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DVD & BLU-RAY | 02.10.2025

Heimat als Gefühl, nicht als Ort
HUNDSLINGER HOCHZEIT

Christina Baumer gelingt mit „Hundslinger Hochzeit“ ein stilles Kleinod des modernen Heimatkinos – zärtlich, klug und überraschend zeitgemäß. Zwischen Melancholie und Humor, zwischen Dorfrealität und Lebenspoesie entfaltet sich ein Film von stiller Größe.

von Franziska Keil


© Stonewood Film e. V.

Mit „Hundslinger Hochzeit“, erschienen am 2. Oktober auf DVD und VoD, gelingt der Filmemacherin Christina Baumer ein seltenes Kunststück: ein Heimatfilm, der zugleich anachronistisch und zeitgemäß wirkt, verwurzelt und doch frei, humorvoll, aber nie platt. Ihre Erzählung über eine junge Frau, die nach dem Tod der Mutter in ihr oberpfälzisches Heimatdorf zurückkehrt, um das familiäre Wirtshaus zu retten, entfaltet sich als fein austariertes Porträt einer Gemeinschaft im Wandel – zwischen Nostalgie und Neuanfang, zwischen Vertrautheit und Veränderung. Baumer, die Regie, Drehbuch und Hauptrolle vereint, findet in der Figur der Magdalena Brandt eine universelle Projektionsfläche für Fragen nach Zugehörigkeit und Identität. Das Gasthaus „Rosi“ steht nicht nur für den drohenden Verlust einer familiären Existenzgrundlage, sondern für den schleichenden Niedergang einer ganzen Kultur: der Dorfwirtschaft als Ort sozialer Begegnung, als Herzstück eines Miteinanders, das im modernen Leben zunehmend verschwindet. Doch anstatt in Sentimentalität zu verfallen, wählt Baumer den Weg der leisen Komödie – eine Form, die das Tragische umspielt, ohne es zu verleugnen.

Die Konkurrenz mit der zugezogenen Wirtin Peggy Uhlig und ihrem exotisch anmutenden „Casa Toni“ wird zum dramaturgischen Brennpunkt, in dem sich der Konflikt zwischen Tradition und Moderne verdichtet. Doch Baumer meidet die Versuchung, diesen Gegensatz ideologisch aufzuladen. Das Fremde wird hier nicht als Bedrohung, sondern als Spiegel verstanden, in dem sich die Bewohner von Hundsling neu erkennen. Die filmische Provinz ist kein Ort der Rückständigkeit, sondern ein lebendiger Mikrokosmos menschlicher Emotionen. Inszenatorisch überzeugt „Hundslinger Hochzeit“ durch seine Balance aus Bodenständigkeit und ästhetischer Feinheit. Die Kamera bleibt nah an den Menschen, fängt Gesichter, Gesten, kleine Bewegungen ein – das Unausgesprochene, das in der Provinz oft lauter ist als jedes Wort. In der Lichtsetzung und Farbdramaturgie liegt eine warme Melancholie, die den Film in eine zarte, fast impressionistische Stimmung taucht. Man spürt: Baumer liebt ihre Figuren, ohne sie zu idealisieren.


© Stonewood Film e. V.

Darstellerisch trägt sie selbst den Film mit beeindruckender Präsenz. Ihre Magdalena ist keine Heldin, sondern eine Suchende – zäh, verletzlich, klug. An ihrer Seite brillieren Walter Schuster als melancholisch gebrochener Vater und Judith Riehl als selbstbewusste Peggy, die mit feinem Gespür zwischen Konkurrenz und Solidarität balanciert. In ihrer Dynamik spiegelt sich das Spannungsfeld eines Dorfes, das lernen muss, Vielfalt zuzulassen, ohne sich selbst zu verlieren. Thematisch erinnert Baumers Film an die Werke von Marcus H. Rosenmüller oder Rainer Kaufmann, doch „Hundslinger Hochzeit“ ist leiser, intimer, weniger auf pointierte Komik als auf atmosphärische Wahrheit bedacht. Seine Stärke liegt im Unscheinbaren: in der Art, wie er Menschen beim Scheitern, Nachdenken, Lächeln zeigt. Die Leiche, die zu Beginn entdeckt wird – eine Reminiszenz an das Genre des Provinzkrimis – bleibt Randnotiz. Der eigentliche „Krimi“ spielt sich im Inneren der Figuren ab, im Ringen um Selbstbestimmung, um Nähe, um das, was Heimat im 21. Jahrhundert bedeutet.

Baumer verleiht dem Begriff „Heimatfilm“ so eine neue Würde. Ihr Hundsling ist nicht das folkloristische Postkartenidyll der 1950er-Jahre, sondern ein Ort voller Widersprüche, in dem das Ländliche auf das Globalisierte trifft. Statt Pathos bietet sie Poesie des Alltäglichen, statt Schenkelklopfhumor eine kluge Milieubeobachtung. Ihr Blick ist liebevoll, aber nie naiv – ein Blick, der weiß, dass Dorfleben ebenso von Zwietracht wie von Zusammenhalt geprägt ist. Im Kern erzählt „Hundslinger Hochzeit“ von einem zutiefst menschlichen Bedürfnis: dem Wunsch, verwurzelt zu bleiben, während sich die Welt unaufhaltsam verändert. Dass der Film auf einfache Antworten verzichtet und dennoch mit einer versöhnlichen Note endet, macht ihn zu einem wohltuenden Gegenentwurf in einer Zeit der lauten Gewissheiten.


HUNDSLINGER HOCHZEIT

ET: 02.10.25: DVD & VoD | FSK 6
R: Christina Baumer | D: Christina Baumer, Walter Schuster, Sandro Stocker
Deutschland 2023 | Filmperlen


 


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