Ein Haus
voller Rätsel, eine Frau im Griff ihrer eigenen Vergangenheit
und ein Dorf, das mehr verschweigt als es preisgibt: „Welcome
Home Baby“ verführt mit betörender Atmosphäre
und widersprüchlicher Symbolik. Der Film oszilliert zwischen
kunstvoll verdichtetem Horror und erzählerischer Unschärfe
– ein Werk, das ebenso fasziniert wie irritiert.
Es
gibt Filme, die sich wie schillernde Fata Morganas im Grenzgebiet
zwischen psychologischem Drama und Genrekino bewegen – verführerisch
in ihrer Atmosphäre, zugleich aber unverbindlich in ihrem erzählerischen
Kern. Andreas Prochaskas „Welcome Home Baby“, der nach
einer langen Phase der Serienarbeit seine Rückkehr zum Spielfilm
markiert, gehört genau in diese schillernde Zwischenwelt. Was
der Film an suggestiver Bildsprache, beklemmender Stimmung und visuellem
Selbstbewusstsein entfaltet, verliert er leider zu oft im erzählerischen
Labyrinth. Dennoch steckt in diesem ebenso faszinierenden wie frustrierenden
Mystery-Horror eine Handschrift, die man nicht übersehen kann.
Im
Zentrum steht Judith, eine Berliner Notfallsanitäterin, gespielt
von Julia Franz Richter mit einer Intensität, die den Film über
lange Strecken trägt. Die Konfrontation mit ihrer eigenen Vergangenheit
– ausgelöst durch die Erbschaft des entlegenen Elternhauses
in Niederösterreich – entwickelt sich zu einer Reise in
ein Geflecht aus verdrängten Erinnerungen, kultischen Traditionen
und einem düster orchestrierten Dorfkollektiv. Die
Assoziationen zu klassischen Horrorfilmen der 1960er und 1970er Jahre
drängen sich dabei bewusst auf. Insbesondere die Nähe zu
„Rosemary’s Baby“ wird durch Richter nicht nur darstellerisch,
sondern auch visuell evoziert. Prochaska und sein Team greifen auf
eine fast archetypische Bildsprache des Okkult-Horrors zurück:
verzerrte Gesichter auf alten Fotografien, rostige Schlüssel,
ein Haus wie ein lebender Organismus – Elemente, die atmosphärisch
beeindrucken, aber nicht immer eine klare dramaturgische Funktion
erfüllen.
Der
Film ist am stärksten, wenn er in die Ambivalenz seiner Figuren
eintaucht. Das Dorf, bevölkert von lächelnden, beinahe unheimlich
selbstgewissen Frauen, angeführt von einer milde-bedrohlichen
„Tante Paula“, wirkt wie ein Spiegel traditioneller Vorstellungen
von Mutterschaft, Fürsorge und kollektiven Ritualen. Prochaska
zeichnet eine Form toxischer Weiblichkeit, die nicht überzeichnet,
sondern in ihrer unterschwelligen Manipulation fast glaubwürdig
wirkt. Doch während Judiths Identitätskrise und ihre Weigerung,
sich normativen Erwartungen zu beugen, einen spannenden feministischen
Subtext eröffnen könnten, bleibt die Erzählung an vielen
Stellen zu vage. Die Motive der Dorfgemeinschaft, ihre Absichten,
ihre innere Struktur – all das bleibt im Schatten. Atmosphärisch
prächtig, dramaturgisch aber unbefriedigend.
Carmen
Triechls Kameraarbeit ist gezielt destabilisiert: Schiefe Perspektiven,
extreme Farbkompositionen und ein Spiel mit Licht und Dunkelheit erzeugen
visuelle Spitzen, die sich fest im Gedächtnis verankern. Doch
die formalen Mittel sind so präsent, dass sie zuweilen die eigene
Wirkung unterminieren. Stil wird manchmal zur Geste. Und Geste ersetzt
nicht immer Substanz.
Im
Finale schließlich löst sich die zuvor kunstvoll gepflegte
Ambivalenz in einem Ausbruch aus Gewalt, Symbolik und opernhafter
Übertreibung – ein Moment zwischen mutigem Kontrollverlust
und unbeabsichtigter Camp-Ästhetik. Hier zeigt sich die Doppelgesichtigkeit
des Films wohl am deutlichsten: beeindruckend in seinem Mut, aber
schwierig in seiner Kohärenz.
„Welcome
Home Baby“ ist ein Film, der mehr fasziniert als überzeugt.
Er entfaltet ein hypnotisches Setting, brilliert in Momenten verstörender
Schönheit und wird von einer starken Hauptdarstellerin getragen.
Gleichzeitig bleibt er rätselhaft, manchmal im besten Sinne,
häufig aber im Sinne eines Drehbuchs, das sich nicht traut, seine
Geheimnisse klar zu formulieren. Ein Werk für alle, die Wert
auf Atmosphäre, symbolische Dichte und doppelbödige Bilder
legen – aber weniger für jene, die eine klare, psychologisch
nachvollziehbare Erzählung erwarten. Prochaska legt hier einen
Film vor, der fesselt, irritiert und nachhallt, auch wenn er nicht
alle Erwartungen erfüllt. Vielleicht ist gerade diese Ambivalenz
sein wahrer Kern.
WELCOME HOME BABY
Start:
27.11.25 | FSK 16
R: Andreas Prochaska | D: Julia Franz Richter, Reinout Scholten
van Aschat
Österreich, Deutschland 2025 | Wild Bunch Germany