Ein Film
voller Licht und Schatten: Mascha Schilinskis „In die Sonne
schauen“, seit dem 28. August im Kino, wagt eine poetische Erkundung
familiärer Abgründe. Trotz erzählerischer Schwächen
überzeugt der Film durch seine eindringliche Bildsprache und
markiert einen wichtigen Schritt in der künstlerischen Entwicklung
der Regisseurin.
Am
28. August ist Mascha Schilinskis neuer Spielfilm „In die Sonne
schauen“ in den deutschen Kinos gestartet – ein Werk,
das ebenso eindringlich wie problematisch wirkt. Der Film möchte
eine poetische Auseinandersetzung mit familiären Verstrickungen,
unausgesprochenen Konflikten und dem Begehren nach Nähe sein.
Doch gerade dort, wo er Intensität entfalten will, zeigt er zugleich
die Bruchstellen einer Inszenierung, die nicht immer die Balance zwischen
psychologischer Feinzeichnung und künstlerischer Verdichtung
zu halten vermag. Schilinski, die an der Deutschen Film- und Fernsehakademie
Berlin (DFFB) Regie studierte und mit ihren Filmen früh Aufmerksamkeit
auf Festivals erlangte, gilt als eine der spannendsten Stimmen einer
jungen, weiblich geprägten Autor:innenregie in Deutschland. Ihr
Spielfilmdebüt „Die Tochter“ (2017) bewies ihr Gespür
für brisante Stoffe: das Porträt einer Familie, die in der
Begegnung mit Vergangenheit und Gegenwart zu zerfallen droht. Schon
damals zeigte sich ihre Affinität zum Kammerspielhaften, zur
Verdichtung auf enge Räume, zur psychischen Reibung. „In
die Sonne schauen“ knüpft in gewisser Weise daran an, indem
er das Intime ins Zentrum rückt – doch diesmal scheitert
die Konzentration stellenweise an einer Überlastung der Metaphern.
Die Geschichte entfaltet sich im Spannungsfeld von familiären
Erwartungen, unterdrückten Sehnsüchten und einer unheilvollen
Dynamik zwischen Nähe und Abstoßung. Formal wählt
Schilinski eine Bildsprache, die gleichermaßen von Wärme
wie von Bedrückung erzählt: Das Sonnenlicht, titelgebend
und durchgängig präsent, wird nicht nur als visuelle Metapher,
sondern als ambivalentes Leitmotiv eingesetzt – einmal verheißt
es Trost, dann wiederum blendet und zerstört es. Diese konsequente
Symbolik ist kraftvoll, gerät aber gelegentlich in Gefahr, ins
Illustrative abzugleiten.
Überzeugend
sind die Momente, in denen Schilinski den Schauspieler:innen Raum
lässt. In langen, s
beinahe kontemplativen Einstellungen entfaltet sich eine Intensität,
die den Figuren Tiefe verleiht. Gerade hier zeigt sich ihre Herkunft
aus dem Autorenkino, das auf Gesichter vertraut, auf minimale Gesten,
auf ein Kino der leisen Andeutung. Doch sobald die Inszenierung zu
sehr in die emblematische Bildsprache kippt – etwa, wenn Sonnenuntergänge
den emotionalen Höhepunkt allzu plakativ rahmen –, verliert
der Film an Schärfe. Erzählerisch bleibt „In die Sonne
schauen“ zwiespältig. Einerseits gelingt es, familiäre
Muster sichtbar zu machen, die über das konkrete Setting hinausweisen
und allgemeine Fragen nach Verantwortung, Schuld und Versöhnung
verhandeln. Andererseits verliert sich die Dramaturgie in Wiederholungen,
die eher ermüden als vertiefen. Schilinskis Anspruch, eine universelle
Geschichte im Gewand einer intimen Familienchronik zu erzählen,
wirkt an manchen Stellen wie eine Überforderung der eigenen Erzählmittel.
Für die Filmgeschichte der Gegenwart bleibt dennoch bemerkenswert,
dass Schilinski mit „In die Sonne schauen“ einen genuin
weiblichen Blick auf familiäre Machtverhältnisse etabliert,
ohne in die Falle der rein psychologisierenden „Problemgeschichte“
zu geraten. Ihre filmische Handschrift
– tastend, insistierend, von starkem Vertrauen in die Bildsprache
geprägt – ist unverkennbar. Doch gerade, weil sie ein solch
hohes Niveau an ästhetischem Anspruch setzt, fallen die dramaturgischen
Schwächen schärfer ins Gewicht. „In die Sonne schauen“
ist somit ein Werk, das polarisiert: ein mutiger, aber nicht gänzlich
gelungener Versuch, Licht und Dunkel in einer Familiengeschichte zu
verdichten. Er zeigt eine Regisseurin, die in ihrer Entwicklung weiter
nach einer Form sucht, die die Kraft ihrer Motive trägt. Dass
Mascha Schilinski diesen Weg mit Konsequenz und Beharrlichkeit geht,
ist unbestreitbar – und macht neugierig auf das, was noch kommt.
WIE DAS LEBEN MANCHMAL SPIELT
Start:
28.08.25 | FSK 16
R: Mascha Schilinski | D: Hanna Heckt, Lena Urzendowsky, Laeni Geiseler
Deutschland 2025 | Neue Visionen