In Edgar
Wrights visionärer Neuinterpretation von „The Running Man“
jagt die Zukunft im Stakkato eines gnadenlosen Medienzeitalters. Der
Film, am 13. November im Kino gestartet, verbindet atemlose Action
mit bitterer Mediensatire und einem Glenn Powell in Hochform. Ein
dystopischer Nervenkitzel, der zugleich verführt, erschüttert
und die dunklen Spiegelungen unserer Gegenwart reflektiert.
Als
Edgar Wrights „The Running Man“ am 13. November in die
Kinos startete, kehrte ein Stoff zurück, der wie kaum ein anderer
die dunklen Verwerfungen einer mediatisierten Moderne seziert –
und zugleich mit der energetischen Brillanz eines Regisseurs aufgeladen
wird, der stilistische Exzesse nie scheut, sondern regelrecht kultiviert.
Wrights Neuinterpretation des Stephen-King-Romans (Richard Bachman)
befreit den Stoff von der ironisch-überdrehten Muskelmaschinerie
der 1987er-Version mit Arnold Schwarzenegger und nähert sich
stärker der düsteren Zukunftsvision der literarischen Vorlage
an. Doch so ernst die thematischen Prämissen auch sein mögen:
„The Running Man“ funktioniert vor allem als adrenalingetränktes
Pop-Manifest, dessen Blick in eine korrumpierte Zukunft zugleich hellsichtig,
verspielt und filmisch elektrisierend ausfällt. Wright umkreist
sein Szenario als bitteres Kaleidoskop spätkapitalistischer Macht,
das in der Zukunftsgegenwart des Jahres 2025 angesiedelt ist –
ein zeitlicher Abstand, der mittlerweile so gering erscheint, dass
die Gesellschaftsdiagnose fast wie eine Übertreibung der Nachrichtenlage
wirkt. Im Zentrum steht Ben Richards (Glen Powell), ein Arbeiter,
der an den Mechanismen ökonomischer Ausbeutung zerbricht und
in die Fänge einer allmächtigen Medienmaschinerie gerät.
Seine Verzweiflung führt ihn in die Teilnahme an einer sadistischen
Reality-Show, deren Regeln tödlich, deren Produzenten skrupellos
und deren Einschaltquoten unerbittlich sind. Powells Performance verankert
den Film: Er verkörpert Ben als Mann, der nicht als Held, sondern
als Überlebender in eine Welt katapultiert wird, in der Moral
ein Luxus und Wahrheit ein verschiebbares Gut ist. Die Härte
dieser Situation spiegelt Wright in einer visuellen Ästhetik,
die zwischen neongetränktem Punk, Retro-Sci-Fi und der Fragmentierung
digitaler Reizüberflutung changiert. Die Kamera hetzt, sprintet,
kollidiert – ein Stil, der dem Titel des Films eine fast synästhetische
Dimension verleiht. Wrights Verfilmung aktualisiert die Kritik des
Romans mit einem Motiv, das in Kings Version noch utopisch anmutete:
künstliche Intelligenz. Die Produzenten der tödlichen Fernsehshow,
gespielt mit brillanter Überdrehtheit von Colman Domingo und
kalter Manager-Präzision von Josh Brolin, bedienen sich digitaler
Manipulationswerkzeuge, um das öffentliche Bild ihres Kandidaten
nach Belieben zu verzerren. Fiktion und Realität verschwimmen,
Moral wird algorithmisch erzeugt und Identität zum Spielball
einer tiefenscharfen Propaganda.
Diese
Akzentverschiebung ist einer der stärksten Aspekte des Films:
„The Running Man“ diagnostiziert eine Welt, in der Wahrheit
längst nicht mehr ermittelt, sondern produziert wird –
und in der die Zuschauer lieber an das Spektakel glauben als an die
Realität. Damit gelingt Wright eine Ausnahmeleistung. Er
verbindet rasante Unterhaltung mit einem Kommentar über die Erosion
öffentlicher Wirklichkeitswahrnehmung und zeigt en passant, wie
nahe dystopische Überzeichnung dem alltäglichen politischen
Geschehen gekommen ist. Trotz seiner analytischen Ambitionen bleibt
„The Running Man“ ein Film des kinetischen Überschwangs.
Wright choreografiert die Action wie einen Technotrip, setzt seine
typischen Pop-Soundtrack-Akzente und erfindet visuelle Übergänge,
die an musikalische Mash-ups erinnern. Die Spannung entsteht weniger
aus realistischer Bedrohung als aus der Lust am filmischen Spiel,
an comicartigen Überzeichnungen und an einer Form von Science-Fiction,
die stets weiß, dass sie Kino ist. Gerade hier liegt jedoch
auch das Potenzial seiner Schwäche: Die finale Konfrontation
wirkt erzählerisch weniger zwingend als ästhetisch zwingend
gestaltet. Der Film strebt nach moralischer Tiefe, verliert sich aber
im Crescendo seiner eigenen Form. Der menschliche Kern der Geschichte
– ein Mann, der für das Überleben seiner Familie kämpft
– tritt hinter den stürmischen Bildern gelegentlich zurück.
Mit „The Running Man“ gelingt Edgar Wright dennoch ein
Werk, das sich mühelos in den Kanon moderner dystopischer Erzählungen
einreiht. Es verweist auf die medienkritischen Fabeln eines Network,
zitiert die Zynismen der Hunger Games und spielt zugleich mit der
Techno-Paranoia des 21. Jahrhunderts. Es ist ein Film, der den Mythos
der Jagd neu denkt: nicht als archaischen Kampf, sondern als choreografiertes
Unterhaltungsprodukt. Wrights Version ist leichter, weniger düster
als die Vorlage – doch gerade diese Mischung aus Schärfe
und Verspieltheit macht seine Interpretation so reizvoll. Sie zeigt,
dass dystopisches Kino nicht nur Warnung, sondern auch Versuchslabor
für ästhetische Innovationen sein kann.
THE RUNNING MAN
Start:
13.11.25 | FSK 16
R: Edgar Wright | D: Glen Powell, Josh Brolin, William H. Macy
USA 2005 | Paramount Pictures Germany