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KINO | 19.11.2025

THE RUNNING MAN

In Edgar Wrights visionärer Neuinterpretation von „The Running Man“ jagt die Zukunft im Stakkato eines gnadenlosen Medienzeitalters. Der Film, am 13. November im Kino gestartet, verbindet atemlose Action mit bitterer Mediensatire und einem Glenn Powell in Hochform. Ein dystopischer Nervenkitzel, der zugleich verführt, erschüttert und die dunklen Spiegelungen unserer Gegenwart reflektiert.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2025 PARAMOUNT PICTURES. ALL RIGHTS RESERVED.

Als Edgar Wrights „The Running Man“ am 13. November in die Kinos startete, kehrte ein Stoff zurück, der wie kaum ein anderer die dunklen Verwerfungen einer mediatisierten Moderne seziert – und zugleich mit der energetischen Brillanz eines Regisseurs aufgeladen wird, der stilistische Exzesse nie scheut, sondern regelrecht kultiviert. Wrights Neuinterpretation des Stephen-King-Romans (Richard Bachman) befreit den Stoff von der ironisch-überdrehten Muskelmaschinerie der 1987er-Version mit Arnold Schwarzenegger und nähert sich stärker der düsteren Zukunftsvision der literarischen Vorlage an. Doch so ernst die thematischen Prämissen auch sein mögen: „The Running Man“ funktioniert vor allem als adrenalingetränktes Pop-Manifest, dessen Blick in eine korrumpierte Zukunft zugleich hellsichtig, verspielt und filmisch elektrisierend ausfällt. Wright umkreist sein Szenario als bitteres Kaleidoskop spätkapitalistischer Macht, das in der Zukunftsgegenwart des Jahres 2025 angesiedelt ist – ein zeitlicher Abstand, der mittlerweile so gering erscheint, dass die Gesellschaftsdiagnose fast wie eine Übertreibung der Nachrichtenlage wirkt. Im Zentrum steht Ben Richards (Glen Powell), ein Arbeiter, der an den Mechanismen ökonomischer Ausbeutung zerbricht und in die Fänge einer allmächtigen Medienmaschinerie gerät. Seine Verzweiflung führt ihn in die Teilnahme an einer sadistischen Reality-Show, deren Regeln tödlich, deren Produzenten skrupellos und deren Einschaltquoten unerbittlich sind. Powells Performance verankert den Film: Er verkörpert Ben als Mann, der nicht als Held, sondern als Überlebender in eine Welt katapultiert wird, in der Moral ein Luxus und Wahrheit ein verschiebbares Gut ist. Die Härte dieser Situation spiegelt Wright in einer visuellen Ästhetik, die zwischen neongetränktem Punk, Retro-Sci-Fi und der Fragmentierung digitaler Reizüberflutung changiert. Die Kamera hetzt, sprintet, kollidiert – ein Stil, der dem Titel des Films eine fast synästhetische Dimension verleiht. Wrights Verfilmung aktualisiert die Kritik des Romans mit einem Motiv, das in Kings Version noch utopisch anmutete: künstliche Intelligenz. Die Produzenten der tödlichen Fernsehshow, gespielt mit brillanter Überdrehtheit von Colman Domingo und kalter Manager-Präzision von Josh Brolin, bedienen sich digitaler Manipulationswerkzeuge, um das öffentliche Bild ihres Kandidaten nach Belieben zu verzerren. Fiktion und Realität verschwimmen, Moral wird algorithmisch erzeugt und Identität zum Spielball einer tiefenscharfen Propaganda.


© 2025 PARAMOUNT PICTURES. ALL RIGHTS RESERVED.

Diese Akzentverschiebung ist einer der stärksten Aspekte des Films: „The Running Man“ diagnostiziert eine Welt, in der Wahrheit längst nicht mehr ermittelt, sondern produziert wird – und in der die Zuschauer lieber an das Spektakel glauben als an die Realität. Damit gelingt Wright eine Ausnahmeleistung. Er verbindet rasante Unterhaltung mit einem Kommentar über die Erosion öffentlicher Wirklichkeitswahrnehmung und zeigt en passant, wie nahe dystopische Überzeichnung dem alltäglichen politischen Geschehen gekommen ist. Trotz seiner analytischen Ambitionen bleibt „The Running Man“ ein Film des kinetischen Überschwangs. Wright choreografiert die Action wie einen Technotrip, setzt seine typischen Pop-Soundtrack-Akzente und erfindet visuelle Übergänge, die an musikalische Mash-ups erinnern. Die Spannung entsteht weniger aus realistischer Bedrohung als aus der Lust am filmischen Spiel, an comicartigen Überzeichnungen und an einer Form von Science-Fiction, die stets weiß, dass sie Kino ist. Gerade hier liegt jedoch auch das Potenzial seiner Schwäche: Die finale Konfrontation wirkt erzählerisch weniger zwingend als ästhetisch zwingend gestaltet. Der Film strebt nach moralischer Tiefe, verliert sich aber im Crescendo seiner eigenen Form. Der menschliche Kern der Geschichte – ein Mann, der für das Überleben seiner Familie kämpft – tritt hinter den stürmischen Bildern gelegentlich zurück. Mit „The Running Man“ gelingt Edgar Wright dennoch ein Werk, das sich mühelos in den Kanon moderner dystopischer Erzählungen einreiht. Es verweist auf die medienkritischen Fabeln eines Network, zitiert die Zynismen der Hunger Games und spielt zugleich mit der Techno-Paranoia des 21. Jahrhunderts. Es ist ein Film, der den Mythos der Jagd neu denkt: nicht als archaischen Kampf, sondern als choreografiertes Unterhaltungsprodukt. Wrights Version ist leichter, weniger düster als die Vorlage – doch gerade diese Mischung aus Schärfe und Verspieltheit macht seine Interpretation so reizvoll. Sie zeigt, dass dystopisches Kino nicht nur Warnung, sondern auch Versuchslabor für ästhetische Innovationen sein kann.


THE RUNNING MAN

Start: 13.11.25 | FSK 16
R: Edgar Wright | D: Glen Powell, Josh Brolin, William H. Macy
USA 2005 | Paramount Pictures Germany


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