Mit grellem
Witz und anarchischer Energie erweckt Macon Blair den Kultklassiker
„The Toxic Avenger“ zu neuem Leben. Peter Dinklage brilliert
als tragikomischer Held in einem grotesk-schönen Mix aus Splatter,
Satire und Gesellschaftskritik. Ein wilder, giftiger Triumph gegen
das glatte Kino der Gegenwart.
Es
gibt Filme, die gar nicht erst versuchen, sich gesellschaftlicher
Akzeptanz zu versichern – sie existieren als Gegenentwurf zum
sauberen, formatierten Mainstreamkino. „The Toxic Avenger“,
in der Neuinterpretation von Regisseur Macon Blair, gehört in
diese seltene Kategorie. Der am 25. September in den Kinos gestartete
Film ist ein bewusst überdrehter, blutig-absurder Hybrid aus
Superheldenparodie, Horrorfarce und Sozialgroteske – und zugleich
eine liebevolle Hommage an das anarchische Trashkino der 1980er Jahre.
Wo das Original von 1984 ein subversives Manifest der billigen Effekte
und schlechten Geschmäcker war, bringt Blair die ruppige Ikone
der Troma Studios in eine neue, erstaunlich reflektierte Form.
Schon
die Besetzung kündigt an, dass diese Neuauflage keine bloße
Kopie ist: Peter Dinklage spielt Winston Gooze, einen unscheinbaren,
vom Leben gezeichneten Hausmeister, der in einem toxischen Zwischenfall
zur grotesken Titelfigur wird – einem deformierten, aber moralisch
integren Rächer in einer verrotteten Gesellschaft. Dinklage,
der in jeder Szene mit der Ernsthaftigkeit eines Shakespeare-Helden
agiert, ist die emotionale Achse des Films. Er verleiht dem Splatter
eine Würde, die man in diesem Genre selten findet. Aus dem grotesken
Körper erwächst bei ihm eine Form tragischer Menschlichkeit
– ein Mutant, der nicht durch Übermenschlichkeit, sondern
durch sein Gewissen heroisch wird.
Blairs
Regie versteht sich als dialektischer Balanceakt: Er will den anarchischen
Geist des Originals bewahren, ohne dessen infantile Lust am Ekelhaften
einfach zu kopieren. Stattdessen inszeniert er eine Welt, die selbst
toxisch ist – eine von Abfall, Kapitalismus und Korruption verseuchte
Gesellschaft, die ihre eigenen Helden produziert. Der Film ist grell,
laut, von bewusstem Übermaß geprägt, aber er hat Struktur
und Rhythmus. Seine stilistische Übertreibung ist kein Zufall,
sondern ein ästhetisches Statement.
Formal
entfaltet „The Toxic Avenger“ ein Spiel aus Kontrasten.
Die Kamera bleibt nah an den Gesichtern, betont jede groteske Regung,
während die Farbpalette zwischen neongetränkter Überreizung
und schmutzigem Braun changiert. Diese Ästhetik verweist auf
die postindustrielle Tristesse der Schauplätze – Orte,
an denen sich die Giftstoffe nicht nur in den Böden, sondern
auch in den Menschen angesammelt haben. Das Chaos hat Methode: In
den flirrenden Bildern liegt eine groteske Schönheit, in der
jedes Blutspritzmuster fast choreografiert wirkt.
Dinklage
wird flankiert von einem exzellenten Ensemble, das den Ton des Films
präzise trifft: Kevin Bacon gibt den schmierigen CEO als Karikatur
neoliberaler Enthemmung, Taylour Paige als moralisches Gegengewicht
bringt Ernsthaftigkeit in das überbordende Spektakel. Und Elijah
Wood, kaum wiederzuerkennen, liefert eine groteske Nebenrolle, die
an die Theaterhaftigkeit alter Rocky Horror-Aufführungen erinnert.
Es ist diese Balance zwischen groteskem Witz und echter Spielfreude,
die den Film trägt – eine Selbstironie, die nie in bloße
Albernheit kippt.
Thematisch
bleibt Blair seinem gesellschaftskritischen Unterton treu: Hinter
all dem Blut, Schmutz und Gelächter verbirgt sich ein Kommentar
über Macht, Ausbeutung und Umweltzerstörung. Die Transformation
des unscheinbaren Hausmeisters zum „toxischen Rächer“
ist nicht nur physisch, sondern auch sozial – ein groteskes
Sinnbild für den Widerstand des Ausgebeuteten gegen die entfesselte
Gier der Mächtigen. Wo das Original mit pubertärer Lust
an der Grenzüberschreitung spielte, inszeniert Blair die Gewalt
als Spiegel gesellschaftlicher Enthemmung.
Freilich
bleibt „The Toxic Avenger“ nicht ohne Brüche. Der
Film ist bewusst uneben, gelegentlich zu lang, seine Dramaturgie bricht
immer wieder in lose Episoden auf. Doch gerade diese Unordnung ist
Teil seiner Identität. Sie bewahrt den anarchischen Impuls, der
das Troma-Kino einst so einzigartig machte – die Freude am Scheitern,
am Überschreiten des guten Geschmacks, am Dreck als ästhetischem
Wert. In diesem Sinn ist Blairs Werk kein glattes Remake, sondern
eine Reflexion über den Verlust des anarchischen Geistes im Zeitalter
digitaler Glätte.
Dass
ein Film wie dieser überhaupt im Jahr 2025 seinen Weg ins Kino
findet, wirkt fast wie ein Wunder. „The Toxic Avenger“
ist eine wilde Feier des schlechten Geschmacks – und zugleich
ein melancholisches Bekenntnis zur Freiheit, hässlich zu sein.
Zwischen Splatter, Sozialkritik und schwarzer Komödie balanciert
Macon Blair eine Gratwanderung, die so schmutzig wie aufrichtig ist.
THE TOXIC AVENGER
Start:
25.09.25 | FSK 18
R: Macon Blair | D: Peter Dinklage, Kevin Bacon, Elijah Wood
USA 2025 | capelight pictures