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KINO | 17.12.2025

AVATAR: FIRE AND ASH

Mit AVATAR: FIRE AND ASH treibt James Cameron sein monumentales Weltentableau weiter voran – zwischen überwältigender Bildmacht und erzählerischer Erstarrung. Der Film entfaltet ein neues ideologisches und ästhetisches Spannungsfeld, ohne die bekannten Muster wirklich zu verlassen.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved.

AVATAR: FIRE AND ASH, der am 17. Dezember in den Kinos gestartet ist, setzt James Camerons epochenübergreifendes Projekt konsequent fort. Wie seine Vorgänger versteht sich der Film weniger als abgeschlossenes Einzelwerk denn als weiteres Kapitel eines fortlaufenden Mythos, der Kino nicht nur erzählen, sondern als immersives Glaubenssystem erfahrbar machen will. Cameron denkt Avatar nicht seriell im klassischen Sinn, sondern kosmologisch: als Welt, die sich erweitert, verdichtet und mit jeder neuen Iteration ihre eigene Schwerkraft entfaltet. Inhaltlich schließt der Film an die bekannten Konfliktlinien an. Der Kampf zwischen den Na’vi und den menschlichen Invasoren bleibt das ideologische Zentrum, nun jedoch erweitert um das Element des Feuers – sowohl als physische Kraft wie auch als weltanschauliches Prinzip. Mit dem Mangkwan-Clan und seiner Anführerin Varang führt Cameron eine Gemeinschaft ein, deren Überlebensethos nicht auf Harmonie, sondern auf Dominanz gründet. Damit verschiebt sich der moralische Diskurs innerhalb der Na’vi-Welt selbst: Die klare Dichotomie von naturverbundener Indigenität und kolonialer Aggression wird partiell aufgebrochen, ohne allerdings vollständig neu gedacht zu werden. Erzählerisch bleibt Cameron seiner opernhaften Dramaturgie treu. Jake Sully steht erneut vor der Frage, was Führung im Angesicht existenzieller Bedrohung bedeutet. Ein zentrales Opferdilemma verleiht dem Film kurzfristig emotionale Schärfe und erinnert daran, dass Camerons Kino stets vom Pathos des Entscheidens lebt. Auch die erneute Konfrontation mit Quaritch, dessen Rückkehr längst zum Markenzeichen der Reihe geworden ist, besitzt eine archetypische Wucht, die bewusst auf Wiederholung und Spiegelung setzt. Gleichzeitig offenbart sich hier eine der zentralen Schwächen des Films: Die Figuren sind weniger psychologische Subjekte als narrative Funktionen innerhalb eines gigantischen Maschinenraums. Quaritchs Entscheidungen wirken mitunter weniger aus innerer Logik geboren als aus der Notwendigkeit, das serielle Gefüge am Laufen zu halten. Der Film denkt bereits über sich hinaus, was seine Gegenwart dramaturgisch belastet. Unbestritten bleibt die visuelle Ambition von FIRE AND ASH. Camerons digitale Welt ist von einer Detailversessenheit, die ihresgleichen sucht. Lava, Asche, organische Architektur und eruptive Landschaften formen ein visuelles Spektakel von nahezu geologischer Monumentalität. Gleichzeitig erzeugt gerade diese Perfektion eine eigentümliche Distanz.


© 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Die hyperglatte, hochauflösende Bildästhetik lässt Pandora weniger wie einen lebendigen Ort wirken als wie eine permanent animierte Demonstration technologischer Möglichkeiten. Wenn reale Schauspielergesichter in diese Welt treten, entsteht ein Bruch, der nicht nur ästhetisch, sondern auch emotional irritiert. Die menschlichen Figuren wirken fremd in einer Welt, die längst vollständig digital denkt. Hier offenbart sich ein paradoxes Moment des Avatar-Kinos: Es strebt nach maximaler Immersion und erzeugt zugleich eine museale Künstlichkeit, die den Zuschauer eher staunen als fühlen lässt. Thematisch bleibt Cameron seinem ökologischen und antikolonialen Anliegen verpflichtet. Doch so klar diese Haltung formuliert ist, so wenig entwickelt sie sich weiter. FIRE AND ASH variiert bekannte Motive – Ausbeutung, Widerstand, spirituelle Verbundenheit –, ohne ihnen neue philosophische Tiefe zu verleihen. Der Film besitzt Momente echter dramatischer Zuspitzung, doch insgesamt verharrt er in einem erzählerischen Kreislauf, der weniger Erkenntnis als Bestätigung produziert. Gerade darin liegt die Ambivalenz dieses Films. AVATAR: FIRE AND ASH ist weder ein künstlerischer Fehlschlag noch ein erzählerischer Durchbruch. Er ist das, was das Avatar-Universum mittlerweile ausmacht: ein überwältigendes audiovisuelles Ereignis, das sich der Kritik nahezu entzieht, weil es nicht argumentiert, sondern behauptet. Cameron baut weiter an einem kolossalen Bauwerk, das weniger auf Diskurs als auf Dauer angelegt ist. AVATAR: FIRE AND ASH demonstriert eindrucksvoll die Möglichkeiten eines Kinos jenseits aller materiellen Grenzen, ringt jedoch weiterhin mit der Frage nach erzählerischer Notwendigkeit. Zwischen hypnotischer Bildmacht und dramaturgischer Behäbigkeit bleibt der Film ein Monument des zeitgenössischen Blockbuster-Kinos – faszinierend, ermüdend und unerschütterlich zugleich.

Mit Avatar hat James Cameron nicht nur eine der kommerziell erfolgreichsten Filmreihen der Kinogeschichte geschaffen, sondern ein audiovisuelles Weltmodell, das den Anspruch erhebt, Kino als Totalerfahrung neu zu definieren. Spätestens mit dem dritten Teil ist jedoch deutlich geworden, dass Größe allein kein Garant für narrative Bewegung ist. Die angekündigten Fortsetzungen Avatar 4 und Avatar 5 stehen somit vor einer entscheidenden Herausforderung: Sie müssen beweisen, dass das Franchise mehr ist als die fortlaufende Variation eines einmal etablierten Mythos. Camerons zyklisches Denken ist kein Geheimnis. Die Avatar-Filme folgen einer klaren kosmologischen Logik, in der Elemente, Lebensräume und Glaubenssysteme schrittweise erschlossen werden. Nach Wald, Wasser und Feuer liegt es nahe, dass die kommenden Filme weitere existenzielle Sphären erschließen – nicht nur geophysisch, sondern ideologisch. Denkbar ist, dass Avatar 4 den Blick erstmals systematisch von Pandora weg und zurück auf die Menschheit richtet: auf eine Erde, die nicht länger nur als abstrakter Ursprung der Invasoren existiert, sondern als konkrete Zivilisation im moralischen und ökologischen Niedergang.


© 2025 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Ein solcher Perspektivwechsel wäre mehr als ein erzählerischer Kunstgriff. Er könnte das bisher binäre Weltbild des Franchise aufbrechen und die Frage neu stellen, ob Pandora tatsächlich das moralische Zentrum dieses Universums ist – oder lediglich ein Gegenbild, das die Defizite der menschlichen Zivilisation spiegelt, ohne sie zu überwinden. Teil 5 wiederum könnte den logischen Kulminationspunkt dieser Entwicklung markieren: nicht als finale Schlacht, sondern als philosophische Konfrontation. Wenn Cameron seinem Werk eine nachhaltige Bedeutung verleihen will, müsste er den Mut aufbringen, die Na’vi nicht länger ausschließlich als moralische Projektionsfläche zu inszenieren. Ihre Kultur, bislang idealisiert, müsste Ambivalenzen offenbaren, die über interne Machtkämpfe hinausgehen. Erst in der Anerkennung von Widersprüchen könnte das Avatar-Universum jene Reife erlangen, die ihm bislang nur ästhetisch, nicht aber narrativ zugesprochen werden kann. Ein mögliches Szenario wäre eine fundamentale Infragestellung von Eywa selbst – nicht als destruktiver Akt, sondern als philosophische Provokation. Was geschieht, wenn das vermeintlich harmonische Gleichgewicht zur Grenze wird? Wenn Bewahrung und Stillstand ununterscheidbar werden? Hier läge die Chance, das Franchise aus der moralischen Komfortzone zu führen, in der es sich bislang eingerichtet hat. Parallel dazu steht Cameron vor einer weiteren Herausforderung: der eigenen technischen Avantgarde. Die Innovationskraft, die Avatar einst definierte, droht zur Routine zu werden.

Teil 4 und 5 müssen sich daher nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch neu legitimieren. Denkbar wäre eine bewusst reduzierte Bildsprache in zentralen Momenten – eine Rücknahme des Spektakels zugunsten von Intimität und narrativer Konzentration. Gerade in einem Universum, das von digitaler Überfülle geprägt ist, könnte das Fragmentarische, Unvollständige zur radikalsten ästhetischen Entscheidung werden. Letztlich wird sich an Avatar 4 und 5 entscheiden, wie das Franchise in die Filmgeschichte eingehen wird: als visionäres Langzeitexperiment, das seine eigene Mythologie immer wieder hinterfragt – oder als perfektionierter Kreislauf, der seine Themen reproduziert, ohne sie weiterzudenken. Cameron besitzt nach wie vor die Macht und die Mittel, diesen Unterschied herzustellen. Ob er auch den Willen hat, bleibt offen. Die Zukunft von Avatar liegt nicht in der weiteren Ausdehnung seines Universums, sondern in seiner inneren Verdichtung. Erst wenn das Franchise den Mut aufbringt, sich selbst infrage zu stellen, kann es das werden, was es immer sein wollte: nicht nur ein Monument des Blockbuster-Kinos, sondern ein moderner Mythos mit echter historischer Tiefe.


AVATAR: FIRE AND ASH

Start: 17.12.25 | FSK 12
R: James Cameron | D: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver
USA 2025 | Walt Disney Germany


 


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