Zwischen
ästhetischer Analyse und kulturhistorischer Einordnung entfaltet
sich ein präziser Blick auf das Kino als Spiegel gesellschaftlicher
Umbrüche. „Afterburn“ ist nicht bloßes Narrativ,
sondern ein komplexes Gefüge aus Bildpolitik, Ideologie und Wahrnehmung.
Mit
„Afterburn“, der am 05. Dezember für das Heimkino
erschienen ist, betritt ein Film die Bühne, der sich mit demonstrativer
Lust an Übertreibung, Körperlichkeit und Genrekonventionen
in ein postapokalyptisches Szenario stürzt. Regisseur J.J. Perry,
dessen Herkunft aus der Stunt- und Actionchoreografie unverkennbar
ist, entwirft eine Zukunftsvision, die weniger an kontemplative Endzeitparabeln
erinnert als an ein bewusst lärmendes Spektakel: roh, schweißtreibend
und ungeduldig. „Afterburn“ will kein philosophisches
Trümmerfeld erkunden, sondern eine Welt, in der Überleben
vor allem bedeutet, sich durchzuschlagen – mit Fäusten,
Waffen und unerschütterlichem Vorwärtsdrang. Im Zentrum
steht Jake, verkörpert von Dave Bautista, ein ehemaliger Soldat,
der sich nun als Schatzjäger durch das verwüstete Europa
bewegt. Bautista trägt den Film mit einer Präsenz, die physische
Wucht und müde Melancholie miteinander verbindet. Seine Figur
ist kein klassischer Held, sondern ein Mann, dessen Vergangenheit
schwer auf den Schultern liegt, auch wenn das Drehbuch diese innere
Last eher andeutet als wirklich ausformuliert. Gerade darin liegt
jedoch eine gewisse Stärke: Bautista füllt die Leerstellen
mit Körperhaltung, Blicken und einer rauen Lakonie, die Jake
glaubwürdiger macht, als es der Text allein vermag. Die Ausgangsidee
– die Suche nach der Mona Lisa in einer durch eine Sonnenkatastrophe
zerstörten Welt – besitzt ein geradezu anarchisches Potenzial.
Kunst, einst Symbol kultureller Kontinuität, wird hier zum begehrten
Artefakt in einer Welt, die kaum noch Raum für Bedeutung jenseits
des Überlebens kennt. „Afterburn“ nutzt diese Prämisse
allerdings weniger als Reflexionsfläche denn als Motor für
eine Abfolge von Setpieces. Der Film entscheidet sich klar für
Tempo und Aktion, nicht für Tiefenschärfe. Dennoch bleibt
der Gedanke reizvoll, dass selbst im völligen Zerfall noch Objekte
existieren, an denen sich Macht, Besitz und Erinnerung entzünden.
An Jakes Seite stehen Drea (Olga Kurylenko), eine Freiheitskämpferin
mit eigener Agenda, und Valentine (Samuel L. Jackson), ein revolutionärer
Veteran, dessen Motive bewusst vage gehalten werden.
Kurylenko
gelingt es, ihrer Figur trotz begrenzter dramaturgischer Entfaltung
emotionale Erdung zu verleihen; sie fungiert als leiser Gegenpol zur
testosterongetränkten Gewaltspirale. Jackson hingegen bleibt
eher eine ikonische Erscheinung als eine ausgearbeitete Figur –
präsent, markant, aber selten wirklich involviert. Diese Ungleichgewichte
im Ensemble verweisen auf ein grundsätzliches Problem des Films:
Charaktere dienen primär der Bewegung von Handlung und Action,
weniger der Entwicklung innerer Konflikte. Formal entfaltet „Afterburn“
seine größte Überzeugungskraft in den Actionsequenzen.
Perry inszeniert Verfolgungsjagden und Kämpfe mit spürbarer
Handwerkssicherheit. Die Choreografien sind hart, direkt und körperlich
nachvollziehbar, was den Auseinandersetzungen eine rohe Unmittelbarkeit
verleiht. Besonders hervorzuheben sind Momente, in denen das Chaos
der zerstörten Welt mit klarer räumlicher Orientierung verbunden
wird – hier zeigt sich Perrys Erfahrung im präzisen Arrangieren
von Bewegung. Die Gewalt ist explizit, teilweise exzessiv, aber stets
als Teil eines kompromisslosen B-Movie-Ansatzes zu lesen, der seine
R-Rating-Ambitionen nicht kaschiert. Weniger
überzeugend wirkt hingegen die visuelle Gestaltung der Welt.
Zwar entfalten einige Kreaturendesigns eine effektive Groteske, doch
andere digitale Effekte wirken uneinheitlich und reißen den
Zuschauer aus der Immersion. Die postapokalyptischen Landschaften
bleiben oft generisch, eher Kulisse als erzählerisch aufgeladener
Raum. Europa erscheint hier nicht als historisch gewachsener Kontinent
im Ruin, sondern als austauschbares Ödland, das vor allem Platz
für Explosionen und Gefechte bietet. Thematisch deutet „Afterburn“
immer wieder größere Fragen an – nach Erinnerung,
kulturellem Erbe, Schuld und Erlösung –, entscheidet sich
jedoch konsequent dagegen, diese auszuleuchten. Die Erzählung
rast voran, lässt kaum Raum für Reflexion und priorisiert
Spektakel über Subtext. Diese Entscheidung ist zugleich Schwäche
und Ehrlichkeit des Films. „Afterburn“ gibt nicht vor,
mehr sein zu wollen, als ein geradliniger Actionritt, der sich aus
Versatzstücken von Endzeitkino, Comic-Ästhetik und Abenteuerfilm
speist.
AFTERBURN
ET:
05.12.25: DVD, Blu-ray und digital | FSK 16
R: J.J. Perry | D: Dave Bautista, Olga Kurylenko, Samuel L. Jackson
USA 2025 | LEONINE