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DVD & BLU-RAY | 17.12.2025

WILMA WILL MEHR

„Wilma will mehr“ erzählt leise, aber beharrlich von weiblicher Selbstermächtigung nach dem historischen Bruch der Wiedervereinigung. Zwischen Arbeitsmigration, ostdeutscher Erfahrung und feministischer Praxis entfaltet sich ein Film von großer gesellschaftlicher Sensibilität. Ein präzises Charakterporträt, das am Rand der großen Geschichte jene Stimmen hörbar macht, die allzu oft übergangen wurden.

von Franziska Keil


© Neue Visionen Filmverleih

Mit „Wilma will mehr“ legt Maren-Kea Freese einen Film vor, der sich der feministischen Perspektive nicht über programmatische Parolen nähert, sondern über gelebte Biografien, soziale Realität und eine Protagonistin, deren Emanzipation weniger behauptet als praktiziert wird. Seit dem 11. Dezember für das Heimkino erhältlich, erweist sich der Film als stille, aber nachhaltige Intervention in den deutschen Erinnerungskanon nach der Wiedervereinigung – und als bemerkenswertes Beispiel eines Feminismus der Erfahrung. Im Zentrum steht Wilma, eine technisch hochqualifizierte Frau aus der Lausitz, deren Lebensleistung nach dem Mauerfall schlagartig entwertet wird. Der Film macht diesen Bruch nicht nur ökonomisch, sondern zutiefst geschlechtsspezifisch erfahrbar. Wilmas Kündigung ist kein individuelles Scheitern, sondern Ausdruck eines Systems, das weibliche Fachkompetenz – insbesondere aus der DDR – im vereinten Deutschland marginalisiert. Feministisch gelesen entlarvt der Film hier die strukturelle Unsichtbarmachung von Frauenarbeit, die sich nicht in akademischen oder symbolischen Räumen vollzieht, sondern in Werkstätten, Hinterzimmern und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Auch Wilmas private Krise folgt keiner melodramatischen Dramaturgie, sondern verweist auf tradierte Geschlechterasymmetrien. Ihr Ehemann erscheint nicht als klassischer Antagonist, sondern als Symptom einer männlichen Überforderung, die auf Kosten weiblicher Stabilitätsarbeit geht. Dass Wilma diesen Zustand nicht länger kompensiert, sondern verlässt, markiert den ersten emanzipatorischen Akt des Films. Feministische Selbstbestimmung zeigt sich hier nicht als laute Revolte, sondern als konsequente Handlung. Der Ortswechsel nach Wien öffnet den Film für eine transnationale feministische Lesart. Wilma wird zur Arbeitsmigrantin, zur Fremden, zur einzigen Frau unter männlichen Tagelöhnern. Ihre technische Kompetenz bleibt unbestritten, doch sie muss sich in einer Umgebung behaupten, die ihr Geschlecht permanent markiert. Der Film beobachtet diese Situationen mit großer Zurückhaltung und vermeidet Opferinszenierungen. Wilma ist weder gebrochen noch naiv; sie navigiert die neuen Machtverhältnisse mit Pragmatismus, Humor und einer bemerkenswerten inneren Autonomie.


© Neue Visionen Filmverleih

Besonders interessant ist die Konfrontation unterschiedlicher feministischer Selbstverständnisse. Die westlich-akademisch geprägte Vermieterin verkörpert einen theoretischen Feminismus, der sich über Begriffe, Diskurse und Konzepte definiert. Wilma hingegen steht für einen ostdeutschen Erfahrungsfeminismus, der ohne Etikettierung auskommt. Ihre Emanzipation ist nicht diskursiv, sondern funktional: Sie arbeitet, organisiert, hilft, repariert – und behauptet sich. Der Film stellt diese beiden Modelle nicht gegeneinander aus, sondern lässt sie produktiv aufeinandertreffen. In feministischer Hinsicht überzeugt „Wilma will mehr“ durch seine Inszenierung des Körpers. Wilmas Körper ist kein Objekt des Begehrens, sondern ein Träger von Arbeit, Geschichte und Transformation. Besonders in den Tanzmomenten wird sichtbar, wie sich innere Erstarrung löst und Selbstwahrnehmung neu ordnet. Diese Szenen sind keine ästhetische Verzierung, sondern filmische Verdichtung eines zentralen feministischen Gedankens: dass Selbstbestimmung auch körperlich erfahren wird. Fritzi Haberlandts Darstellung ist dabei von zentraler Bedeutung. Sie verkörpert Wilma ohne Sentimentalität, aber mit großer Empathie. Ihre spröde Präsenz widersetzt sich gängigen weiblichen Rollenbildern des deutschen Kinos und etabliert eine Figur, deren Stärke aus Genauigkeit, Beobachtung und innerer Klarheit erwächst. Feministisch betrachtet ist dies eine bewusste Abkehr von Narrativen der Opferung oder Überhöhung. Dass dem Film eine klassische dramaturgische Zuspitzung fehlt, lässt sich durchaus positiv lesen. „Wilma will mehr“ verweigert den dramatischen Ausnahmezustand zugunsten eines Alltagsfeminismus, der gerade in seiner Unaufgeregtheit überzeugt. Die politische Dimension liegt nicht im Konflikt, sondern im Bestehen, nicht im Triumph, sondern im Weitergehen. So ist „Wilma will mehr“ ein leiser, aber wichtiger Film. Er gibt jenen Frauen Raum, deren Lebensgeschichten nach 1990 oft nur als Randnotiz verhandelt wurden, und formuliert eine feministische Perspektive, die aus Arbeit, Erfahrung und Solidarität erwächst. In seiner Genauigkeit und seinem Respekt vor der Figur liegt seine große Stärke – und seine nachhaltige gesellschaftliche Relevanz.


WILMA WILL MEHR

ET: 11.12.25: DVD und VoD | FSK 0
R: Maren-Kea Freese | D: Fritzi Haberlandt, Thomas Gerber
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