Luc
Bessons Oper der Unsterblichkeit
DRACULA – DIE AUFERSTEHUNG
Luc Bessons
„Dracula – Die Auferstehung“ ist kein Horrorfilm,
sondern ein fiebriges Liebesgedicht in Bildern. Caleb Landry Jones
spielt den Vampir als romantischen Dandy – zwischen Schmerz,
Sehnsucht und Größenwahn. Ein barockes, überbordendes
Werk, das das Kino in all seiner exzessiven Schönheit feiert.
Am
23. Oktober startete „Dracula – Die Auferstehung“
in den deutschen Kinos – und kaum ein Film des Jahres lässt
sich so schwer fassen wie dieser. Luc Besson, das Enfant terrible
des europäischen Kinos, hat Bram Stokers klassischen Stoff nicht
neu interpretiert, sondern in einen rauschhaften Traum verwandelt.
Sein Dracula ist weniger Horror als Herzensangelegenheit, weniger
Schauermär als barocke Liebeserklärung an das Kino selbst.
Schon der Originaltitel „Dracula: A Love Tale“ deutet
den wahren Kern dieses Werkes an – und wäre, im Gegensatz
zum deutschen „Die Auferstehung“, die ehrlichere Überschrift.
Denn Besson geht es nicht um die Rückkehr eines Untoten, sondern
um das Fortleben einer Liebe, die über Zeit, Tod und Vernunft
hinausreicht. Sein Film handelt vom unstillbaren Verlangen nach Nähe,
vom romantischen Größenwahn einer Seele, die selbst den
Fluch der Unsterblichkeit in Kauf nimmt, um wiederzufinden, was sie
verloren hat.
Visuell
ist „Dracula – Die Auferstehung“ eine sinfonische
Überwältigung. Von der ersten Einstellung an badet Besson
seine Bilder in satten Farben, in Purpur und Gold, in Schatten und
Flammen. Es ist ein Kino der Sinnlichkeit, der Übersteigerung,
der Opernhaftigkeit. Der Regisseur inszeniert den Vampir nicht als
Monster, sondern als tragischen Liebenden – als Dandy der Nacht,
der weniger vom Blutdurst als von der Sehnsucht verzehrt wird. Caleb
Landry Jones, mit seiner nervösen Körperlichkeit und melancholischen
Intensität, verkörpert diesen Dracula als Figur zwischen
raubtierhafter Wildheit und zerbrechlicher Schönheit. Zoë
Bleu steht ihm in der Doppelrolle von Elisabeta und Mina zur Seite
– eine junge Frau, die gleichermaßen Projektionsfläche
und Gegenkraft ist. Sie trägt die Last des Mythos auf zarten
Schultern, und doch verleiht sie dem Stoff Momente stiller Auflehnung.
Besson inszeniert sie mit Zärtlichkeit, aber auch mit jener patriarchalen
Nostalgie, die seine Filme oft prägt: der Wunsch, das Weibliche
zu retten und zu verklären, ohne es ganz zu verstehen.
Die
Handlung folgt bekannten Motiven – dem Verlust der Geliebten,
der Verfluchung, der Wiederkehr in neuer Gestalt –, doch Besson
macht aus der Vorlage ein eigenes Epos. Wo Coppola 1992 Pathos und
Werkgetreue suchte, sucht Besson das Unberechenbare. Er verwebt Groteske
und Kitsch, Poesie und Exzess zu einem Kinoerlebnis, das zwischen
Größenwahn und kindlicher Verspieltheit oszilliert. Wenn
Dracula ganze Ballsäle in ekstatische Marionetten verwandelt
oder Nonnen in rauschhafte Verzückung stürzt, erinnert das
weniger an klassischen Horror als an eine surrealistische Fantasie,
an ein Ringen zwischen Traum und Wahn. Christoph Waltz bringt als
van-Helsing-artiger Gegenspieler einen Hauch ironischer Erdung in
diese fiebrige Welt. Seine Figur steht für Vernunft und Ordnung,
doch beide verlieren hier jede Bedeutung – gegen die Macht des
Gefühls, gegen das Kino selbst, das sich nicht zähmen lässt.
Gerade
darin liegt die Stärke des Films: „Dracula – Die
Auferstehung“ verweigert sich jeder stilistischen Disziplin,
jeder akademischen Ehrfurcht. Er ist hemmungslos und überbordend,
oft nah am Kitsch, aber immer beseelt von einem radikalen Glauben
an die Kraft der Imagination. Besson erweist sich als einer der letzten
großen Romantiker des Kinos – ein Regisseur, der nicht
adaptieren, sondern träumen will. Wenn man ihm also vorwerfen
mag, er habe Stoker „nicht verstanden“, dann mag das stimmen.
Doch Besson hat etwas anderes verstanden: dass der Mythos von Dracula
nie über das Grauen handelte, sondern über das Begehren
– über den Wunsch, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen,
indem man liebt, selbst wenn man dafür verdammt ist.
„Dracula
– Die Auferstehung“ ist kein makelloser Film. Er ist zu
lang, zu exaltiert, zu ungebändigt. Aber er ist – und das
ist selten geworden – beseelt. Er glaubt an Kino als Traum,
als Rausch, als Ort des Übermaßes. In einer Zeit, in der
selbst Fantasie oft normiert erscheint, wagt Luc Besson die Rückkehr
zur Ekstase des Sehens. Der deutsche Titel mag auf Wiederauferstehung
deuten – doch was hier wirklich aufersteht, ist das große,
pathetische, leidenschaftliche Kino.