Das
Leben von Andy und seiner Halbschwester Piper ist nicht unbedingt von
Beständigkeit geprägt. Denn nachdem ihr Vater stirbt, stehen
die beiden alleine da. Für Sicherheit soll erst mal eine Pflegemutter
sorgen. Also werde die beiden bei Laura untergebracht. Dort, in ihrem
Landhaus, sollen die beiden wieder zur Ruhe kommen.
Mit
BRING HER BACK legen die australischen Zwillingsregisseure Danny und
Michael Philippou nach ihrem Überraschungserfolg TALK TO ME ihren
zweiten Spielfilm vor – und erweitern ihr filmisches Vokabular
um ein Werk, das sich durch radikale Konsequenz, psychologische Tiefe
und unnachgiebige Düsternis auszeichnet. BRING HER BACK, der
am 14. August in den deutschen Kinos startet, ist ein Film, der fordert
– ästhetisch wie emotional – und sich konsequent
verweigert, als bloßes Unterhaltungsprodukt konsumiert zu werden.
Bereits die Eröffnungssequenz, ein kultisches Ritual von unklarer
Herkunft, deutet an, dass es in diesem Film nicht um Realismus im
engeren Sinne geht – sondern um eine mythologisch grundierte
Parabel auf Verlust und psychische Vereinnahmung. Im Zentrum stehen
Andy und seine sehbehinderte Stiefschwester Piper, die nach dem Tod
ihres Vaters in eine Pflegefamilie aufgenommen werden. Die neue Vormundin
Laura, in eindringlicher Präsenz verkörpert von Sally Hawkins,
offenbart rasch eine unheimliche Agenda: Getrieben von der Trauer
um ihre eigene verstorbene Tochter, manipuliert sie das neue Familiensystem,
um einen rituellen Seelentransfer in Gang zu setzen. Die eigentliche
Spannung des Films liegt nicht im Spektakel, sondern in der zunehmend
klaustrophobischen Dynamik zwischen den Figuren. Das Trauma wird nicht
ausgestellt, sondern subtil inszeniert – eine unmerklich sich
verdichtende Atmosphäre permanenter Bedrohung. Die Philippou-Brüder
verweigern dem Publikum bewusst jene narrativen Entlastungsmechanismen,
die das Horrorgenre gemeinhin anbietet. Es gibt keinen finalen Twist,
kein kathartisches Erlösungsmoment, keine klar definierte moralische
Instanz. Stattdessen nähert sich BRING HER BACK einer Art spirituellem
Nihilismus, in dem jedes Hoffnungssignal von der tristen Realität
ausradiert wird. Das Ergebnis ist eine ungemütliche Seherfahrung
– aber auch eine bemerkenswert kompromisslose Reflexion über
das Verhältnis von Schmerz und Macht, insbesondere im Kontext
elterlicher Obsessionen.
Der
Cast trägt diesen Film mit außerordentlicher Präzision.
Sally Hawkins gelingt das Kunststück, ihrer Figur gleichzeitig
Wärme und Abgründigkeit zu verleihen. Ihre Laura ist keine
klassische Antagonistin, sondern eine trauernde Frau, deren Liebe
zur Tochter sich ins Pathologische verzerrt. Billy Barratt als Andy
überzeugt mit authentischer Körperlichkeit und emotionaler
Tiefe – er verleiht seiner Figur ein jugendliches Aufbegehren,
das sich zunehmend in Verzweiflung wandelt. Jonah Wren Phillips als
stummer Pflegesohn Ollie bleibt im Hintergrund und ist doch stets
bedrohlich präsent. Und Sora Wong gibt als Piper ihr Debüt
in einer Rolle, die weniger durch Dialog als durch Verletzlichkeit
definiert ist – ein Versprechen für zukünftige Projekte.
Neben der schauspielerischen Leistung verdient auch das visuelle Konzept
Beachtung. Die Masken- und Make-up-Arbeit ist pointiert, nie effekthascherisch,
sondern organisch eingebettet in die Logik des Erzählens. Der
Schrecken hat hier stets eine körperliche Entsprechung –
als Riss, als Verletzung, als überzeichnete Wunde. Er wird nicht
zelebriert, sondern als symptomatische Manifestation einer zerstörten
Ordnung behandelt. BRING HER BACK ist kein Werk, das sich beliebig
empfehlen ließe. Es verweigert emotionale Identifikation, fordert
Geduld, lässt zentrale Fragen unbeantwortet. Doch gerade diese
radikale Zurückhaltung macht es zu einem ernstzunehmenden Beitrag
zum psychologischen Horrorkino der Gegenwart. Die Philippou-Brüder
inszenieren keine Monster, sondern Menschen, die durch ihre Verluste
deformiert wurden. Ihre Welt ist eine, in der Schmerz keine Bedeutung
mehr hat – nur Funktion. Ob man diesen Weg mitgehen will, ist
eine Frage der individuellen Bereitschaft. Doch das BRING HER BACK
ein Werk von künstlerischer Kohärenz und konzeptioneller
Tiefe ist, steht außer Zweifel. Es markiert einen düsteren
Meilenstein in der filmischen Auseinandersetzung mit Trauer und Obsession
– und lässt hoffen, dass das Regie-Duo in Zukunft Wege
findet, ihre eindrucksvolle Handschrift mit erzählerischer Tiefe
zu verbinden.
BRING HER BACK
Start:
14.08.25 | FSK 18
R: Michael Philippou, Danny Philippou | D: Sally Hawkins, Billy
Barratt, Sora Wong
Australien 2025 | Sony Pictures Germany