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KINO | 24.09.2025

IN DIE SONNE SCHAUEN

Ein Film voller Licht und Schatten: Mascha Schilinskis „In die Sonne schauen“, seit dem 28. August im Kino, wagt eine poetische Erkundung familiärer Abgründe. Trotz erzählerischer Schwächen überzeugt der Film durch seine eindringliche Bildsprache und markiert einen wichtigen Schritt in der künstlerischen Entwicklung der Regisseurin.

von Franziska Keil


© FABIAN GAMPER / STUDIO ZENTRAL

Am 28. August ist Mascha Schilinskis neuer Spielfilm „In die Sonne schauen“ in den deutschen Kinos gestartet – ein Werk, das ebenso eindringlich wie problematisch wirkt. Der Film möchte eine poetische Auseinandersetzung mit familiären Verstrickungen, unausgesprochenen Konflikten und dem Begehren nach Nähe sein. Doch gerade dort, wo er Intensität entfalten will, zeigt er zugleich die Bruchstellen einer Inszenierung, die nicht immer die Balance zwischen psychologischer Feinzeichnung und künstlerischer Verdichtung zu halten vermag. Schilinski, die an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) Regie studierte und mit ihren Filmen früh Aufmerksamkeit auf Festivals erlangte, gilt als eine der spannendsten Stimmen einer jungen, weiblich geprägten Autor:innenregie in Deutschland. Ihr Spielfilmdebüt „Die Tochter“ (2017) bewies ihr Gespür für brisante Stoffe: das Porträt einer Familie, die in der Begegnung mit Vergangenheit und Gegenwart zu zerfallen droht. Schon damals zeigte sich ihre Affinität zum Kammerspielhaften, zur Verdichtung auf enge Räume, zur psychischen Reibung. „In die Sonne schauen“ knüpft in gewisser Weise daran an, indem er das Intime ins Zentrum rückt – doch diesmal scheitert die Konzentration stellenweise an einer Überlastung der Metaphern. Die Geschichte entfaltet sich im Spannungsfeld von familiären Erwartungen, unterdrückten Sehnsüchten und einer unheilvollen Dynamik zwischen Nähe und Abstoßung. Formal wählt Schilinski eine Bildsprache, die gleichermaßen von Wärme wie von Bedrückung erzählt: Das Sonnenlicht, titelgebend und durchgängig präsent, wird nicht nur als visuelle Metapher, sondern als ambivalentes Leitmotiv eingesetzt – einmal verheißt es Trost, dann wiederum blendet und zerstört es. Diese konsequente Symbolik ist kraftvoll, gerät aber gelegentlich in Gefahr, ins Illustrative abzugleiten.


© FABIAN GAMPER / STUDIO ZENTRAL

Überzeugend sind die Momente, in denen Schilinski den Schauspieler:innen Raum lässt. In langen, s
beinahe kontemplativen Einstellungen entfaltet sich eine Intensität, die den Figuren Tiefe verleiht. Gerade hier zeigt sich ihre Herkunft aus dem Autorenkino, das auf Gesichter vertraut, auf minimale Gesten, auf ein Kino der leisen Andeutung. Doch sobald die Inszenierung zu sehr in die emblematische Bildsprache kippt – etwa, wenn Sonnenuntergänge den emotionalen Höhepunkt allzu plakativ rahmen –, verliert der Film an Schärfe. Erzählerisch bleibt „In die Sonne schauen“ zwiespältig. Einerseits gelingt es, familiäre Muster sichtbar zu machen, die über das konkrete Setting hinausweisen und allgemeine Fragen nach Verantwortung, Schuld und Versöhnung verhandeln. Andererseits verliert sich die Dramaturgie in Wiederholungen, die eher ermüden als vertiefen. Schilinskis Anspruch, eine universelle Geschichte im Gewand einer intimen Familienchronik zu erzählen, wirkt an manchen Stellen wie eine Überforderung der eigenen Erzählmittel. Für die Filmgeschichte der Gegenwart bleibt dennoch bemerkenswert, dass Schilinski mit „In die Sonne schauen“ einen genuin weiblichen Blick auf familiäre Machtverhältnisse etabliert, ohne in die Falle der rein psychologisierenden „Problemgeschichte“ zu geraten. Ihre filmische Handschrift – tastend, insistierend, von starkem Vertrauen in die Bildsprache geprägt – ist unverkennbar. Doch gerade, weil sie ein solch hohes Niveau an ästhetischem Anspruch setzt, fallen die dramaturgischen Schwächen schärfer ins Gewicht. „In die Sonne schauen“ ist somit ein Werk, das polarisiert: ein mutiger, aber nicht gänzlich gelungener Versuch, Licht und Dunkel in einer Familiengeschichte zu verdichten. Er zeigt eine Regisseurin, die in ihrer Entwicklung weiter nach einer Form sucht, die die Kraft ihrer Motive trägt. Dass Mascha Schilinski diesen Weg mit Konsequenz und Beharrlichkeit geht, ist unbestreitbar – und macht neugierig auf das, was noch kommt.


WIE DAS LEBEN MANCHMAL SPIELT

Start: 28.08.25 | FSK 16
R: Mascha Schilinski | D: Hanna Heckt, Lena Urzendowsky, Laeni Geiseler
Deutschland 2025 | Neue Visionen


 


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