Mit „John
Wick“ etablierte das zeitgenössische Actionkino eine neue
Grammatik der Gewalt. Der Film verbindet choreografische Präzision
mit mythologischer Tiefenschärfe. Am 06. Januar kehrt dieser
moderne Klassiker im Rahmen von „Best of Cinema“ auf die
große Leinwand zurück.
Als
„John Wick“ 2014 in die Kinos kam, schien er auf den ersten
Blick ein weiterer Rachethriller im Gefolge unzähliger Genrebeiträge
zu sein. Doch bereits wenige Minuten genügen, um deutlich zu
machen, dass hier etwas grundlegend anderes verhandelt wird: weniger
die Eskalation der Gewalt als vielmehr ihre Form, weniger das Spektakel
als vielmehr seine innere Logik. „John Wick“ ist kein
Film über Action – er ist ein Film über die Idee von
Action selbst. Im Zentrum steht eine radikal reduzierte Ausgangssituation.
John Wick, ein ehemaliger Auftragskiller, wird aus seiner selbstgewählten
Trauer und Isolation gerissen, als letzte emotionale Bindungen zerstört
werden. Diese narrative Knappheit ist kein Mangel, sondern Programm.
Der Film verzichtet bewusst auf psychologische Übererklärung
und setzt stattdessen auf archetypische Klarheit. John Wick wird nicht
analysiert, sondern gesetzt – als Figur, deren Vergangenheit
weniger erzählt als gespürt wird. Genau darin liegt die
Kraft dieser Inszenierung. Regisseur Chad Stahelski, selbst aus dem
Stuntbereich kommend, entwirft Action nicht als chaotische Explosion,
sondern als präzise Choreografie. Jede Bewegung, jeder Schuss,
jeder Schlag folgt einer klaren räumlichen und rhythmischen Ordnung.
Die Kamera bleibt lesbar, die Montage respektiert den Körper
im Raum. Damit grenzt sich „John Wick“ deutlich von der
zerhackten Bildsprache vieler Actionproduktionen der frühen 2000er
Jahre ab und knüpft zugleich an Traditionen des Hongkong-Kinos
und des klassischen Martial-Arts-Films an. Gewalt wird nicht verschleiert,
sondern strukturiert. Besonders bemerkenswert ist die Welt, in der
sich diese Gewalt entfaltet. Das geheime Netzwerk der Auftragskiller,
mit seinen eigenen Regeln, Ritualen und Institutionen, verleiht dem
Film eine beinahe mythische Dimension.
Hotels,
Münzen, Ehrenkodizes – all diese Elemente formen ein Paralleluniversum,
das weniger realistisch als konsequent wirkt. „John Wick“
erzählt nicht von unserer Welt, sondern von einer streng codierten
Unterwelt, deren innere Logik unangreifbar erscheint. Diese Selbstverständlichkeit
der Setzungen macht den Film so überzeugend: Er erklärt
wenig, aber behauptet alles mit maximaler Sicherheit. Keanu Reeves’
Darstellung ist dabei zentral für die Wirkung des Films. Seine
Zurückhaltung, seine physische Präsenz und seine fast stoische
Mimik verleihen John Wick eine melancholische Würde. Er ist kein
zynischer Held, sondern eine Figur der Erschöpfung. Die Gewalt,
die er ausübt, wirkt nie triumphal, sondern funktional –
als notwendige Bewegung innerhalb eines Systems, dem er sich längst
entzogen glaubte. Reeves’ Spiel verbindet körperliche Präzision
mit emotionaler Leere und macht John Wick zu einer der ikonischsten
Figuren des modernen Genrekinos. Filmgeschichtlich markiert „John
Wick“ einen Wendepunkt. Er rehabilitiert das handwerklich gedachte
Actionkino, das auf Training, Körperlichkeit und Raumgefühl
setzt, und widerspricht damit einer zunehmend digitalen Entkörperlichung
des Genres. Zugleich begründet er ein Franchise, das nicht auf
narrative Überladung, sondern auf stilistische Konsequenz setzt.
Die späteren Fortsetzungen erweitern das Universum, doch der
erste Film bleibt der reinste Ausdruck dieser neuen Ästhetik:
konzentriert, kontrolliert und von fast klassischer Strenge. Dass
„John Wick“ am 06. Januar im Rahmen der „Best of
Cinema“-Reihe erneut im Kino zu sehen ist, unterstreicht seine
nachhaltige Bedeutung. Dieser Film gehört auf die große
Leinwand, nicht allein wegen seiner visuellen Eleganz, sondern wegen
seines präzisen Zusammenspiels von Bewegung, Raum und Rhythmus.
„John Wick“ ist längst mehr als ein Actionfilm –
er ist ein Referenzpunkt, an dem sich ein ganzes Genre neu ausgerichtet
hat.
JOHN WICK
Wiederaufführungstermin:
06.01.26
R: David Leitch, Chad Stahelski | D: Keanu Reeves, Michael Nyqvist,
Alfie Allen
Kanada, China, USA 2014 | StudioCanal Deutschland