WICKED:
TEIL 2
Zwischen Mythos, Musical und Moderne
Ein visuell
überwältigendes, doch erzählerisch zwiespältiges
Finale: „Wicked: Teil 2“ wagt den Balanceakt zwischen
Mythos und Moderne – und stolpert mehr als einmal über
seine eigenen Ambitionen. Doch dank Cynthia Erivos grandioser Präsenz
bleibt das Musical ein emotionales Erlebnis, das lange nachklingt.
Mit
„Wicked: Teil 2“, der am 19. November in den Kinos gestartet
ist, schließt Jon M. Chu den monumentalen Zweiteiler ab, der
die Vorgeschichte des „Wizard of Oz“-Universums neu erzählt.
Wo der erste Teil noch mit orchestraler Wucht, märchenhafter
Farbdramaturgie und zeitgenössischer Musical-Eleganz verführte,
zeigt sich das Finale ambivalenter: ambitioniert, glänzend ausgestattet,
herausragend gespielt – und doch erzählerisch ungleich
gewichtiger, teils überfrachtet.
Prequels stehen vor der Herausforderung, auf
ein Ziel zuzusteuern, das das Publikum längst kennt. „Wicked:
Teil 2“ begegnet dieser Last mit einer Mischung aus Respekt
und Kühnheit: Der Film führt die Handlung konsequent an
die ikonischen Ereignisse der Kansas-Windhose heran, muss aber zugleich
erklären, wie aus Elphaba, der missverstandenen Aktivistin des
ersten Teils, die vermeintlich „böse“ Hexe wird,
die uns aus der klassischen Filmfassung vertraut ist. Gerade hier
zeigt der Film Brüche. Chu bemüht sich, die moralische Ambiguität
des Figurenkosmos zu bewahren – und schafft das nur teilweise.
Der Übergang Elphabas von Idealismus zu Radikalität wird
zwar psychologisch angedeutet, aber selten konsequent vertieft. Das
Resultat ist eine Figur, die nur begrenzt nachvollziehbar im Mythos
ankommt, den sie erfüllen muss.
Der zweite Teil konzentriert sich deutlich
stärker auf die emotionalen Konflikte seiner Hauptfiguren. Chu
versucht, politische und romantische Spannung miteinander zu verflechten
– teils überzeugend, teils überladen. Die Dynamik
zwischen Glinda und Elphaba bleibt berührend, doch der Liebeskonflikt
wirkt gelegentlich wie ein dramaturgischer Reflex, der die Figuren
in vertraute Bahnen zwingt. Die große Stärke des Films
liegt jedoch in den Blicken, Berührungen und leisen Brüchen
zwischen den beiden Frauen – Momente, in denen die Musicalform
unerwartet Tiefe gewinnt.
Was
erzählerisch wankt, wird schauspielerisch getragen: Cynthia Erivo
verleiht Elphaba eine emotionale Gravitation, die den gesamten Film
zusammenhält. Ihre Stimme ist nicht nur Instrument, sondern Handlungsträger.
In ihren stillen Momenten findet die Figur zu jener Verletzlichkeit,
die die tragische Fallhöhe erst ermöglicht. Ariana Grande
als Glinda überrascht mit kontrollierter Ernsthaftigkeit, auch
wenn das Drehbuch ihr weniger komödiantische Entfaltung erlaubt
als im ersten Teil. Jeff Goldblum dominert als Zauberer jede seiner
Szenen – eine Mischung aus schelmischem Charme und dunkler Selbstzerstörung,
die das moralische Zentrum der Geschichte überzeugender repräsentiert
als die Drehbuchstruktur es vorgibt. Daneben zeigen Marissa Bode,
Ethan Slater und Michelle Yeoh fein herausgearbeitete Charakterakzente,
die jedoch gelegentlich im visuell-musikalischen Bombast untergehen.
Die
dramaturgisch brisanteste Aufgabe besteht darin, die Prequelhandlung
mit dem ikonischen Ausgangspunkt zu verbinden. Der Auftritt Dorothys,
der erst spät und schlaglichtartig erfolgt, wirkt filmisch eher
wie ein Fremdkörper als wie eine organische Kulmination. Die
Einführung der Ursprungsgeschichten von Löwe, Blechmann
und Vogelscheuche trägt Spuren einer modernen Franchise-Logik:
pointiert, aber oberflächlich. Gerade die Transformation der
Vogelscheuche bleibt erzählerisch unsauber gelöst und erzeugt
ein Moment der Irritation, das weder mit dem Originalfilm noch mit
der eigenen Logik des Prequels harmoniert.
Inszenatorisch bleibt „Wicked: Teil 2“
ein Triumph des Designs: Es finden sich leuchtende Farbwelten in pastellgrundierten
Düstertönen, es eröffnen sich fließende Kamerafahrten,
die magische Räume öffnen und ein Score, der Broadway-Energie
mit melodischer Melancholie kombiniert dominiert im Hintergrund. Doch
die visuelle Opulenz kann nicht vollständig verdecken, dass der
Film dramaturgisch mäandernd wirkt. Wo Teil 1 mit rhythmischer
Klarheit punktete, verliert Teil 2 mitunter die Balance zwischen Spektakel
und Erzählung.
„Wicked: Teil 2“ ist ein Film der
Spannungen: zwischen Pflicht und Freiheit, Mythos und Moderne, Musical-Überhöhung
und psychologischem Erzählen. Er ist weder ein triumphales Meisterstück
noch ein gescheitertes Experiment, sondern ein hybrides Werk, das
seine Ambitionen offen zur Schau stellt – und in seiner Unvollkommenheit
eine überraschende Resonanz entfaltet. Es ist letztlich Cynthia
Erivos Darstellung, die den Film über seine strukturellen Schwächen
hinaushebt und ihm jene emotionale Wahrheit verleiht, die die Geschichte
von Oz – in all ihren Versionen – seit jeher lebendig
hält.
WICKED: TEIL 2
Start:
19.11.25 | FSK 12
R: Jon M. Chu | D: Ariana Grande, Cynthia Erivo, Jonathan Bailey
USA 2025 | Universal Pictures Germany