PREDATOR:
BADLANDS
Wenn das Monster Menschlichkeit lernt
Mit „Predator:
Badlands“ verwandelt Dan Trachtenberg das ikonische Sci-Fi-Franchise
in eine poetische Reflexion über Macht, Empathie und die Evolution
des Mythos. Ein bildgewaltiger, emotional kluger Film – brutal,
schön und tief menschlich zugleich.
Mit
seinem Kinostart am 6. November hat „Predator: Badlands“,
eines der langlebigsten Science-Fiction-Franchises der Filmgeschichte,
neues Terrain – erzählerisch, ästhetisch und moralisch,
betreten. Seit John McTiernans „Predator“ (1987) Arnold
Schwarzenegger und einen der faszinierendsten Leinwandjäger der
1980er in den Dschungel Mittelamerikas schickte, hat sich die Reihe
mehrfach gehäutet: vom testosterongetränkten Actionkino
der Reagan-Ära über urbane Dystopien („Predator 2“)
und existenzielle Überlebensdramen („Predators“)
bis zu Dan Trachtenbergs gefeiertem „Prey“ (2022), das
mit ethnografischer Präzision und archaischer Wucht zur Urgewalt
des Mythos zurückfand. Mit „Badlands“ jedoch schlägt
Trachtenberg, der hier erneut Regie führt, einen radikal anderen
Weg ein – und schafft damit vielleicht den ungewöhnlichsten,
aber auch klügsten Beitrag zur gesamten Saga.
„Badlands“
ist kein bloßer Aufguss bekannter Motive, kein weiteres Kapitel
im ewigen Duell zwischen Mensch und Jäger. Der Film verlegt die
Perspektive – und damit die gesamte Moral – ins Reich
der Yautja selbst. Zum ersten Mal steht nicht der Mensch im Zentrum
der Angstfantasie, sondern der Predator als tragische Figur: Dek,
ein verstoßener Sohn einer kriegerischen Kaste, der beweisen
will, dass Würde nicht im Töten, sondern im Überleben
liegt. Trachtenberg, der schon in „Prey“ das archaisch
Tierische des Franchises mit einer fast spirituellen Dimension versah,
wagt hier die Humanisierung des Inhumanen. In der Begegnung zwischen
Dek und der künstlichen Lebensform Thia (Elle Fanning in einer
Doppelrolle von hypnotischer Ambivalenz) entsteht ein Wechselspiel
aus Vertrauen und Verrat, aus Instinkt und Intelligenz, das die Serie
von Grund auf neu definiert. Der Film führt damit fort, was das
Franchise seit jeher auszeichnet: das Spiegeln menschlicher Gewaltfantasien
in der Kreatur des Anderen. Nur dass dieser „Andere“ nun
selbst ein Bewusstsein entwickelt – und damit zur Projektionsfläche
für das Menschlichste wird, was wir kennen: Zweifel.
„Badlands“ beginnt dort, wo frühere
Filme endeten – im mythologischen Herzen der Predator-Zivilisation.
Die düstere Architektur von Yautja Prime, ein visuelles Inferno
aus Metall, Nebel und Ritual, erinnert an Ridley Scotts industrielle
Kathedralen in „Alien“. Doch Trachtenberg führt die
Handlung bald auf den lebensfeindlichen Planeten Genna, einen Schauplatz,
der wie ein Fiebertraum aus Moos, Fleisch und Maschinen wirkt. Hier
verschmelzen die Kategorien von Natur und Technologie, organischer
Wildnis und künstlicher Intelligenz – ein Raum, in dem
die Trennung zwischen Beute und Bewusstsein aufgehoben wird. Die Beziehung
zwischen Dek und Thia, die buchstäblich aus Fragmenten besteht
– ihr Körper ist halb zerstört, ihre Seele halb programmiert
–, trägt die poetische Energie eines modernen Frankenstein-Motivs
in sich. Ihr Dialog über Stärke, Mitgefühl und die
Angst vor Bedeutungslosigkeit gibt dem Film jene emotionale Gravität,
die ihn weit über das Genre hinaushebt. Wo frühere Predator-Filme
auf das physische Duell setzten, inszeniert „Badlands“
das innere Ringen zwischen Macht und Empathie.
Formal
ist „Predator: Badlands“ ein Triumph. Die Kameraarbeit,
in gedeckten Rost- und Bluttönen gehalten, evoziert den sinnlichen
Dreck früherer Teile, während die digitale Klarheit der
Szenen auf Genna die unheimliche Schönheit des Fremden betont.
Trachtenberg beweist ein untrügliches Gespür für Raum
und Rhythmus – seine Actionszenen sind keine Choreografien des
Tötens, sondern Fragmente einer Mythologie, in der jeder Schnitt
eine Bedeutung trägt. Der Film bricht mit der militaristischen
Macho-Ästhetik der 1980er und ersetzt sie durch eine Reflexion
über toxische Männlichkeit und Selbstzerstörung. Dek,
von seinem Vater verachtet, weil er Mitleid zeigt, wird zum Anti-Archetypen
des Jägers – ein Krieger, der erst Mensch wird, als er
aufhört zu kämpfen. In dieser moralischen Volte steckt eine
stille, aber deutliche Kritik an der Ursprungsmythologie des Franchises,
die den Predator einst als Spiegel männlicher Hybris erfand.
Seit
fast vier Jahrzehnten fungiert der Predator als Symbol für das
entfesselte Jagdverhalten des Menschen – für Kolonialismus,
Krieg, technologische Überlegenheit. „Badlands“ führt
dieses Motiv weiter, indem es den Predator selbst zur Metapher des
entgleisten Überlebensinstinkts macht. Die Grenzen zwischen Jäger
und Beute, Mensch und Maschine, Natur und Künstlichkeit zerfließen
– und aus diesem Nebel steigt eine neue, fast tragische Figur
hervor: eine Kreatur, die erkennt, dass Stärke ohne Empathie
nur Leere hinterlässt. Dan Trachtenberg versteht, dass jedes
Franchise nur dann überlebt, wenn es sich selbst in Frage stellt.
„Badlands“ ist kein Reboot, keine Parodie, kein Versuch,
Nostalgie zu melken. Es ist eine Reflexion über die Mythologie
des Predators selbst, über seine Symbolkraft und seine Gefangenschaft
im eigenen Mythos.
Fazit
„Predator:
Badlands“ ist ein kühner, intelligenter und überraschend
zärtlicher Film, der das Franchise aus der Dunkelheit des Spektakels
in die Dämmerung der Selbstreflexion führt. Er bleibt brutal,
bizarr und bildgewaltig – doch im Herzen schlägt ein neues,
unerwartetes Gefühl: Mitleid. Was einst als reines Jagdspiel
begann, wird hier zur Allegorie über Vergebung, Schwäche
und den Mut, anders zu sein. Und vielleicht liegt genau darin die
größte Stärke dieses Films – in der Erkenntnis,
dass selbst ein Monster, das Jahrhunderte lang nur getötet hat,
irgendwann lernen kann, zu fühlen.
PREDATOR: BADLANDS
Start:
06.11.25
R: Dan Trachtenberg | D: Elle Fanning, Dimitrius Schuster-Koloamatangi,
Michael Homick
USA 2025 | Walt Disney Germany