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KINO | 26.11.2025

WICKED: TEIL 2
Zwischen Mythos, Musical und Moderne

Ein visuell überwältigendes, doch erzählerisch zwiespältiges Finale: „Wicked: Teil 2“ wagt den Balanceakt zwischen Mythos und Moderne – und stolpert mehr als einmal über seine eigenen Ambitionen. Doch dank Cynthia Erivos grandioser Präsenz bleibt das Musical ein emotionales Erlebnis, das lange nachklingt.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Universal Studios. All Rights Reserved.

Mit „Wicked: Teil 2“, der am 19. November in den Kinos gestartet ist, schließt Jon M. Chu den monumentalen Zweiteiler ab, der die Vorgeschichte des „Wizard of Oz“-Universums neu erzählt. Wo der erste Teil noch mit orchestraler Wucht, märchenhafter Farbdramaturgie und zeitgenössischer Musical-Eleganz verführte, zeigt sich das Finale ambivalenter: ambitioniert, glänzend ausgestattet, herausragend gespielt – und doch erzählerisch ungleich gewichtiger, teils überfrachtet.

Prequels stehen vor der Herausforderung, auf ein Ziel zuzusteuern, das das Publikum längst kennt. „Wicked: Teil 2“ begegnet dieser Last mit einer Mischung aus Respekt und Kühnheit: Der Film führt die Handlung konsequent an die ikonischen Ereignisse der Kansas-Windhose heran, muss aber zugleich erklären, wie aus Elphaba, der missverstandenen Aktivistin des ersten Teils, die vermeintlich „böse“ Hexe wird, die uns aus der klassischen Filmfassung vertraut ist. Gerade hier zeigt der Film Brüche. Chu bemüht sich, die moralische Ambiguität des Figurenkosmos zu bewahren – und schafft das nur teilweise. Der Übergang Elphabas von Idealismus zu Radikalität wird zwar psychologisch angedeutet, aber selten konsequent vertieft. Das Resultat ist eine Figur, die nur begrenzt nachvollziehbar im Mythos ankommt, den sie erfüllen muss.

Der zweite Teil konzentriert sich deutlich stärker auf die emotionalen Konflikte seiner Hauptfiguren. Chu versucht, politische und romantische Spannung miteinander zu verflechten – teils überzeugend, teils überladen. Die Dynamik zwischen Glinda und Elphaba bleibt berührend, doch der Liebeskonflikt wirkt gelegentlich wie ein dramaturgischer Reflex, der die Figuren in vertraute Bahnen zwingt. Die große Stärke des Films liegt jedoch in den Blicken, Berührungen und leisen Brüchen zwischen den beiden Frauen – Momente, in denen die Musicalform unerwartet Tiefe gewinnt.

Was erzählerisch wankt, wird schauspielerisch getragen: Cynthia Erivo verleiht Elphaba eine emotionale Gravitation, die den gesamten Film zusammenhält. Ihre Stimme ist nicht nur Instrument, sondern Handlungsträger. In ihren stillen Momenten findet die Figur zu jener Verletzlichkeit, die die tragische Fallhöhe erst ermöglicht. Ariana Grande als Glinda überrascht mit kontrollierter Ernsthaftigkeit, auch wenn das Drehbuch ihr weniger komödiantische Entfaltung erlaubt als im ersten Teil. Jeff Goldblum dominert als Zauberer jede seiner Szenen – eine Mischung aus schelmischem Charme und dunkler Selbstzerstörung, die das moralische Zentrum der Geschichte überzeugender repräsentiert als die Drehbuchstruktur es vorgibt. Daneben zeigen Marissa Bode, Ethan Slater und Michelle Yeoh fein herausgearbeitete Charakterakzente, die jedoch gelegentlich im visuell-musikalischen Bombast untergehen.


© Universal Studios. All Rights Reserved.

Die dramaturgisch brisanteste Aufgabe besteht darin, die Prequelhandlung mit dem ikonischen Ausgangspunkt zu verbinden. Der Auftritt Dorothys, der erst spät und schlaglichtartig erfolgt, wirkt filmisch eher wie ein Fremdkörper als wie eine organische Kulmination. Die Einführung der Ursprungsgeschichten von Löwe, Blechmann und Vogelscheuche trägt Spuren einer modernen Franchise-Logik: pointiert, aber oberflächlich. Gerade die Transformation der Vogelscheuche bleibt erzählerisch unsauber gelöst und erzeugt ein Moment der Irritation, das weder mit dem Originalfilm noch mit der eigenen Logik des Prequels harmoniert.

Inszenatorisch bleibt „Wicked: Teil 2“ ein Triumph des Designs: Es finden sich leuchtende Farbwelten in pastellgrundierten Düstertönen, es eröffnen sich fließende Kamerafahrten, die magische Räume öffnen und ein Score, der Broadway-Energie mit melodischer Melancholie kombiniert dominiert im Hintergrund. Doch die visuelle Opulenz kann nicht vollständig verdecken, dass der Film dramaturgisch mäandernd wirkt. Wo Teil 1 mit rhythmischer Klarheit punktete, verliert Teil 2 mitunter die Balance zwischen Spektakel und Erzählung.

„Wicked: Teil 2“ ist ein Film der Spannungen: zwischen Pflicht und Freiheit, Mythos und Moderne, Musical-Überhöhung und psychologischem Erzählen. Er ist weder ein triumphales Meisterstück noch ein gescheitertes Experiment, sondern ein hybrides Werk, das seine Ambitionen offen zur Schau stellt – und in seiner Unvollkommenheit eine überraschende Resonanz entfaltet. Es ist letztlich Cynthia Erivos Darstellung, die den Film über seine strukturellen Schwächen hinaushebt und ihm jene emotionale Wahrheit verleiht, die die Geschichte von Oz – in all ihren Versionen – seit jeher lebendig hält.


WICKED: TEIL 2

Start: 19.11.25 | FSK 12
R: Jon M. Chu | D: Ariana Grande, Cynthia Erivo, Jonathan Bailey
USA 2025 | Universal Pictures Germany


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