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DVD & BLU-RAY | 17.12.2025

THE DEATH OF SNOW WHITE

Ein radikal entgrenzter Märchenstoff wird zur feministischen Versuchsanordnung: „The Death of Snow White“ zerlegt vertraute Mythen von Schönheit, Macht und Weiblichkeit mit drastischer Körperlichkeit. Jenseits von Disney-Glättung und Nostalgie legt der Film die patriarchalen Strukturen offen, die das Märchen seit jeher durchziehen. Ein provokantes, widersprüchliches Werk, das weniger gefallen will als herausfordert – und gerade darin seine kulturkritische Relevanz entfaltet.

von Franziska Keil


© Busch Media Group

Mit „The Death of Snow White“, der seit dem 04. Dezember für das Heimkino erhältlich ist, wagt Regisseur Jason Brooks eine radikale, bewusst transgressive Neuinterpretation eines der kanonischsten Märchen der westlichen Kulturgeschichte. Was auf den ersten Blick wie ein provokantes Exploitation-Projekt wirken mag – angereichert mit Gewalt, Nacktheit und drastischen Bildern – entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als bemerkenswert ambivalentes, stellenweise sogar produktives Experiment, das sich für eine feministische Deutung überraschend offen zeigt. Brooks’ Film positioniert sich explizit jenseits der ästhetischen und moralischen Glättung, die klassische wie zeitgenössische Mainstream-Adaptionen von Schneewittchen prägt. Statt Reinheit, Anmut und passiver Weiblichkeit rückt er Körperlichkeit, Verletzbarkeit und Macht in den Mittelpunkt. Gerade in dieser bewussten Überzeichnung offenbart sich ein kritisches Potenzial: Weibliche Körper sind hier nicht mehr unsichtbar idealisiert, sondern brutal exponiert – als Schlachtfeld patriarchaler Fantasien, aber auch als Ort widerständiger Transformation. Die titelgebende Figur Schneewittchen erscheint zunächst als klassische Märchenheldin, doch ihre narrative Funktion verschiebt sich zunehmend. Sie ist nicht länger bloß Objekt rivalisierender Begehrens- und Herrschaftsstrukturen, sondern wird zur Zeugin und schließlich zur Akteurin eines Systems, das weibliche Existenz auf Schönheit, Reinheit und Verfügbarkeit reduziert. Der Film zeigt diese Reduktion nicht affirmativ, sondern überzeichnet sie ins Groteske: Die Gewalt gegen Frauenkörper wird derart exzessiv ausgestellt, dass sie nicht mehr konsumierbar, sondern irritierend wirkt. Besonders deutlich wird dies an der Figur der Bösen Königin. Ihre obsessiv betriebene Selbstverjüngung, gespeist aus dem Blut junger Frauen, ist weniger als individuelles Monsterporträt zu lesen denn als extreme Allegorie eines gesellschaftlichen Schönheitsregimes. In feministischer Perspektive erscheint sie nicht bloß als Antagonistin Schneewittchens, sondern als tragische Produktfigur derselben patriarchalen Ordnung, die Frauen gegeneinander ausspielt und ihren Wert an Jugend und körperlicher Attraktivität misst.


© Busch Media Group

Dass ihre Macht ausschließlich über den weiblichen Körper – den eigenen wie den fremden – vermittelt wird, legt die strukturelle Gewalt dieser Logik schonungslos offen. Auffällig ist dabei, dass der Film konsequent auf männliche Erlösungsfantasien verzichtet. Der Prinz bleibt eine randständige, fast hilflose Figur, während Solidarität, Schutz und Gemeinschaft in den Verbannungsräumen jenseits des Palastes entstehen. Die Zuflucht bei den Ausgestoßenen – hier bewusst als marginalisierte Gemeinschaft inszeniert – lässt sich als Gegenentwurf zur höfischen Machtstruktur lesen: ein Raum, in dem Weiblichkeit nicht ornamental, sondern existenziell verhandelt wird. Formal bewegt sich „The Death of Snow White“ sichtbar an den Grenzen seiner Produktionsmittel, doch gerade diese Unfertigkeit verleiht dem Film eine rohe Direktheit. Die Ästhetik schwankt zwischen Fantasy-Pastiche, Horror-Exzess und Theaterhaftigkeit, was seine feministischen Implikationen nicht schwächt, sondern verstärkt: Der Film verweigert sich der Illusion perfekter Geschlossenheit – so wie er auch die Mär vom harmonischen, moralisch eindeutigen Märchen zerlegt. Aus feministischer Sicht ist besonders bemerkenswert, dass Sexualisierung hier nicht verführerisch, sondern unerquicklich inszeniert wird. Nacktheit erscheint nicht als Versprechen, sondern als Zumutung; Gewalt nicht als Spektakel, sondern als Überforderung. Damit unterläuft der Film jene Blickregime, die er zugleich zitiert. Die Überzeichnung kippt in Kritik, das Exzessive in Reflexion. „The Death of Snow White“ ist kein makelloses Werk, aber ein interessantes. Seine Stärke liegt nicht in formaler Eleganz oder narrativer Präzision, sondern in seiner Bereitschaft, das Märchen als kulturelles Machtinstrument offenzulegen. Indem der Film die vertraute Geschichte in ein Reich aus Blut, Körpern und Schreien überführt, zwingt er zur Auseinandersetzung mit den Geschlechterbildern, die diesem Mythos seit Jahrhunderten eingeschrieben sind. So bleibt „The Death of Snow White“ weniger als definitive Neuerzählung denn als verstörende Intervention in einen scheinbar unschuldigen Kanon in Erinnerung. Ein Film, der provoziert, irritiert und gerade dadurch sichtbar macht, wie politisch selbst – oder gerade – die ältesten Geschichten sind.


THE DEATH OF SNOW WHITE

ET: 04.12.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 18
R: Jason Brooks | D: Sanae Loutsis, Chelsea Edmundson
USA 2025 | Busch Media Group


 


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