessen, mal abgründig-kindlich.


© PLAION PICTURES

Asia Argentos Christine dagegen bleibt bewusst brüchig, stärker Figur als psychologisch ausgearbeiteter Charakter – ein ästhetischer Kontrast, der die Beziehung zwischen beiden ungleich, aber erzählerisch produktiv macht. Die Kritik an ihrer gesanglichen Darstellung wirkt nachvollziehbar, ist aber cineastisch weniger bedeutsam als die Atmosphäre, die aus der Reibung der Figuren entsteht. Argento operiert nicht mit psychologischer Tiefe, sondern mit archetypischen Affekten – und darin liegt eine bewusste Entscheidung: Die Oper bleibt Oper, auch im Film, überzeichnet, künstlich, pathetisch. Besonders markant ist die Position des Films im historischen Moment zwischen analogem Genrekino und aufkommender digitaler Postproduktion. Die Effekte – mechanische Creature-Elemente, klassische Make-up-Arbeiten, aber auch frühe CGI-Komponenten – erzeugen eine ästhetische Ambivalenz, die heute fast dokumentarischen Wert besitzt. Die berühmt-berüchtigte Kronleuchter-Sequenz ist ein Beispiel dafür: ambitioniert, aber sichtbar limitiert durch die Technologie ihrer Zeit. Gerade diese Reibung zwischen alt und neu macht „Das Phantom der Oper“ filmhistorisch wertvoll. Er steht am Ende des handwerklichen Horrorfilms der 70er und 80er und am Beginn einer CGI-geprägten Ära – ein Übergang, der im Werk Argentos besonders deutlich sichtbar wird. Ennio Morricones Score wirkt für viele überraschend unaufdringlich, fast minimalistisch. Doch diese Zurückhaltung verstärkt das Melodramatische, ohne es zu dominieren. Stattdessen entsteht ein Klangraum, der den Film eher durchdringt als trägt – ein Unterschied zu Morricones ikonischen Arbeiten, der sich als bewusste Entscheidung im Kontext der Opernästhetik lesen lässt. Auch wenn der Film nicht zu Argentos herausragendsten Werken zählt, besitzt er einen wichtigen Stellenwert in der Genregeschichte und im Kanon des Regisseurs.

FAZIT
„Das Phantom der Oper“ ist kein makelloses Meisterwerk – aber ein Film, der durch seine Widersprüche, seine ästhetische Ungebundenheit und seine radikale Neuinterpretation eines Kulturmythos eine unverwechselbare Position einnimmt. In seiner Mischung aus Übertreibung, Bruchstückhaftigkeit und sinnlichem Exzess zeigt er ein Kino, das sich nicht der Erwartungsökonomie beugt, sondern seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Die neue Mediabook-Edition bietet nun die Möglichkeit, diesen Film endlich in der angemessenen Tiefe zu würdigen – als faszinierendes, widerspenstiges und filmhistorisch relevantes Werk eines Regisseurs, der selbst im Spätwerk nicht aufhörte, Grenzen zu verschieben.


DAS PHANTOM DER OPER

ET: 11.12.25: DVD und digital | FSK 16
R: Dario Argento | D: Julian Sands, Asia Argento, Andrea Di Stefano
Italien 1998 | PLAION PICTURES


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