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KINO | 31.12.2025

ANACONDA

Ein traditionsreicher Genre-Titel kehrt in unerwarteter Gestalt zurück und wird zum Spiegelbild zeitgenössischer Franchise-Logiken. Zwischen Metakomödie, Buddy-Film und ironisch gebrochenem Creature Feature reflektiert „Anaconda“ die Sehnsucht nach künstlerischer Selbstverwirklichung im System des Blockbuster-Kinos. Ein leises, selbstbewusstes Werk, das weniger auf Schrecken als auf Selbstbefragung und filmische Selbstreflexion setzt.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2025 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Mit „Anaconda“, der am 25. Dezember in den Kinos gestartet ist, kehrt ein vertrauter Titel der Genre-Geschichte in überraschend verwandelter Gestalt auf die Leinwand zurück. Was einst als abenteuerlich aufgeladener Creature-Horror der späten 1990er-Jahre firmierte, präsentiert sich nun als selbstreflexive Komödie, die ihre eigene Existenzberechtigung ebenso hinterfragt wie die Mechanismen des modernen Franchise-Kinos. Regisseur Tom Gormican nutzt den bekannten Namen nicht als bloßes Vehikel für Nostalgie, sondern als Ausgangspunkt für eine genrespezifische Verschiebung: „Anaconda“ wird zur Metakomödie über das Filmemachen selbst, die sich spielerisch zwischen Buddy-Film, Hollywood-Satire und sanft ironisiertem Monsterkino bewegt. Im Zentrum stehen Doug und Griff, zwei Männer, deren Lebensentwürfe einst von großen Träumen getragen waren und nun in prekären Kompromissen verharren. Ihre Entscheidung, ausgerechnet ein Remake von „Anaconda“ auf eigene Faust zu realisieren, fungiert weniger als narrativer Gag denn als strukturierendes Motiv: Der Film erzählt von der Sehnsucht nach künstlerischer Selbstverwirklichung in einer Industrie, die Originalität längst zur austauschbaren Ware erklärt hat. Damit greift „Anaconda“ ein zentrales Thema der zeitgenössischen Studio-Komödie auf, die sich nicht mehr allein über Pointen definiert, sondern über die Reflexion ihrer eigenen Produktionsbedingungen. Der Genre-Hintergrund des Creature Features wird dabei bewusst entmystifiziert und in ein humoristisches Spielfeld überführt, in dem Pathos und Ironie in einem bemerkenswert ausgewogenen Verhältnis stehen. Genrespezifisch interessant ist vor allem die bewusste Abkehr vom klassischen Horror. Die Versatzstücke des Tierhorrors – Bedrohung, Suspense, Eskalation – sind zwar präsent, werden jedoch nie konsequent ausgespielt. Stattdessen fungieren sie als narrative Platzhalter, die das komödiantische Zentrum des Films umkreisen. Die Riesenschlange ist weniger Monstrum als Projektionsfläche: für gescheiterte Ambitionen, für männliche Midlife-Krisen, für die absurde Hoffnung, mit einem einzigen Coup doch noch Bedeutung zu erlangen.


© 2025 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

In dieser Lesart nähert sich „Anaconda“ weniger dem Horrorfilm als der Tradition der Hollywood-Satire, in der das Genre nicht ernsthaft bedient, sondern liebevoll unterlaufen wird. Getragen wird diese Konzeption maßgeblich von der Dynamik zwischen Jack Black und Paul Rudd. Beide verkörpern ihre Figuren mit einer Mischung aus Melancholie und komödiantischer Präzision, die dem Film seine eigentliche emotionale Glaubwürdigkeit verleiht. Besonders bemerkenswert ist dabei die Zurückhaltung: Anstelle exzessiver Gags entfaltet sich der Humor oft aus kleinen Gesten, aus Pausen, aus beiläufigen Dialogmomenten. Gerade hierin knüpft „Anaconda“ an eine inzwischen rare Spielart der Studio-Komödie an, die weniger auf Dauerbeschuss als auf rhythmische Feinabstimmung setzt. Die Montage-Sequenzen des kreativen Prozesses – Schreiben, Planen, Diskutieren über vermeintliche „Themen“ – entwickeln dabei eine Selbstironie, die das Filmemachen zugleich verspottet und verteidigt. Dass der Film seine horrorästhetischen Möglichkeiten nicht voll ausschöpft, lässt sich durchaus als bewusste genrestrategische Entscheidung lesen. Die visuellen Effekte der Schlange bleiben funktional, vermeiden jedoch jene ikonische Körperlichkeit, die klassische Creature Features auszeichnet. An ihre Stelle tritt eine glattere, digitale Präsenz, die weniger Schrecken erzeugt als narrative Zweckmäßigkeit erfüllt. Damit verweigert sich „Anaconda“ bewusst dem reinen Genrevergnügen und positioniert sich klar als Komödie mit Genrezitat, nicht als Hybrid aus Horror und Humor. Diese Entscheidung mag manche Erwartungen unterlaufen, stärkt jedoch die innere Kohärenz des Films. In seiner Gesamtheit erweist sich „Anaconda“ als bemerkenswert mildes, fast altmodisch anmutendes Kinoerlebnis: eine Komödie, die sich Zeit nimmt, Figuren zu entwickeln, und die ihre Selbstreflexivität nicht in Zynismus kippen lässt. Gerade im Kontext aktueller Franchise-Produktionen wirkt dieser Ansatz beinahe subversiv. Der Film erhebt nicht den Anspruch, das Genre neu zu definieren, sondern begnügt sich damit, es liebevoll zu kommentieren und für eine andere Erzählabsicht zu öffnen. So entsteht ein Werk, das weniger durch spektakuläre Höhepunkte als durch seine grundsympathische Haltung überzeugt – ein Weihnachtsstart, der nicht auf Überwältigung setzt, sondern auf ein leises, selbstbewusstes Lächeln über die Absurditäten des modernen Unterhaltungskinos.


ANACONDA

Start: 25.12.25 | FSK 12
R: Tom Gormican | D: Paul Rudd, Jack Black, Steve Zahn
USA 2025 | Sony Pictures Germany


 


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