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KINO | 31.12.2025

JOHN WICK

Mit „John Wick“ etablierte das zeitgenössische Actionkino eine neue Grammatik der Gewalt. Der Film verbindet choreografische Präzision mit mythologischer Tiefenschärfe. Am 06. Januar kehrt dieser moderne Klassiker im Rahmen von „Best of Cinema“ auf die große Leinwand zurück.

von Franziska Keil


© JOHN WICK PPNY, INC.

Als „John Wick“ 2014 in die Kinos kam, schien er auf den ersten Blick ein weiterer Rachethriller im Gefolge unzähliger Genrebeiträge zu sein. Doch bereits wenige Minuten genügen, um deutlich zu machen, dass hier etwas grundlegend anderes verhandelt wird: weniger die Eskalation der Gewalt als vielmehr ihre Form, weniger das Spektakel als vielmehr seine innere Logik. „John Wick“ ist kein Film über Action – er ist ein Film über die Idee von Action selbst. Im Zentrum steht eine radikal reduzierte Ausgangssituation. John Wick, ein ehemaliger Auftragskiller, wird aus seiner selbstgewählten Trauer und Isolation gerissen, als letzte emotionale Bindungen zerstört werden. Diese narrative Knappheit ist kein Mangel, sondern Programm. Der Film verzichtet bewusst auf psychologische Übererklärung und setzt stattdessen auf archetypische Klarheit. John Wick wird nicht analysiert, sondern gesetzt – als Figur, deren Vergangenheit weniger erzählt als gespürt wird. Genau darin liegt die Kraft dieser Inszenierung. Regisseur Chad Stahelski, selbst aus dem Stuntbereich kommend, entwirft Action nicht als chaotische Explosion, sondern als präzise Choreografie. Jede Bewegung, jeder Schuss, jeder Schlag folgt einer klaren räumlichen und rhythmischen Ordnung. Die Kamera bleibt lesbar, die Montage respektiert den Körper im Raum. Damit grenzt sich „John Wick“ deutlich von der zerhackten Bildsprache vieler Actionproduktionen der frühen 2000er Jahre ab und knüpft zugleich an Traditionen des Hongkong-Kinos und des klassischen Martial-Arts-Films an. Gewalt wird nicht verschleiert, sondern strukturiert. Besonders bemerkenswert ist die Welt, in der sich diese Gewalt entfaltet. Das geheime Netzwerk der Auftragskiller, mit seinen eigenen Regeln, Ritualen und Institutionen, verleiht dem Film eine beinahe mythische Dimension.


© JOHN WICK PPNY, INC.

Hotels, Münzen, Ehrenkodizes – all diese Elemente formen ein Paralleluniversum, das weniger realistisch als konsequent wirkt. „John Wick“ erzählt nicht von unserer Welt, sondern von einer streng codierten Unterwelt, deren innere Logik unangreifbar erscheint. Diese Selbstverständlichkeit der Setzungen macht den Film so überzeugend: Er erklärt wenig, aber behauptet alles mit maximaler Sicherheit. Keanu Reeves’ Darstellung ist dabei zentral für die Wirkung des Films. Seine Zurückhaltung, seine physische Präsenz und seine fast stoische Mimik verleihen John Wick eine melancholische Würde. Er ist kein zynischer Held, sondern eine Figur der Erschöpfung. Die Gewalt, die er ausübt, wirkt nie triumphal, sondern funktional – als notwendige Bewegung innerhalb eines Systems, dem er sich längst entzogen glaubte. Reeves’ Spiel verbindet körperliche Präzision mit emotionaler Leere und macht John Wick zu einer der ikonischsten Figuren des modernen Genrekinos. Filmgeschichtlich markiert „John Wick“ einen Wendepunkt. Er rehabilitiert das handwerklich gedachte Actionkino, das auf Training, Körperlichkeit und Raumgefühl setzt, und widerspricht damit einer zunehmend digitalen Entkörperlichung des Genres. Zugleich begründet er ein Franchise, das nicht auf narrative Überladung, sondern auf stilistische Konsequenz setzt. Die späteren Fortsetzungen erweitern das Universum, doch der erste Film bleibt der reinste Ausdruck dieser neuen Ästhetik: konzentriert, kontrolliert und von fast klassischer Strenge. Dass „John Wick“ am 06. Januar im Rahmen der „Best of Cinema“-Reihe erneut im Kino zu sehen ist, unterstreicht seine nachhaltige Bedeutung. Dieser Film gehört auf die große Leinwand, nicht allein wegen seiner visuellen Eleganz, sondern wegen seines präzisen Zusammenspiels von Bewegung, Raum und Rhythmus. „John Wick“ ist längst mehr als ein Actionfilm – er ist ein Referenzpunkt, an dem sich ein ganzes Genre neu ausgerichtet hat.


JOHN WICK

Wiederaufführungstermin: 06.01.26
R: David Leitch, Chad Stahelski | D: Keanu Reeves, Michael Nyqvist, Alfie Allen
Kanada, China, USA 2014 | StudioCanal Deutschland


 


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