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KINO | 06.08.2025

BRING HER BACK

Das Leben von Andy und seiner Halbschwester Piper ist nicht unbedingt von Beständigkeit geprägt. Denn nachdem ihr Vater stirbt, stehen die beiden alleine da. Für Sicherheit soll erst mal eine Pflegemutter sorgen. Also werde die beiden bei Laura untergebracht. Dort, in ihrem Landhaus, sollen die beiden wieder zur Ruhe kommen.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Mit BRING HER BACK legen die australischen Zwillingsregisseure Danny und Michael Philippou nach ihrem Überraschungserfolg TALK TO ME ihren zweiten Spielfilm vor – und erweitern ihr filmisches Vokabular um ein Werk, das sich durch radikale Konsequenz, psychologische Tiefe und unnachgiebige Düsternis auszeichnet. BRING HER BACK, der am 14. August in den deutschen Kinos startet, ist ein Film, der fordert – ästhetisch wie emotional – und sich konsequent verweigert, als bloßes Unterhaltungsprodukt konsumiert zu werden. Bereits die Eröffnungssequenz, ein kultisches Ritual von unklarer Herkunft, deutet an, dass es in diesem Film nicht um Realismus im engeren Sinne geht – sondern um eine mythologisch grundierte Parabel auf Verlust und psychische Vereinnahmung. Im Zentrum stehen Andy und seine sehbehinderte Stiefschwester Piper, die nach dem Tod ihres Vaters in eine Pflegefamilie aufgenommen werden. Die neue Vormundin Laura, in eindringlicher Präsenz verkörpert von Sally Hawkins, offenbart rasch eine unheimliche Agenda: Getrieben von der Trauer um ihre eigene verstorbene Tochter, manipuliert sie das neue Familiensystem, um einen rituellen Seelentransfer in Gang zu setzen. Die eigentliche Spannung des Films liegt nicht im Spektakel, sondern in der zunehmend klaustrophobischen Dynamik zwischen den Figuren. Das Trauma wird nicht ausgestellt, sondern subtil inszeniert – eine unmerklich sich verdichtende Atmosphäre permanenter Bedrohung. Die Philippou-Brüder verweigern dem Publikum bewusst jene narrativen Entlastungsmechanismen, die das Horrorgenre gemeinhin anbietet. Es gibt keinen finalen Twist, kein kathartisches Erlösungsmoment, keine klar definierte moralische Instanz. Stattdessen nähert sich BRING HER BACK einer Art spirituellem Nihilismus, in dem jedes Hoffnungssignal von der tristen Realität ausradiert wird. Das Ergebnis ist eine ungemütliche Seherfahrung – aber auch eine bemerkenswert kompromisslose Reflexion über das Verhältnis von Schmerz und Macht, insbesondere im Kontext elterlicher Obsessionen.


© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Der Cast trägt diesen Film mit außerordentlicher Präzision. Sally Hawkins gelingt das Kunststück, ihrer Figur gleichzeitig Wärme und Abgründigkeit zu verleihen. Ihre Laura ist keine klassische Antagonistin, sondern eine trauernde Frau, deren Liebe zur Tochter sich ins Pathologische verzerrt. Billy Barratt als Andy überzeugt mit authentischer Körperlichkeit und emotionaler Tiefe – er verleiht seiner Figur ein jugendliches Aufbegehren, das sich zunehmend in Verzweiflung wandelt. Jonah Wren Phillips als stummer Pflegesohn Ollie bleibt im Hintergrund und ist doch stets bedrohlich präsent. Und Sora Wong gibt als Piper ihr Debüt in einer Rolle, die weniger durch Dialog als durch Verletzlichkeit definiert ist – ein Versprechen für zukünftige Projekte. Neben der schauspielerischen Leistung verdient auch das visuelle Konzept Beachtung. Die Masken- und Make-up-Arbeit ist pointiert, nie effekthascherisch, sondern organisch eingebettet in die Logik des Erzählens. Der Schrecken hat hier stets eine körperliche Entsprechung – als Riss, als Verletzung, als überzeichnete Wunde. Er wird nicht zelebriert, sondern als symptomatische Manifestation einer zerstörten Ordnung behandelt. BRING HER BACK ist kein Werk, das sich beliebig empfehlen ließe. Es verweigert emotionale Identifikation, fordert Geduld, lässt zentrale Fragen unbeantwortet. Doch gerade diese radikale Zurückhaltung macht es zu einem ernstzunehmenden Beitrag zum psychologischen Horrorkino der Gegenwart. Die Philippou-Brüder inszenieren keine Monster, sondern Menschen, die durch ihre Verluste deformiert wurden. Ihre Welt ist eine, in der Schmerz keine Bedeutung mehr hat – nur Funktion. Ob man diesen Weg mitgehen will, ist eine Frage der individuellen Bereitschaft. Doch das BRING HER BACK ein Werk von künstlerischer Kohärenz und konzeptioneller Tiefe ist, steht außer Zweifel. Es markiert einen düsteren Meilenstein in der filmischen Auseinandersetzung mit Trauer und Obsession – und lässt hoffen, dass das Regie-Duo in Zukunft Wege findet, ihre eindrucksvolle Handschrift mit erzählerischer Tiefe zu verbinden.


BRING HER BACK

Start: 14.08.25 | FSK 18
R: Michael Philippou, Danny Philippou | D: Sally Hawkins, Billy Barratt, Sora Wong
Australien 2025 | Sony Pictures Germany


 


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