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KINO | 23.10.2025

Luc Bessons Oper der Unsterblichkeit
DRACULA – DIE AUFERSTEHUNG

Luc Bessons „Dracula – Die Auferstehung“ ist kein Horrorfilm, sondern ein fiebriges Liebesgedicht in Bildern. Caleb Landry Jones spielt den Vampir als romantischen Dandy – zwischen Schmerz, Sehnsucht und Größenwahn. Ein barockes, überbordendes Werk, das das Kino in all seiner exzessiven Schönheit feiert.

von Richard-Heinrich Tarenz


© PHOTO SHANNA BESSON © 2025 LBP - EUROPACORP - TF1 FILMS PRODUCTION - SND/ LEONINE Studios

Am 23. Oktober startete „Dracula – Die Auferstehung“ in den deutschen Kinos – und kaum ein Film des Jahres lässt sich so schwer fassen wie dieser. Luc Besson, das Enfant terrible des europäischen Kinos, hat Bram Stokers klassischen Stoff nicht neu interpretiert, sondern in einen rauschhaften Traum verwandelt. Sein Dracula ist weniger Horror als Herzensangelegenheit, weniger Schauermär als barocke Liebeserklärung an das Kino selbst. Schon der Originaltitel „Dracula: A Love Tale“ deutet den wahren Kern dieses Werkes an – und wäre, im Gegensatz zum deutschen „Die Auferstehung“, die ehrlichere Überschrift. Denn Besson geht es nicht um die Rückkehr eines Untoten, sondern um das Fortleben einer Liebe, die über Zeit, Tod und Vernunft hinausreicht. Sein Film handelt vom unstillbaren Verlangen nach Nähe, vom romantischen Größenwahn einer Seele, die selbst den Fluch der Unsterblichkeit in Kauf nimmt, um wiederzufinden, was sie verloren hat.

Visuell ist „Dracula – Die Auferstehung“ eine sinfonische Überwältigung. Von der ersten Einstellung an badet Besson seine Bilder in satten Farben, in Purpur und Gold, in Schatten und Flammen. Es ist ein Kino der Sinnlichkeit, der Übersteigerung, der Opernhaftigkeit. Der Regisseur inszeniert den Vampir nicht als Monster, sondern als tragischen Liebenden – als Dandy der Nacht, der weniger vom Blutdurst als von der Sehnsucht verzehrt wird. Caleb Landry Jones, mit seiner nervösen Körperlichkeit und melancholischen Intensität, verkörpert diesen Dracula als Figur zwischen raubtierhafter Wildheit und zerbrechlicher Schönheit. Zoë Bleu steht ihm in der Doppelrolle von Elisabeta und Mina zur Seite – eine junge Frau, die gleichermaßen Projektionsfläche und Gegenkraft ist. Sie trägt die Last des Mythos auf zarten Schultern, und doch verleiht sie dem Stoff Momente stiller Auflehnung. Besson inszeniert sie mit Zärtlichkeit, aber auch mit jener patriarchalen Nostalgie, die seine Filme oft prägt: der Wunsch, das Weibliche zu retten und zu verklären, ohne es ganz zu verstehen.


© PHOTO SHANNA BESSON © 2025 LBP - EUROPACORP - TF1 FILMS PRODUCTION - SND/ LEONINE Studios

Die Handlung folgt bekannten Motiven – dem Verlust der Geliebten, der Verfluchung, der Wiederkehr in neuer Gestalt –, doch Besson macht aus der Vorlage ein eigenes Epos. Wo Coppola 1992 Pathos und Werkgetreue suchte, sucht Besson das Unberechenbare. Er verwebt Groteske und Kitsch, Poesie und Exzess zu einem Kinoerlebnis, das zwischen Größenwahn und kindlicher Verspieltheit oszilliert. Wenn Dracula ganze Ballsäle in ekstatische Marionetten verwandelt oder Nonnen in rauschhafte Verzückung stürzt, erinnert das weniger an klassischen Horror als an eine surrealistische Fantasie, an ein Ringen zwischen Traum und Wahn. Christoph Waltz bringt als van-Helsing-artiger Gegenspieler einen Hauch ironischer Erdung in diese fiebrige Welt. Seine Figur steht für Vernunft und Ordnung, doch beide verlieren hier jede Bedeutung – gegen die Macht des Gefühls, gegen das Kino selbst, das sich nicht zähmen lässt.

Gerade darin liegt die Stärke des Films: „Dracula – Die Auferstehung“ verweigert sich jeder stilistischen Disziplin, jeder akademischen Ehrfurcht. Er ist hemmungslos und überbordend, oft nah am Kitsch, aber immer beseelt von einem radikalen Glauben an die Kraft der Imagination. Besson erweist sich als einer der letzten großen Romantiker des Kinos – ein Regisseur, der nicht adaptieren, sondern träumen will. Wenn man ihm also vorwerfen mag, er habe Stoker „nicht verstanden“, dann mag das stimmen. Doch Besson hat etwas anderes verstanden: dass der Mythos von Dracula nie über das Grauen handelte, sondern über das Begehren – über den Wunsch, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, indem man liebt, selbst wenn man dafür verdammt ist.

„Dracula – Die Auferstehung“ ist kein makelloser Film. Er ist zu lang, zu exaltiert, zu ungebändigt. Aber er ist – und das ist selten geworden – beseelt. Er glaubt an Kino als Traum, als Rausch, als Ort des Übermaßes. In einer Zeit, in der selbst Fantasie oft normiert erscheint, wagt Luc Besson die Rückkehr zur Ekstase des Sehens. Der deutsche Titel mag auf Wiederauferstehung deuten – doch was hier wirklich aufersteht, ist das große, pathetische, leidenschaftliche Kino.


DRACULA – DIE AUFERSTEHUNG

Start: 30.10.25 | FSK 16
R: Luc Besson | D: Caleb Landry Jones, Christoph Waltz, Zoë Bleu
Frankreich, USA 2025 | Leonine


 


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