FILME | SERIEN | MUSIK | BÜCHER | PANORAMA | INTERVIEWS


KINO | 27.08.2025

DIE ROSENSCHLACHT

Mit „Die Rosenschlacht“ wagt Regisseur Jay Roach ein modernes Remake des Klassikers „Der Rosenkrieg“ aus dem Jahr 1989. Ivy (Olivia Coleman) und Theo (Benedict Cumberbatch) liefern sich als Ehepaar ein Duell, das komisch beginnt und zunehmend in bitteren Ernst kippt, sobald sich die Dynamik ihrer Beziehung sich ändert und keiner von beiden richtig aus seiner Rolle kann.

von Eve Pohl


© 2025 SEARCHLIGHT PICTURES

„Die Rosenschlacht“ ist ein Film, der von Anfang an mit Erwartungen spielt. Als Remake des Klassikers „Der Rosenkrieg“ von 1989 erzählt er mit schwarzem Humor die Geschichte einer Ehe zwischen zwei Menschen, die grundverschieden sind und nicht aus ihrer eigenen Haut heraus kommen. Doch während das Original die Eskalation vor allem als grotesken Schlagabtausch inszenierte, legt Regisseur Jay Roach in seiner Neuauflage, die von Tony McNamaras scharfzüngigem Drehbuch getragen wird, den Fokus stärker auf Fragen, die in unserer Gegenwart unvermeidlich geworden sind: Wie sehr bestimmen Geschlechterrollen unsere Vorstellung von Partnerschaft? Wie verändert sich eine Beziehung, wenn ökonomische Macht sich verschiebt? Und was passiert, wenn emotionale Nähe nicht mehr aus Intimität, sondern aus Kontrolle besteht?

Im Zentrum stehen Ivy, gespielt von Olivia Colman, und Theo, verkörpert von Benedict Cumberbatch. Auf den ersten Blick sind sie ein klassisches Paar, das mit der Aufteilung der Aufgaben vertraut scheint: er als erfolgreicher Geschäftsmann, sie als Partnerin, die lange ihre eigenen Träume zurückstellt und sich Aufgaben im häuslichen Umfeld widmet. Doch an einem schicksalhaften Tag verändert sich die Dynamik zwischen ihnen nachhaltig: Theo verliert nicht nur seinen Job, sondern auch sein soziales Ansehen. Er wird zum Gespött in den sozialen Medien, seine Autorität bröckelt, seine Rolle als vermeintlicher Versorger verschwindet. Gleichzeitig findet Ivy in einem kleinen Fischrestaurant ihre Berufung, die ausgerechnet in dieser Nacht von einer angesehenen Food-Kritikerin entdeckt wird. Das Ungleichgewicht, das zuvor festgeschrieben schien, kippt wie eine Wippe in die andere Richtung.

Hier entfaltet der Film seine feministische Lesart. Denn die Konflikte zwischen Ivy und Theo sind weniger das Resultat persönlicher Feindseligkeit als vielmehr Symptome einer Gesellschaft, die Paare nach wie vor in rigide Rollenmuster drängt. Theos Problem ist nicht allein sein beruflicher Niedergang, sondern vor allem die Tatsache, dass er es nicht erträgt, wenn seine Frau erfolgreicher, unabhängiger und sogar sichtbarer wird als er selbst. Ivy wiederum erkennt in diesem Erfolg nicht nur eine persönliche Befreiung, sondern auch den bitteren Beigeschmack, dass Selbstständigkeit in ihrer Ehe nicht vorgesehen war. Der Film verhandelt damit den Kern vieler moderner Partnerschaften: die Frage, ob Gleichberechtigung tatsächlich gelebt werden kann oder ob sie immer noch an den unsichtbaren Grenzen patriarchaler Erwartungen scheitert. Aber gleichzeitig sind beide Partner in dieser Ehe auch egoistisch und nehmen wenig Rücksicht auf den jeweils anderen. Dafür gibt es einige Beispiele im Laufe des Filmes, beispielsweise wenn er die Kinder als persönliches Projekt sieht und weniger als Menschen, die man ermutigen sollte, den eigenen Weg zu finden. Oder wenn sie sich im Nachtleben treiben lässt und dabei nicht darüber nachdenkt, ob sie sich bei ihm und der Familie melden sollte.


© 2025 SEARCHLIGHT PICTURES

Die Chemie zwischen Colman und Cumberbatch trägt diese thematische Schwere mit Leichtigkeit. Oftmals ist der Film von bitterbösem Humor geprägt, was das Drama aufzubrechen vermag. Ihre Dialoge sind von einer Dynamik geprägt, die Nähe und Distanz permanent neu austariert. Mal wirken sie wie zwei alte Vertraute, die einander mit einem Blick verstehen, mal wie erbitterte Gegner, die jedes Wort als Waffe einsetzen. Gerade Colman gelingt es, Ivy mit einer Mischung aus Verletzlichkeit und scharfem Witz zu verkörpern, die deutlich macht, wie widersprüchlich weibliche Emanzipation in heteronormativen Strukturen bis heute bleibt: Sie darf stark sein, solange sie das Ego des Mannes nicht verletzt. Cumberbatch wiederum spielt Theo nicht als eindimensionalen Tyrannen, sondern als verletzten Mann, dessen Zerfall darin liegt, dass er die alten Geschlechterrollen nicht mehr aufrechterhalten kann. Sein Stolz ist keine rein private Kategorie, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Erwartungen an Männlichkeit, die ihn in eine Sackgasse treiben.

Gerade in den Momenten, in denen Nähe noch möglich wäre, zeigt der Film seine größte Stärke. Roach inszeniert Szenen, in denen ein Lächeln genügt, um die Risse zu kitten, oder eine Umarmung, um die Eskalation aufzuhalten. Doch genau diese Chancen werden nicht ergriffen. Stattdessen kippt Zärtlichkeit in Aggression, und die Figuren entscheiden sich für Distanz, wenn Intimität möglich wäre. Es ist eine subtile, aber kraftvolle Darstellung davon, wie fragile Männlichkeit und erkämpfte weibliche Unabhängigkeit ein Paar nicht unbedingt näher zusammenbringen, sondern in destruktive Bahnen lenken können. Feministisch gelesen zeigt der Film damit, dass das Scheitern der Ehe weniger an individuellen Fehlern liegt, sondern daran, dass das System Ehe nach wie vor auf einem Machtgefälle basiert.

Allerdings verschenkt „Die Rosenschlacht“ an manchen Stellen visuelles Potenzial. Gerade weil Kostüm und Hair & Make-up in einem Film über Rollenbilder eine enorme Bedeutung haben könnten, wirkt es enttäuschend, dass hier zu generische Lösungen gewählt wurden. Ivy hätte in ihrer Entwicklung, vom zurückhaltenden Part der Ehe hin zur selbstbewussten Geschäftsfrau, eine klare visuelle Transformation verdient gehabt – Kleidung, die ihren neuen Status betont, eine äußere Erscheinung, die ihre innere Befreiung sichtbar macht. Stattdessen bleibt ihr Look erstaunlich gleichförmig. Auch Theo durchläuft äußerlich kaum eine Veränderung, obwohl seine Rolle als einstiger Alphamann mehr Möglichkeiten für eine Dekonstruktion geboten hätte. Es ist ein verschenkter Moment, der zeigt, dass selbst in einem Film, der Geschlechterrollen kritisch befragt, die visuelle Ebene noch zu sehr im Konventionellen verharrt. Auch die Nebenfiguren gleiten teilweise in alberne Karikaturen von Menschen ab. Solange der Film sich mit der Dynamik der Kernfamilie beschäftigt, ist er unglaublich stark, aber das wird immer wieder durch das Auftreten der Freunde oder Kollegen gebrochen. Da hätte man sich auch etwas differenziertere Erzählung erhofft. Das Klischee des dunkelhäutigen Schwulen ist inzwischen viel zu häufig bemüht, das ist schwierig und ein bisschen vorhersehbar.


© 2025 SEARCHLIGHT PICTURES

Es wird eine Geschichte erzählt, die nicht in der Eskalation steckenbleibt, sondern sich ernsthaft mit der Frage wie Liebe, Macht und Unabhängigkeit beschäftigt. Besonders interessant ist dabei, dass Ivy trotz ihres Erfolgs nicht zur Siegerin stilisiert wird. Der Film vermeidet es, einfache Antworten zu geben oder in die Falle des „Girlboss“-Feminismus zu tappen, der weibliche Emanzipation vor allem in ökonomischem Erfolg misst. Vielmehr zeigt er, dass auch Unabhängigkeit schmerzhaft sein kann, dass sie mit Einsamkeit und Distanz einhergeht, wenn die emotionale Basis einer Beziehung von Machtfragen durchzogen bleibt.

Trotz dieser Schwächen bleibt „Die Rosenschlacht“ ein Film, der sich mutig an der Auflösung klassischer Geschlechterrollen abarbeitet. Er zeigt ein Paar, das daran zerbricht, dass sie sich nicht gemeinsam neu erfinden können, sondern an alten Zuschreibungen festhalten – er aus Angst, Macht zu verlieren, sie aus dem Drang, endlich gesehen zu werden. Feministisch gelesen ist das eine ernüchternde, aber realistische Botschaft: Gleichberechtigung in Beziehungen scheitert nicht an mangelnder Liebe, sondern an Strukturen, die Macht, Anerkennung und Kontrolle ungleich verteilen. Der Film macht deutlich, dass wahre Nähe nur dann möglich ist, wenn man sein Zusammenleben immer wieder neu verhandelt.

Am Ende verlässt man das Kino mit einem zwiespältigen Gefühl. „Die Rosenschlacht“ ist kein perfekter Film. Sein visuelles Konzept schwächelt, der Mittelteil verliert an Tempo, manche Nebenfiguren bleiben unterentwickelt. Doch gerade weil er die großen Fragen unserer Zeit stellt – nach Macht, Nähe, Geschlechterrollen und der Zerbrechlichkeit von Intimität – bleibt er sehenswert. Colman und Cumberbatch tragen den Film mit einer Intensität, die außergewöhnlich ist. Sie machen aus einer Ehekrise ein Lehrstück über die Notwendigkeit, patriarchale Muster zu hinterfragen. In diesem Sinn ist „Die Rosenschlacht“ nicht nur ein Remake, sondern eine feministische Neuinterpretation, die zeigt, dass der Kampf um Gleichberechtigung längst im Privaten entschieden wird – in Schlafzimmern, Küchen und in Streitgesprächen von Paaren. Das Leben ist kein statisches Gebilde, das einmal festgelegt wird und sich danach nie wieder verändert.


DIE ROSENSCHLACHT

Start: 28.08.25 | FSK 12
R: Jay Roach | D: Olivia Colman, Benedict Cumberbatch, Andy Samberg
Großbritannien, USA 2025 | Walt Disney Germany


AGB | IMPRESSUM