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KINO | 29.08.2025

CAUGHT STEALING

Hank Thomas war in der Highschool ein Baseball-Wunderkind. Jetzt kann er zwar nicht mehr spielen, aber sonst läuft sein Leben okay. Er hat eine tolle Freundin, ist Barkeeper in einer New Yorker Kneipe und sein Lieblingsteam kämpft als Außenseiter um den Titel.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.

Mit dem am 28. August in den Kinos gestarteten Spielfilm „Caught Stealing“ wagt sich Darren Aronofsky an die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Charlie Huston – und legt ein Werk vor, das gleichermaßen als urbanes Crime-Drama, groteske Körperparabel und Reflexion über das Scheitern moderner Existenzen gelesen werden kann. Dabei verankert sich der Film tief im filmhistorischen Gefüge: in der Tradition des amerikanischen Neo-Noir, in der Auseinandersetzung mit New York als mythischem Schauplatz und nicht zuletzt im Rahmen von Aronofskys eigenem Œuvre. Schon die Grundkonstellation verweist deutlich auf die Tradition des Film Noir: ein desillusionierter Antiheld, verstrickt in eine Spirale aus Gewalt, Verrat und falschen Entscheidungen. Doch Aronofsky bricht mit der eleganten Schwärze des klassischen Film Noir und inszeniert stattdessen ein übersteigertes Tableau, das an die Grenzgänger des modernen Kinos erinnert – von Martin Scorseses „Hexenkessel“ bis zu den exzessiven Großstadttragödien der 1990er Jahre. Indem „Caught Stealing“ seine Heldenfigur nicht als listigen Einzelkämpfer, sondern als beinahe passiven Spielball einer grotesken Welt entwirft, transformiert er das Genre in eine nihilistische Parabel. Hank Thompson ist nicht der klassische Noir-Detektiv, der in moralischen Grauzonen navigiert, sondern ein orientierungsloser Körper im Mahlstrom einer Stadt, die keine Orientierung zulässt. New York war seit jeher Projektionsfläche filmischer Obsessionen – von der melancholischen Romantisierung Woody Allens über die kriminelle Härte der 1970er-Jahre-Thriller bis hin zu den hyperrealen Exzessen der Popkultur. Aronofsky reiht sich hier in eine filmische Tradition ein, die die Metropole nicht bloß abbildet, sondern ins Mythische überhöht.


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Sein New York des Jahres 1998 ist keine dokumentarische Rekonstruktion, sondern ein surreales Zerrbild: Neonlichter, überzeichnete Milieus und Figuren wie Maskenträger einer urbanen Groteske. Indem jede Figur zum Typus reduziert erscheint – „der Cop“, „der Gangster“, „die Exzentrikerin“ –, rückt Aronofsky die Stadt selbst ins Zentrum. Sie ist ein Moloch, ein permanentes Maskenspiel, eine Bühne, auf der Authentizität kaum mehr möglich scheint. Die filmhistorische Signatur Aronofskys ist seit „Pi“ (1998) und „Requiem for a Dream“ (2000) unübersehbar: sein unnachgiebiges Interesse am Körper als Projektionsfläche innerer Zerrissenheit. In „Caught Stealing“ wird dieser Ansatz in grotesker Radikalität weitergeführt. Der geschundene Körper Hanks, seine Verletzungen, Operationen und Exzesse fungieren nicht als Sensation, sondern als Metaphern für eine Existenz, die von Zerfall und Überleben zugleich geprägt ist. Verglichen mit „The Wrestler“ (2008) oder „Black Swan“ (2010), wo Körper ebenfalls an die Grenze der Zerstörung getrieben werden, betont „Caught Stealing“ stärker die Absurdität und den schwarzen Humor dieser Zersetzung. Das Leiden wird hier zur grotesken Farce, zum bitteren Witz – und verweist damit auf eine Linie, die ebenso bei den Coen-Brüdern wie bei Quentin Tarantino anklingt, jedoch mit Aronofskys ureigener existenzieller Schwere verschränkt wird. Filmgeschichtlich bemerkenswert ist die Struktur des Werks: Die narrative Überfrachtung der ersten beiden Akte erinnert an die Überfülle des 1970er-Jahre-Kinos, das weniger auf Stringenz als auf Exzess setzte. Erst im Finale kondensiert sich der filmische Overload in eine klare Form. Dieses Moment der Katharsis verbindet Aronofsky mit dem klassischen dramaturgischen Bogen des Melodrams – das Chaos dient nicht der Desorientierung, sondern führt zu einer Art grotesker Offenbarung.


CAUGHT STEALING

Start: 28.08.25 | FSK 16
R: Darren Aronofsky | D: Austin Butler, Regina King, Zoë Kravitz
USA 2025 | Sony Pictures Germany


 


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