Ein Film
über das Schreiben, der selbst wie ein fein gearbeitetes Manuskript
wirkt: „Jane Austen und das Chaos in meinem Leben“ verbindet
literarische Selbstsuche mit sanftem Humor. Laura Pianis Debüt
entfaltet eine kluge Reflexion über weibliche Kreativität
und narrative Tradition, getragen von einer einnehmenden Hauptfigur.
Es
gehört zu den charmanten Ironien dieses Films, dass er ausgerechnet
unter dem Banner einer der prägendsten Autorinnen der Weltliteratur
den Zauber des Schreibens und die Krisen des Selbstfindens zugleich
umarmt und unterläuft. „Jane Austen und das Chaos in meinem
Leben“, das Regiedebüt der französischen Autorin Laura
Piani, die jahrelang selbst im Buchhandel tätig war, entfaltet
sich als warmherzige, leichtfüßig inszenierte Reflexion
über Kreativität, Identität und romantische Verwirrung
– und damit als Werk, das sich durchaus in die Tradition jener
feinsinnigen Erzählungen stellt, die seine Protagonistin zutiefst
verehrt. Agathe, wunderbar nuanciert verkörpert von Camille Rutherford,
ist eine Heldin des leisen Widerstands. Als Buchhändlerin lebt
sie tagtäglich mit Literatur, ohne sich zu trauen, ihre eigene
Stimme zu behaupten. Erst ein impulsiver, gut gemeinter Verrat ihres
besten Freundes Félix bringt sie in die Jane Austen Writers’
Residency – einen Ort, der ebenso Inspirationsquelle wie Spiegelkabinett
für die eigene Unsicherheit wird. Piani verortet ihre Hauptfigur
in einem Spannungsfeld aus künstlerischem Druck, emotionalem
Durcheinander und einem Trauma, das lange wie ein verschlossener Raum
im Hintergrund bleibt. Doch statt das Psychologische schwer zu belasten,
arbeitet die Regisseurin mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit, die
die Introspektion nicht erdrückt, sondern durchlässig macht.
Agathes Reise bleibt stets innerlich pulsierend, aber niemals erdrückend
– ein Balanceakt, der erstaunlich viel Reife für ein Debüt
erkennen lässt. Die dramaturgische Achse des Films – die
Begegnung zwischen Agathe und Oliver, einem snobistisch wirkenden
Austen-Nachfahren – wäre in weniger sensiblen Händen
schnell zur reinen Klischee-Geste verkommen. Doch Piani nutzt das
bekannte Muster (Antipathie vor Anziehung) als Spielfeld für
feine Beobachtungen über Erwartungshaltungen, kreative Konkurrenz
und weibliche Autonomie.
Zudem
durchzieht den Film eine subtile Metaebene: Austen, die einst Frauenfiguren
aus der Passivität befreite, wird hier zur unsichtbaren Mentorin,
die einer modernen Frau hilft, ihre Stimme jenseits romantischer Zuschreibungen
zu entwickeln. Die filmische Auseinandersetzung mit literarischen
Fragen – wie politisch Literatur sein darf oder muss, welche
Rolle Geschlecht im Kanon spielt – bleibt zwar episodisch, doch
sie verleiht der Erzählung Struktur und Resonanz. Der Film lebt
entscheidend vom Zusammenspiel seines Ensembles. Pablo Pauly bringt
als Félix einen warmherzigen Impuls zwischen Freundschaftsdrama
und verletzlicher Sehnsucht ein. Charlie
Ansons Oliver ist eine reizvoll unperfekte Figur, die sich erst nach
und nach öffnet. Zusammen erschaffen die Darstellerinnen und
Darsteller eine Welt, in der kleine Gesten, stille Blicke und humorvolle
Brüche mehr erzählen als große dramatische Ausbrüche.
Laura Piani beweist ein ausgeprägtes Gespür für Rhythmus
und Leichtigkeit. Die Regie ist niemals aufdringlich, aber stets präsent;
sie öffnet Räume für Humor, Melancholie und unerwartete
Verspieltheit. Dass die Geschichte gelegentlich in Genrekonventionen
verfällt oder sprachliche Inkonsistenzen zeigt, ist angesichts
der atmosphärischen Geschlossenheit leicht zu verzeihen. „Jane
Austen und das Chaos in meinem Leben“ ist keine revolutionäre
Liebeskomödie, aber ein erstaunlich reifes, feinfühliges
Regiedebüt, das die Schwierigkeiten des kreativen Werdens ebenso
ernst nimmt wie die emotionalen Irrwege, die dazugehören. Der
Film vereint literarische Leidenschaft, humorvolle Selbstironie und
eine moderne Betrachtung weiblicher Selbstbestimmung zu einem Werk,
das mit Austen zwar spielt, aber nie imitieren möchte. Stattdessen
hinterlässt er einen warmen Nachhall – wie ein gutes Buch,
das man nach dem Zuschlagen noch eine Weile in der Hand hält,
weil man seine Welt nicht ganz verlassen möchte.
JANE AUSTEN UND DAS CHAOS IN MEINEM LEBEN
Start:
16.10.25 | FSK 0
R: Laura Piani | D: Camille Rutherford, Pablo Pauly, Charlie Anson
Frankreich 2024 | Splendid Film GmbH