Ein traditionsreicher
Genre-Titel kehrt in unerwarteter Gestalt zurück und wird zum
Spiegelbild zeitgenössischer Franchise-Logiken. Zwischen Metakomödie,
Buddy-Film und ironisch gebrochenem Creature Feature reflektiert „Anaconda“
die Sehnsucht nach künstlerischer Selbstverwirklichung im System
des Blockbuster-Kinos. Ein leises, selbstbewusstes Werk, das weniger
auf Schrecken als auf Selbstbefragung und filmische Selbstreflexion
setzt.
Mit
„Anaconda“, der am 25. Dezember in den Kinos gestartet
ist, kehrt ein vertrauter Titel der Genre-Geschichte in überraschend
verwandelter Gestalt auf die Leinwand zurück. Was einst als abenteuerlich
aufgeladener Creature-Horror der späten 1990er-Jahre firmierte,
präsentiert sich nun als selbstreflexive Komödie, die ihre
eigene Existenzberechtigung ebenso hinterfragt wie die Mechanismen
des modernen Franchise-Kinos. Regisseur Tom Gormican nutzt den bekannten
Namen nicht als bloßes Vehikel für Nostalgie, sondern als
Ausgangspunkt für eine genrespezifische Verschiebung: „Anaconda“
wird zur Metakomödie über das Filmemachen selbst, die sich
spielerisch zwischen Buddy-Film, Hollywood-Satire und sanft ironisiertem
Monsterkino bewegt. Im Zentrum stehen Doug und Griff, zwei Männer,
deren Lebensentwürfe einst von großen Träumen getragen
waren und nun in prekären Kompromissen verharren. Ihre Entscheidung,
ausgerechnet ein Remake von „Anaconda“ auf eigene Faust
zu realisieren, fungiert weniger als narrativer Gag denn als strukturierendes
Motiv: Der Film erzählt von der Sehnsucht nach künstlerischer
Selbstverwirklichung in einer Industrie, die Originalität längst
zur austauschbaren Ware erklärt hat. Damit greift „Anaconda“
ein zentrales Thema der zeitgenössischen Studio-Komödie
auf, die sich nicht mehr allein über Pointen definiert, sondern
über die Reflexion ihrer eigenen Produktionsbedingungen. Der
Genre-Hintergrund des Creature Features wird dabei bewusst entmystifiziert
und in ein humoristisches Spielfeld überführt, in dem Pathos
und Ironie in einem bemerkenswert ausgewogenen Verhältnis stehen.
Genrespezifisch interessant ist vor allem die bewusste Abkehr vom
klassischen Horror. Die Versatzstücke des Tierhorrors –
Bedrohung, Suspense, Eskalation – sind zwar präsent, werden
jedoch nie konsequent ausgespielt. Stattdessen fungieren sie als narrative
Platzhalter, die das komödiantische Zentrum des Films umkreisen.
Die Riesenschlange ist weniger Monstrum als Projektionsfläche:
für gescheiterte Ambitionen, für männliche Midlife-Krisen,
für die absurde Hoffnung, mit einem einzigen Coup doch noch Bedeutung
zu erlangen.
In
dieser Lesart nähert sich „Anaconda“ weniger dem
Horrorfilm als der Tradition der Hollywood-Satire, in der das Genre
nicht ernsthaft bedient, sondern liebevoll unterlaufen wird. Getragen
wird diese Konzeption maßgeblich von der Dynamik zwischen Jack
Black und Paul Rudd. Beide verkörpern ihre Figuren mit einer
Mischung aus Melancholie und komödiantischer Präzision,
die dem Film seine eigentliche emotionale Glaubwürdigkeit verleiht.
Besonders bemerkenswert ist dabei die Zurückhaltung: Anstelle
exzessiver Gags entfaltet sich der Humor oft aus kleinen Gesten, aus
Pausen, aus beiläufigen Dialogmomenten. Gerade hierin knüpft
„Anaconda“ an eine inzwischen rare Spielart der Studio-Komödie
an, die weniger auf Dauerbeschuss als auf rhythmische Feinabstimmung
setzt. Die Montage-Sequenzen des kreativen Prozesses – Schreiben,
Planen, Diskutieren über vermeintliche „Themen“ –
entwickeln dabei eine Selbstironie, die das Filmemachen zugleich verspottet
und verteidigt. Dass der Film seine horrorästhetischen
Möglichkeiten nicht voll ausschöpft, lässt sich durchaus
als bewusste genrestrategische Entscheidung lesen. Die visuellen Effekte
der Schlange bleiben funktional, vermeiden jedoch jene ikonische Körperlichkeit,
die klassische Creature Features auszeichnet. An ihre Stelle tritt
eine glattere, digitale Präsenz, die weniger Schrecken erzeugt
als narrative Zweckmäßigkeit erfüllt. Damit verweigert
sich „Anaconda“ bewusst dem reinen Genrevergnügen
und positioniert sich klar als Komödie mit Genrezitat, nicht
als Hybrid aus Horror und Humor. Diese Entscheidung mag manche Erwartungen
unterlaufen, stärkt jedoch die innere Kohärenz des Films.
In seiner Gesamtheit erweist sich „Anaconda“ als bemerkenswert
mildes, fast altmodisch anmutendes Kinoerlebnis: eine Komödie,
die sich Zeit nimmt, Figuren zu entwickeln, und die ihre Selbstreflexivität
nicht in Zynismus kippen lässt. Gerade im Kontext aktueller Franchise-Produktionen
wirkt dieser Ansatz beinahe subversiv. Der Film erhebt nicht den Anspruch,
das Genre neu zu definieren, sondern begnügt sich damit, es liebevoll
zu kommentieren und für eine andere Erzählabsicht zu öffnen.
So entsteht ein Werk, das weniger durch spektakuläre Höhepunkte
als durch seine grundsympathische Haltung überzeugt – ein
Weihnachtsstart, der nicht auf Überwältigung setzt, sondern
auf ein leises, selbstbewusstes Lächeln über die Absurditäten
des modernen Unterhaltungskinos.
ANACONDA
Start:
25.12.25 | FSK 12
R: Tom Gormican | D: Paul Rudd, Jack Black, Steve Zahn
USA 2025 | Sony Pictures Germany