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KINO | 10.10.2025

GOOD FORTUNE –
EIN GANZ SPEZIELLER SCHUTZENGEL

Keanu Reeves brilliert als sanftmütiger Engel in Aziz Ansaris warmherziger Sozialkomödie „Good Fortune – Ein ganz spezieller Schutzengel“. Ein modernes Gleichnis über Empathie, Klassenunterschiede und die Suche nach Sinn im digitalen Zeitalter. Ein Film, der an die Güte des Menschen glaubt – und damit genau den richtigen Ton unserer Zeit trifft.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2024 Lionsgate

Am 16. Oktober startet Aziz Ansaris Regiedebüt „Good Fortune – Ein ganz spezieller Schutzengel“ in den deutschen Kinos – ein Film, der das Herz auf dem rechten Fleck trägt und dabei eine seltene Mischung aus metaphysischer Leichtigkeit und sozialer Beobachtung wagt. Ansari, der sich in seinen bisherigen Arbeiten – etwa in der Serie Master of None – als kluger Beobachter moderner Lebenswelten erwiesen hat, inszeniert hier eine moderne Fabel, die das klassische Motiv von „Ist das Leben nicht schön?“ in die Gegenwart des Gig-Economy-Zeitalters überträgt. Im Zentrum steht der Engel Gabriel, gespielt von einem sichtlich spielfreudigen Keanu Reeves. Gabriel ist ein Himmelsbote der niederen Ränge – zuständig für „Texting und Driving“, jene Schutzaufgabe, die Autofahrern im letzten Moment das Leben rettet. Dass Reeves’ sanfte Aura und seine natürliche Freundlichkeit perfekt zu dieser Rolle passen, versteht sich fast von selbst. Er verkörpert einen Engel, der weniger himmlisch als zutiefst menschlich erscheint – eine Figur, die zwischen Empathie und Ratlosigkeit pendelt, zwischen Pflichtbewusstsein und neugieriger Faszination für das Leben auf der Erde.

Gabriel wird auf den jungen Arj (Aziz Ansari) aufmerksam, einen Mann am Rand der Gesellschaft, der mit drei Jobs jongliert und dennoch im Auto schläft. Als Lieferant, Hilfsarbeiter und Tagelöhner kämpft er in einer Welt, in der Anstrengung längst keine Sicherheit mehr garantiert. Der Film entfaltet seine soziale Dimension mit leichtem, manchmal melancholischem Humor: Es geht um die Unsichtbaren der modernen Wohlstandsgesellschaft, um jene, die in den Schatten des digitalen Kapitalismus überleben. Als Gabriel eingreift, weil er fürchtet, Arj könne an seiner Aussichtslosigkeit zerbrechen, nimmt das Geschehen eine surreale Wendung. Der Engel vertauscht die Rollen: Der Reiche wird arm, der Arme reich. Ansari spielt dieses Motiv nicht als plumpe Moralgeschichte, sondern als emotional-intelligentes Gedankenspiel über Privilegien, Identität und die Illusion, dass Wohlstand gleichbedeutend mit Glück sei. Dabei gelingt ihm der Spagat zwischen romantischer Komödie, Sozialdrama und spiritueller Fabel.


© 2024 Lionsgate

Formal bleibt „Good Fortune“ ein klassisch erzähltes Feelgood-Märchen, doch in seinem Kern verbirgt sich eine erstaunliche Schärfe. Die Kamera von Tim Kuhn begleitet die Figuren in einer fast dokumentarischen Intimität – hektische Großstadtlichter, kleine Wohnungen, die Enge eines Autos, das zum Zuhause wird. Diese visuelle Nähe schafft eine emotionale Unmittelbarkeit, die den Zuschauer in die Lebensrealität der Figuren hineinzieht. Zugleich kontrastiert sie mit den überirdischen Szenen, in denen der Himmel als Bürokratie voller Hierarchien erscheint – eine himmlische Parodie auf die irdische Arbeitswelt. Der Film lebt von seinen Darstellern, und hier überstrahlt Keanu Reeves das Ensemble mit jener Mischung aus Zurückhaltung und Präsenz, die ihn seit Jahrzehnten zu einem der faszinierendsten Schauspieler Hollywoods macht. Sein Gabriel ist nicht nur der Engel des Protagonisten, sondern auch der Engel des Zuschauers – ein Verkörperer stiller Güte in einer zynischen Welt. Neben ihm glänzen Seth Rogen als überheblicher Kapitalist, der Demut lernen muss, und Keke Palmer als kämpferische Gewerkschafterin mit klarer Haltung. Ansari selbst spielt gewohnt charmant, doch bleibt er in der Rolle des Suchenden eher stiller Resonanzraum für die größeren Themen.

Im letzten Drittel verliert „Good Fortune“ etwas an erzählerischer Präzision; der Schluss kommt zu rasch, zu versöhnlich. Doch gerade in dieser Unvollkommenheit liegt eine gewisse Schönheit: Der Film verweigert das große Pathos und entscheidet sich stattdessen für die Sanftheit der Einsicht. Dass Engel und Menschen gleichermaßen fehlbar sind, dass Glück sich nicht messen lässt – das sind keine neuen Wahrheiten, aber selten werden sie so warmherzig und aufrichtig vermittelt. Ansaris Film ist ein modernes Gleichnis über Mitgefühl, getragen von einem tiefen Vertrauen in das Gute im Menschen. In einer Zeit, in der Ironie oft den Ernst ersetzt und Zynismus als Intelligenz gilt, wirkt „Good Fortune – Ein ganz spezieller Schutzengel“ wie ein Gegenentwurf: ein Film, der das Herz über den Verstand stellt, ohne ihn auszuschalten.


GOOD FORTUNE – EIN GANZ SPEZIELLER SCHUTZENGEL

Start: 16.10.25 | FSK 6
R: Aziz Ansari | D: Aziz Ansari, Seth Rogen, Keanu Reeves
USA 2025 | Leonine


 


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