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KINO | 06.11.2025

PREDATOR: BADLANDS
Wenn das Monster Menschlichkeit lernt

Mit „Predator: Badlands“ verwandelt Dan Trachtenberg das ikonische Sci-Fi-Franchise in eine poetische Reflexion über Macht, Empathie und die Evolution des Mythos. Ein bildgewaltiger, emotional kluger Film – brutal, schön und tief menschlich zugleich.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Mit seinem Kinostart am 6. November hat „Predator: Badlands“, eines der langlebigsten Science-Fiction-Franchises der Filmgeschichte, neues Terrain – erzählerisch, ästhetisch und moralisch, betreten. Seit John McTiernans „Predator“ (1987) Arnold Schwarzenegger und einen der faszinierendsten Leinwandjäger der 1980er in den Dschungel Mittelamerikas schickte, hat sich die Reihe mehrfach gehäutet: vom testosterongetränkten Actionkino der Reagan-Ära über urbane Dystopien („Predator 2“) und existenzielle Überlebensdramen („Predators“) bis zu Dan Trachtenbergs gefeiertem „Prey“ (2022), das mit ethnografischer Präzision und archaischer Wucht zur Urgewalt des Mythos zurückfand. Mit „Badlands“ jedoch schlägt Trachtenberg, der hier erneut Regie führt, einen radikal anderen Weg ein – und schafft damit vielleicht den ungewöhnlichsten, aber auch klügsten Beitrag zur gesamten Saga.

„Badlands“ ist kein bloßer Aufguss bekannter Motive, kein weiteres Kapitel im ewigen Duell zwischen Mensch und Jäger. Der Film verlegt die Perspektive – und damit die gesamte Moral – ins Reich der Yautja selbst. Zum ersten Mal steht nicht der Mensch im Zentrum der Angstfantasie, sondern der Predator als tragische Figur: Dek, ein verstoßener Sohn einer kriegerischen Kaste, der beweisen will, dass Würde nicht im Töten, sondern im Überleben liegt. Trachtenberg, der schon in „Prey“ das archaisch Tierische des Franchises mit einer fast spirituellen Dimension versah, wagt hier die Humanisierung des Inhumanen. In der Begegnung zwischen Dek und der künstlichen Lebensform Thia (Elle Fanning in einer Doppelrolle von hypnotischer Ambivalenz) entsteht ein Wechselspiel aus Vertrauen und Verrat, aus Instinkt und Intelligenz, das die Serie von Grund auf neu definiert. Der Film führt damit fort, was das Franchise seit jeher auszeichnet: das Spiegeln menschlicher Gewaltfantasien in der Kreatur des Anderen. Nur dass dieser „Andere“ nun selbst ein Bewusstsein entwickelt – und damit zur Projektionsfläche für das Menschlichste wird, was wir kennen: Zweifel.

„Badlands“ beginnt dort, wo frühere Filme endeten – im mythologischen Herzen der Predator-Zivilisation. Die düstere Architektur von Yautja Prime, ein visuelles Inferno aus Metall, Nebel und Ritual, erinnert an Ridley Scotts industrielle Kathedralen in „Alien“. Doch Trachtenberg führt die Handlung bald auf den lebensfeindlichen Planeten Genna, einen Schauplatz, der wie ein Fiebertraum aus Moos, Fleisch und Maschinen wirkt. Hier verschmelzen die Kategorien von Natur und Technologie, organischer Wildnis und künstlicher Intelligenz – ein Raum, in dem die Trennung zwischen Beute und Bewusstsein aufgehoben wird. Die Beziehung zwischen Dek und Thia, die buchstäblich aus Fragmenten besteht – ihr Körper ist halb zerstört, ihre Seele halb programmiert –, trägt die poetische Energie eines modernen Frankenstein-Motivs in sich. Ihr Dialog über Stärke, Mitgefühl und die Angst vor Bedeutungslosigkeit gibt dem Film jene emotionale Gravität, die ihn weit über das Genre hinaushebt. Wo frühere Predator-Filme auf das physische Duell setzten, inszeniert „Badlands“ das innere Ringen zwischen Macht und Empathie.


© 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Formal ist „Predator: Badlands“ ein Triumph. Die Kameraarbeit, in gedeckten Rost- und Bluttönen gehalten, evoziert den sinnlichen Dreck früherer Teile, während die digitale Klarheit der Szenen auf Genna die unheimliche Schönheit des Fremden betont. Trachtenberg beweist ein untrügliches Gespür für Raum und Rhythmus – seine Actionszenen sind keine Choreografien des Tötens, sondern Fragmente einer Mythologie, in der jeder Schnitt eine Bedeutung trägt. Der Film bricht mit der militaristischen Macho-Ästhetik der 1980er und ersetzt sie durch eine Reflexion über toxische Männlichkeit und Selbstzerstörung. Dek, von seinem Vater verachtet, weil er Mitleid zeigt, wird zum Anti-Archetypen des Jägers – ein Krieger, der erst Mensch wird, als er aufhört zu kämpfen. In dieser moralischen Volte steckt eine stille, aber deutliche Kritik an der Ursprungsmythologie des Franchises, die den Predator einst als Spiegel männlicher Hybris erfand.

Seit fast vier Jahrzehnten fungiert der Predator als Symbol für das entfesselte Jagdverhalten des Menschen – für Kolonialismus, Krieg, technologische Überlegenheit. „Badlands“ führt dieses Motiv weiter, indem es den Predator selbst zur Metapher des entgleisten Überlebensinstinkts macht. Die Grenzen zwischen Jäger und Beute, Mensch und Maschine, Natur und Künstlichkeit zerfließen – und aus diesem Nebel steigt eine neue, fast tragische Figur hervor: eine Kreatur, die erkennt, dass Stärke ohne Empathie nur Leere hinterlässt. Dan Trachtenberg versteht, dass jedes Franchise nur dann überlebt, wenn es sich selbst in Frage stellt. „Badlands“ ist kein Reboot, keine Parodie, kein Versuch, Nostalgie zu melken. Es ist eine Reflexion über die Mythologie des Predators selbst, über seine Symbolkraft und seine Gefangenschaft im eigenen Mythos.

Fazit

„Predator: Badlands“ ist ein kühner, intelligenter und überraschend zärtlicher Film, der das Franchise aus der Dunkelheit des Spektakels in die Dämmerung der Selbstreflexion führt. Er bleibt brutal, bizarr und bildgewaltig – doch im Herzen schlägt ein neues, unerwartetes Gefühl: Mitleid. Was einst als reines Jagdspiel begann, wird hier zur Allegorie über Vergebung, Schwäche und den Mut, anders zu sein. Und vielleicht liegt genau darin die größte Stärke dieses Films – in der Erkenntnis, dass selbst ein Monster, das Jahrhunderte lang nur getötet hat, irgendwann lernen kann, zu fühlen.


PREDATOR: BADLANDS

Start: 06.11.25
R: Dan Trachtenberg | D: Elle Fanning, Dimitrius Schuster-Koloamatangi, Michael Homick
USA 2025 | Walt Disney Germany


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