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SACHBUCH | 03.12.2025

Die Akte Epstein
»Drei können ein Geheimnis wahren, wenn zwei tot sind«

Dieses vielschichtige Sachbuch beleuchtet die verborgenen Strukturen von Macht, Manipulation und Missbrauch hinter dem Epstein-Komplex – ohne Sensationalismus, aber mit analytischer Schärfe. McMahon entfaltet ein erschütterndes Panorama aus Tätern, Netzwerken und institutionellem Versagen, das bis in die Gegenwart nachwirkt.

von Anna Winter

Wer war Jeffrey Epstein? Wie konnte sich ein ehemaliger Mathelehrer aus Brooklyn eine Privatinsel in der Karibik, vier Villen in Manhattan, Florida, Ohio und New Mexico, Wohnungen in London und Paris, zwei Privatflugzeuge und einen Hubschrauber leisten? Und wie gelang es Epstein, die Reichen und Mächtigen der Welt um sich zu scharen, darunter Prince Andrew und Fergie, Bill Clinton und Donald Trump, Ehud Barak, die Rothschilds, Jeff Bezos, Bill Gates, Elon Musk und Peter Thiel, Naomi Campbell und Kevin Spacey, Prinz Mohammed bin Salman sowie Steve Bannon? Welche Beziehungen hatte Epstein zu den Geheimdiensten? Hat er wirklich Selbstmord begangen - oder wurde er zum Schweigen gebracht? Warum wird die Aufklärung bis heute behindert? Wer steht auf der Kundenliste und warum wird diese nicht veröffentlicht? Was verbindet den Epstein-Fall mit der Clinton-Stiftung und den Impfkampagnen von Bill Gates? Wie sieht die Zukunft des Epstein-Systems aus, und welche Rolle spielen dabei die Silicon-Valley-Milliardäre Elon Musk und Peter Thiel?

Collin McMahons „Die Akte Epstein“, erschienen im Kopp Verlag, ist ein Werk, das sich einem der dunkelsten und zugleich medial am stärksten aufgeladenen Kriminalkomplexe der jüngeren Zeit widmet. Das Buch gewährt einen tiefgreifenden Einblick in das Geflecht aus Macht, Einfluss und krimineller Energie, das sich rund um Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell über Jahrzehnte entfaltet hat. In seinem Anspruch, mehr zu bieten als eine Nacherzählung bekannter Schlagzeilen, versteht sich der Band als investigativer Versuch, Struktur in ein Dickicht aus gesicherten Fakten, widersprüchlichen Aussagen, politischen Interessen und gesellschaftlichen Tabus zu bringen. McMahon nähert sich dieser Aufgabe mit einer Mischung aus akribischer Recherche, journalistischer Aufbereitung und essayistischer Verdichtung. Besonders der Zugriff auf schwer zugängliche Dokumente, Gerichtsunterlagen und Zeugenaussagen ist ein zentraler Baustein des Buchs. Der Autor zeichnet das Bild eines Mannes, der über Jahre hinweg systematisch Machtstrukturen nutzte – ökonomisch, sozial und psychologisch –, um ein Netzwerk zu etablieren, das aus dem Zusammenspiel von Privilegien, Abhängigkeiten und gesellschaftlicher Blindheit erwuchs. Zugleich verdeutlicht er, wie schwer es ist, diesen Strukturen im Nachhinein beizukommen, weil viele beteiligte Personen prominent, einflussreich oder politisch exponiert waren. Besonders aufschlussreich ist die Darstellung der Beziehung zwischen Epstein und Ghislaine Maxwell. Das Buch rückt nicht nur die mutmaßlichen Taten in den Vordergrund, sondern auch die biografischen Hintergründe, die Persönlichkeitsstrukturen und die sozialen Kontexte, die diese fatale Verbindung begünstigt haben könnten.

McMahon zeichnet anhand zahlreicher Quellen die Entwicklung einer toxischen Symbiose nach: ein Mann, dessen Bedürfnis nach Kontrolle, Geld und Der Autor veranschaulicht, wie der Umgang mit dem Epstein-Komplex immer wieder von widersprüchlichen Interessen, medialer Polarisierung und Informationsasymmetrien geprägt war. Hier wird das Buch besonders ambitioniert: McMahon legt offen, wie schwierig es ist, verlässliche Erkenntnisse zu gewinnen, wenn Machtgefüge, öffentliche Narrative und juristische Prozesse ineinandergreifen. Die Stärke des Buchs liegt weniger in interpretativen Wertungen als in der Materialfülle, die es zusammenführt. Zu den Stärken zählt die enorme Informationsdichte. McMahon schöpft aus einem breiten Fundus an Gerichtsakten, journalistischen Recherchen und Sekundärquellen. Diese Fülle ist zugleich Herausforderung: Die Komplexität der Ereignisse, Widersprüche zwischen verschiedenen Aussagen sowie der politische Zündstoff des Themas verlangen eine hohe Urteilskraft vom Lesenden. Das Buch liefert keine einfachen Antworten – und dort, wo medial häufig vorschnell spekuliert wird, bemüht sich McMahon um Transparenz hinsichtlich der Quellenlage. Die Frage nach Epsteins Tod – ein Thema, das regelmäßig zu Spekulationen anregt – behandelt McMahon mit Vorsicht, bleibt aber nah an der Quellenlage. Er dokumentiert die unterschiedlichen Versionen, die kursieren, und betont mehrfach die Unsicherheit, die viele Aspekte des Falls umgibt. Die Stärke des Buchs liegt dabei weniger in der Suche nach endgültigen Erklärungen, sondern in der Darstellung, wie Lücken, widersprüchliche Protokolle und institutionelles Versagen ein Klima erzeugen konnten, in dem Misstrauen gedeiht. Literarisch bewegt sich das Buch zwischen investigativer Klarheit und erzählerischen Momenten, die die Abgründe der beteiligten Personen greifbar machen sollen. McMahon gelingt eine Balance zwischen chronologischer Struktur, psychologischen Porträts und analytischen Passagen – ein Ansatz, der dem Sujet gerecht wird und es zugleich lesbar hält.

FAZIT
„Die Akte Epstein“ ist ein erschütterndes, detailreiches und zeitdiagnostisches Sachbuch, das versucht, Licht in einen der komplexesten und moralisch erschütterndsten Fälle unserer Zeit zu bringen. Es ist ein Buch, das fordert: intellektuell, moralisch und emotional. McMahon gelingt es, sowohl die monströse Dimension der Taten als auch die gesellschaftlichen Strukturen zu zeigen, die sie ermöglicht haben. Trotz kleinerer Schwächen in der Interpretation und der Gefahr, durch Komplexität Überwältigung auszulösen, ist das Werk ein bedeutender Beitrag zur Aufarbeitung eines globalen Skandals – und ein Mahnmal dafür, wie fragil Transparenz und Gerechtigkeit werden können, wenn Macht und Missbrauch ineinandergreifen. Anna Winter


DIE AKTE EPSTEIN

Collin McMahon (Autor) | Kopp Verlag | 272 Seiten


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