In seiner
analytischen Zuspitzung seziert „Stromberg – Wieder alles
wie immer“ humoristisch die eigene Serienvergangenheit gegen
die Diskurse der Gegenwart. Der Film entlarvt nostalgische Sehnsüchte
ebenso wie gesellschaftliche Verhärtungen und macht aus Strombergs
Scheitern ein Spiegelbild kollektiver Orientierungslosigkeit.
Wenn
ein popkulturelles Relikt aus den frühen 2000ern plötzlich
wieder auf der Leinwand auftaucht, drängt sich zunächst
eine skeptische Frage auf: Muss das sein? Am 04. Dezember startete
„Stromberg – Wieder alles wie immer“ in den Kinos
– und mit ihm die Rückkehr einer Figur, deren chauvinistischer
Zynismus eigentlich als musealer Beleg einer vergangenen Medienepoche
gelten könnte. Doch Regisseur Arne Feldhusen und Autor Ralf Husmann
entscheiden sich nicht für Nostalgie, sondern für ein selbstreflexives
Update, das weit weniger bequem ausfällt, als der Filmtitel suggeriert.
Ihr Ansatz transformiert den »Arschloch-Chef« aus dem
Archiv der deutschen Fernsehgeschichte in ein kritisches Experiment:
Was passiert, wenn eine problematische Figur nicht modernisiert, sondern
konfrontiert wird – mit einer Welt, die sich weitergedreht hat,
und mit einem Publikum, das sensibler, gespaltener und politisierter
geworden ist? Was dem Film seinen besonderen analytischen Reiz verleiht,
ist genau diese Meta-Ebene. Feldhusen und Husmann vermeiden die naheliegende
Versuchung, Stromberg lediglich in zeitgenössischen Arbeitswelten
– KI, New Work, Home Office – zu verorten. Stattdessen
untersuchen sie die Figur als kulturhistorisches Phänomen: als
Symptom einer Ära, in der Grenzen des Sagbaren anders gezogen
waren, in der Männlichkeitsbilder brüchiger wurden, ohne
an Wucht zu verlieren, und in dem Humor als Ventil gesellschaftliche
Schieflagen aufgegriffen wird. Das Ergebnis ist weniger Komödie
als Kommentar – ein Versuch, im Medium der Fiktion den langen
Schatten der eigenen Popkulturgeschichte auszuleuchten. Christoph
Maria Herbst spielt Stromberg mit der routinierten Präzision
eines Schauspielers, der jeden Mikroreflex seines Charakters kennt.
Doch diesmal liegt über seinem Spiel eine neue Note: Verunsicherung.
Stromberg, der stets glaubte, mit Überheblichkeit und absurden
Vergleichen jede Situation dominieren zu können, wirkt nun wie
ein Mann, dem die Zeit abhandengekommen ist – nicht nur als
Gag, sondern als tragikomische Disposition. Sein angestrengtes Bemühen,
»dazugelernt« zu haben, macht die Figur weder sympathisch
noch modern. Im Gegenteil: In seiner Hilflosigkeit entblößt
der Film das fragile Fundament männlicher Selbstgewissheiten,
das schon immer seine Komik, aber nun auch seine Tragik bildete.
Der
Film entfaltet einen kritischen Blick auf die Gegenwart, ohne selbst
in moralische Redundanz zu verfallen. Besonders bemerkenswert ist,
dass Feldhusen und Husmann nicht davor zurückschrecken, Themen
des Post-MeToo-Zeitalters frontal zu adressieren. Anders als manch
anderer aktueller Comedy- oder Nostalgie-Revival-Film umschifft „Stromberg
– Wieder alles wie immer“ Diskursfelder wie Wokeness,
kulturelle Sensibilisierung und Genderfragen nicht – er stürzt
sich bewusst hinein. Das macht ihn sperriger, aber auch relevanter
als erwartet. Im zweiten Teil verliert der Film etwas vom Gag-Feuerwerk
seines Auftakts, gewinnt jedoch an emotionaler Tiefe. Indem er zeigt,
wie die Figuren – Ulf, Tanja, Erika und andere – an der
Zumutung der Gegenwart scheitern, eröffnet er einen Raum unerwarteter
Verletzlichkeit. Besonders Ulf, dessen jungenhafte Ahnungslosigkeit
lange als Running Gag diente, formuliert nahezu programmatisch, dass
hinter dem Zynismus vieler Menschen Hilflosigkeit steckt. Diese Momente
verleihen dem Film eine überraschende Zärtlichkeit, ohne
ihn ins Sentimentale kippen zu lassen. Doch am Ende verweigern sich
Feldhusen und Husmann konsequent jeder Läuterungsfantasie. Stromberg
bleibt Stromberg – eine ambivalente Figur zwischen Lächerlichkeit
und Tragik, deren Rückständigkeit nicht verharmlost, aber
auch nicht verklärt wird. Genau hier liegt die wahre Sprengkraft
des Films: Er zeigt, dass popkulturelle Ikonen nicht verschwinden,
nur weil sich der normative Rahmen verschiebt. Sie bleiben als Projektionen,
als Mahnmale einer Zeit, die nie wirklich vergangen ist. Und erleben
gerade in Krisen und Verunsicherungen eine Renaissance – nicht
trotz, sondern wegen ihrer vermeintlichen Einfachheit.
FAZIT
„Stromberg – Wieder alles wie immer“ ist deshalb
weniger ein Revival als eine Diagnose: ein Spiegel der Gegenwart,
die in ihrem kulturellen Rückgriff ihren eigenen Orientierungsschwund
offenbart. Der Film liefert keine bequemen Antworten, aber er formuliert
ein präzises, zuweilen bitteres Bild einer Gesellschaft, die
zwischen Fortschrittsanspruch und nostalgischer Rückwärtsgewandtheit
taumelt. Wer eine harmlose Nostalgiekomödie erwartet, wird enttäuscht
– doch wer bereit ist, Stromberg als kulturkritisches Experiment
zu betrachten, erhält ein erstaunlich vielschichtiges Werk über
Wandel, Widerstand und die Beharrungskräfte alter Muster.
STROMBERG - WIEDER ALLES WIE IMMER
Start:
04.12.25 | FSK 12
R: Arne Feldhusen | D: Christoph Maria Herbst, Bjarne Mädel,
Oliver Wnuk
Deutschland 2024 | Filmwelt