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KINO | 10.12.2025

STROMBERG – WIEDER ALLES WIE IMMER

In seiner analytischen Zuspitzung seziert „Stromberg – Wieder alles wie immer“ humoristisch die eigene Serienvergangenheit gegen die Diskurse der Gegenwart. Der Film entlarvt nostalgische Sehnsüchte ebenso wie gesellschaftliche Verhärtungen und macht aus Strombergs Scheitern ein Spiegelbild kollektiver Orientierungslosigkeit.

von Richard-Heinrich Tarenz


© MadeFor Film Stephan Rabold

Wenn ein popkulturelles Relikt aus den frühen 2000ern plötzlich wieder auf der Leinwand auftaucht, drängt sich zunächst eine skeptische Frage auf: Muss das sein? Am 04. Dezember startete „Stromberg – Wieder alles wie immer“ in den Kinos – und mit ihm die Rückkehr einer Figur, deren chauvinistischer Zynismus eigentlich als musealer Beleg einer vergangenen Medienepoche gelten könnte. Doch Regisseur Arne Feldhusen und Autor Ralf Husmann entscheiden sich nicht für Nostalgie, sondern für ein selbstreflexives Update, das weit weniger bequem ausfällt, als der Filmtitel suggeriert. Ihr Ansatz transformiert den »Arschloch-Chef« aus dem Archiv der deutschen Fernsehgeschichte in ein kritisches Experiment: Was passiert, wenn eine problematische Figur nicht modernisiert, sondern konfrontiert wird – mit einer Welt, die sich weitergedreht hat, und mit einem Publikum, das sensibler, gespaltener und politisierter geworden ist? Was dem Film seinen besonderen analytischen Reiz verleiht, ist genau diese Meta-Ebene. Feldhusen und Husmann vermeiden die naheliegende Versuchung, Stromberg lediglich in zeitgenössischen Arbeitswelten – KI, New Work, Home Office – zu verorten. Stattdessen untersuchen sie die Figur als kulturhistorisches Phänomen: als Symptom einer Ära, in der Grenzen des Sagbaren anders gezogen waren, in der Männlichkeitsbilder brüchiger wurden, ohne an Wucht zu verlieren, und in dem Humor als Ventil gesellschaftliche Schieflagen aufgegriffen wird. Das Ergebnis ist weniger Komödie als Kommentar – ein Versuch, im Medium der Fiktion den langen Schatten der eigenen Popkulturgeschichte auszuleuchten. Christoph Maria Herbst spielt Stromberg mit der routinierten Präzision eines Schauspielers, der jeden Mikroreflex seines Charakters kennt. Doch diesmal liegt über seinem Spiel eine neue Note: Verunsicherung. Stromberg, der stets glaubte, mit Überheblichkeit und absurden Vergleichen jede Situation dominieren zu können, wirkt nun wie ein Mann, dem die Zeit abhandengekommen ist – nicht nur als Gag, sondern als tragikomische Disposition. Sein angestrengtes Bemühen, »dazugelernt« zu haben, macht die Figur weder sympathisch noch modern. Im Gegenteil: In seiner Hilflosigkeit entblößt der Film das fragile Fundament männlicher Selbstgewissheiten, das schon immer seine Komik, aber nun auch seine Tragik bildete.


© MadeFor Film Stephan Rabold

Der Film entfaltet einen kritischen Blick auf die Gegenwart, ohne selbst in moralische Redundanz zu verfallen. Besonders bemerkenswert ist, dass Feldhusen und Husmann nicht davor zurückschrecken, Themen des Post-MeToo-Zeitalters frontal zu adressieren. Anders als manch anderer aktueller Comedy- oder Nostalgie-Revival-Film umschifft „Stromberg – Wieder alles wie immer“ Diskursfelder wie Wokeness, kulturelle Sensibilisierung und Genderfragen nicht – er stürzt sich bewusst hinein. Das macht ihn sperriger, aber auch relevanter als erwartet. Im zweiten Teil verliert der Film etwas vom Gag-Feuerwerk seines Auftakts, gewinnt jedoch an emotionaler Tiefe. Indem er zeigt, wie die Figuren – Ulf, Tanja, Erika und andere – an der Zumutung der Gegenwart scheitern, eröffnet er einen Raum unerwarteter Verletzlichkeit. Besonders Ulf, dessen jungenhafte Ahnungslosigkeit lange als Running Gag diente, formuliert nahezu programmatisch, dass hinter dem Zynismus vieler Menschen Hilflosigkeit steckt. Diese Momente verleihen dem Film eine überraschende Zärtlichkeit, ohne ihn ins Sentimentale kippen zu lassen. Doch am Ende verweigern sich Feldhusen und Husmann konsequent jeder Läuterungsfantasie. Stromberg bleibt Stromberg – eine ambivalente Figur zwischen Lächerlichkeit und Tragik, deren Rückständigkeit nicht verharmlost, aber auch nicht verklärt wird. Genau hier liegt die wahre Sprengkraft des Films: Er zeigt, dass popkulturelle Ikonen nicht verschwinden, nur weil sich der normative Rahmen verschiebt. Sie bleiben als Projektionen, als Mahnmale einer Zeit, die nie wirklich vergangen ist. Und erleben gerade in Krisen und Verunsicherungen eine Renaissance – nicht trotz, sondern wegen ihrer vermeintlichen Einfachheit.

FAZIT
„Stromberg – Wieder alles wie immer“ ist deshalb weniger ein Revival als eine Diagnose: ein Spiegel der Gegenwart, die in ihrem kulturellen Rückgriff ihren eigenen Orientierungsschwund offenbart. Der Film liefert keine bequemen Antworten, aber er formuliert ein präzises, zuweilen bitteres Bild einer Gesellschaft, die zwischen Fortschrittsanspruch und nostalgischer Rückwärtsgewandtheit taumelt. Wer eine harmlose Nostalgiekomödie erwartet, wird enttäuscht – doch wer bereit ist, Stromberg als kulturkritisches Experiment zu betrachten, erhält ein erstaunlich vielschichtiges Werk über Wandel, Widerstand und die Beharrungskräfte alter Muster.


STROMBERG - WIEDER ALLES WIE IMMER

Start: 04.12.25 | FSK 12
R: Arne Feldhusen | D: Christoph Maria Herbst, Bjarne Mädel, Oliver Wnuk
Deutschland 2024 | Filmwelt


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