Hank
Thomas war in der Highschool ein Baseball-Wunderkind. Jetzt kann er
zwar nicht mehr spielen, aber sonst läuft sein Leben okay. Er
hat eine tolle Freundin, ist Barkeeper in einer New Yorker Kneipe
und sein Lieblingsteam kämpft als Außenseiter um den Titel.
Mit
dem am 28. August in den Kinos gestarteten Spielfilm „Caught
Stealing“ wagt sich Darren Aronofsky an die Verfilmung des gleichnamigen
Romans von Charlie Huston – und legt ein Werk vor, das gleichermaßen
als urbanes Crime-Drama, groteske Körperparabel und Reflexion
über das Scheitern moderner Existenzen gelesen werden kann. Dabei
verankert sich der Film tief im filmhistorischen Gefüge: in der
Tradition des amerikanischen Neo-Noir, in der Auseinandersetzung mit
New York als mythischem Schauplatz und nicht zuletzt im Rahmen von
Aronofskys eigenem Œuvre. Schon die Grundkonstellation verweist
deutlich auf die Tradition des Film Noir: ein desillusionierter Antiheld,
verstrickt in eine Spirale aus Gewalt, Verrat und falschen Entscheidungen.
Doch Aronofsky bricht mit der eleganten Schwärze des klassischen
Film Noir und inszeniert stattdessen ein übersteigertes Tableau,
das an die Grenzgänger des modernen Kinos erinnert – von
Martin Scorseses „Hexenkessel“ bis zu den exzessiven Großstadttragödien
der 1990er Jahre. Indem „Caught Stealing“ seine Heldenfigur
nicht als listigen Einzelkämpfer, sondern als beinahe passiven
Spielball einer grotesken Welt entwirft, transformiert er das Genre
in eine nihilistische Parabel. Hank Thompson ist nicht der klassische
Noir-Detektiv, der in moralischen Grauzonen navigiert, sondern ein
orientierungsloser Körper im Mahlstrom einer Stadt, die keine
Orientierung zulässt. New York war seit jeher Projektionsfläche
filmischer Obsessionen – von der melancholischen Romantisierung
Woody Allens über die kriminelle Härte der 1970er-Jahre-Thriller
bis hin zu den hyperrealen Exzessen der Popkultur. Aronofsky reiht
sich hier in eine filmische Tradition ein, die die Metropole nicht
bloß abbildet, sondern ins Mythische überhöht.
Sein
New York des Jahres 1998 ist keine dokumentarische Rekonstruktion,
sondern ein surreales Zerrbild: Neonlichter, überzeichnete Milieus
und Figuren wie Maskenträger einer urbanen Groteske. Indem jede
Figur zum Typus reduziert erscheint – „der Cop“,
„der Gangster“, „die Exzentrikerin“ –,
rückt Aronofsky die Stadt selbst ins Zentrum. Sie ist ein Moloch,
ein permanentes Maskenspiel, eine Bühne, auf der Authentizität
kaum mehr möglich scheint. Die filmhistorische Signatur Aronofskys
ist seit „Pi“ (1998) und „Requiem for a Dream“
(2000) unübersehbar: sein unnachgiebiges Interesse am Körper
als Projektionsfläche innerer Zerrissenheit. In „Caught
Stealing“ wird dieser Ansatz in grotesker Radikalität weitergeführt.
Der geschundene Körper Hanks, seine Verletzungen, Operationen
und Exzesse fungieren nicht als Sensation, sondern als Metaphern für
eine Existenz, die von Zerfall und Überleben zugleich geprägt
ist. Verglichen mit „The Wrestler“ (2008) oder „Black
Swan“ (2010), wo Körper ebenfalls an die Grenze der Zerstörung
getrieben werden, betont „Caught Stealing“ stärker
die Absurdität und den schwarzen Humor dieser Zersetzung. Das
Leiden wird hier zur grotesken Farce, zum bitteren Witz – und
verweist damit auf eine Linie, die ebenso bei den Coen-Brüdern
wie bei Quentin Tarantino anklingt, jedoch mit Aronofskys ureigener
existenzieller Schwere verschränkt wird. Filmgeschichtlich bemerkenswert
ist die Struktur des Werks: Die narrative Überfrachtung der ersten
beiden Akte erinnert an die Überfülle des 1970er-Jahre-Kinos,
das weniger auf Stringenz als auf Exzess setzte. Erst im Finale kondensiert
sich der filmische Overload in eine klare Form. Dieses Moment der
Katharsis verbindet Aronofsky mit dem klassischen dramaturgischen
Bogen des Melodrams – das Chaos dient nicht der Desorientierung,
sondern führt zu einer Art grotesker Offenbarung.
CAUGHT STEALING
Start:
28.08.25 | FSK 16
R: Darren Aronofsky | D: Austin Butler, Regina King, Zoë Kravitz
USA 2025 | Sony Pictures Germany