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KINO | 24.09.2025

WIE DAS LEBEN MANCHMAL SPIELT

In „Wie das Leben manchmal spielt“ verbindet Jean-Pierre Améris eine klassische Romanze mit feinsinniger Sozialbeobachtung. Getragen von Louane Emera und Michel Blanc entfaltet der Film stille Intensität jenseits vertrauter Klischees. Ein berührendes Plädoyer für Begegnungen, die gesellschaftliche Grenzen überwinden.

von Franziska Keil


© 2025 LIGHTHOUSE - CAROLINE BOTTARO

Jean-Pierre Améris’ neuer Film „Wie das Leben manchmal spielt“, der am 2. Oktober in die Kinos kommt, reiht sich auf den ersten Blick in eine lange Tradition romantischer Komödien ein, die den Gegensatz zwischen gesellschaftlichen Milieus und Generationen zur Quelle von Reibung und schließlich von Annäherung machen. Doch Jean-Pierre Améris verleiht dem scheinbar konventionellen Stoff durch subtile Nuancen, kluge Beobachtungen und zwei herausragende Hauptdarsteller eine unerwartete Tiefe. Im Mittelpunkt steht Marie-Line, verkörpert von Louane Emera, die mit farbenfroher Ausstrahlung und rebellischem Selbstbewusstsein eine junge Frau zeichnet, die im Hafenstädtchen Le Havre versucht, ihr Leben zwischen familiären Verpflichtungen und eigenen Träumen zu ordnen. Ihr Gegenüber ist Michel Blanc als Richter, ein Mann der Ordnung, der Routine und des Schweigens – bis er in Marie-Lines orbit gerät. Der filmische Knotenpunkt ihrer Begegnung, eine Vereinbarung über Fahrdienste statt Geldstrafe, ist nicht nur dramaturgisch geschickt, sondern auch als Metapher lesbar: zwei Leben, die auf derselben Strecke unterwegs sind und dennoch aus völlig unterschiedlichen Ausgangspunkten starten. Die Stärke des Films liegt weniger in originellen Wendungen als vielmehr im feinsinnigen Ausloten der Figuren. Améris und seine Co-Autorin Marion Michau vermeiden es, die Charaktere trotz aller Typisierung zu bloßen Karikaturen gesellschaftlicher Schichten zu degradieren. Vielmehr gelingt es, den Figuren durch stille Zwischentöne und nonverbale Gesten eine Authentizität zu verleihen, die den Zuschauer berührt.


© 2025 LIGHTHOUSE - CAROLINE BOTTARO

So wird aus dem erwartbaren Muster einer Klassenromanze eine Studie über Einsamkeit, Sehnsucht und das Aufeinandertreffen von Lebenswelten, die sich ansonsten niemals berührt hätten. Dass der Film trotz mancher Klischees überzeugt, liegt entscheidend an der Chemie zwischen Louane Emera und Michel Blanc. Emera zeigt eine erfrischende Mischung aus Verletzlichkeit und Widerstandskraft. Blanc gibt dem Richter jene leise Tragik, die seine starre Fassade bröckeln lässt. Gemeinsam erzeugen sie jene seltene Art von Leinwandintimität, in der Blicke und Schweigen schwerer wiegen als Worte. Neben der Figurenzeichnung darf auch das visuelle Konzept nicht unerwähnt bleiben: Die Hafenstadt Le Havre wird nicht nur als pittoreske Kulisse inszeniert, sondern als lebendiger Resonanzraum für die sozialen Gegensätze und inneren Konflikte der Protagonisten. Hinzu kommt die melancholisch-schwebende Musik von Guillaume Ferran, die das fragile Gleichgewicht zwischen Melodram und Leichtigkeit unterstützt. Améris wagt mit „Wie das Leben manchmal spielt“ keinen formalen Neuanfang. Vielmehr zeigt er, wie vertraute Muster durch Empathie, ein Gespür für die richtige Balance zwischen Komik und Tragik sowie die Kunst zweier großartiger Schauspieler zu neuem Leben erweckt werden können. In Zeiten, in denen die Grenzen zwischen sozialem Aufstieg und gesellschaftlicher Verhärtung immer sichtbarer werden, wirkt der Film wie ein Plädoyer für Begegnungen, die Brücken schlagen – auch wenn sie manchmal auf den schmalen Straßen einer alten Hafenstadt beginnen.


WIE DAS LEBEN MANCHMAL SPIELT

Start: 02.10.25 | FSK 12
R: Jean-Pierre Améris | D: Louane Emera, Michel Blanc, Victor Belmondo
Frankreich 2023 | Lighthouse Home Entertainment


 


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