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BELLETRISTIK | 04.10.2023

HASHTAG #DDR

Was wäre, wenn die DDR heute noch existierte – und digital aufgerüstet wäre? Holger Kreymeiers „Hashtag #DDR“ entwirft eine düstere, zugleich faszinierende Alternative, in der Überwachung, Kontrolle und Widerstand im Netz zentrale Rollen spielen. Mit scharfem Blick für gesellschaftliche Mechanismen und satirischem Witz konfrontiert der Roman den Leser mit Fragen nach Freiheit, Macht und der Rolle digitaler Medien – ein literarisches Experiment, das gleichzeitig unterhält und nachdenklich stimmt.

von Richard-Heinrich Tarenz

Holger Kreymeiers „Hashtag #DDR“ entfaltet ein provokantes literarisches Experiment: Was wäre, wenn die DDR in das Jahr 2023 hinübergerettet worden wäre? In diesem Roman vermischt sich historische Realität mit futuristischer Imagination, und der Leser wird in eine Gesellschaft hineingezogen, in der Überwachung, Kontrolle und digitaler Widerstand zentrale Rollen spielen. Kreymeiers Werk wirft dabei nicht nur Fragen nach der Geschichte, sondern auch nach den Möglichkeiten und Grenzen unserer modernen, digitalisierten Welt auf.

Die Ausgangslage des Romans ist ebenso simpel wie faszinierend: Deutschland bleibt geteilt, die Wiedervereinigung ist ausgeblieben, und die DDR hat sich in das digitale Zeitalter transformiert. Überwachungstechnologien sind allgegenwärtig, und das Internet dient nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Unterdrückung. In dieser Welt wird die Stasi nicht nur zu einem historischen Relikt, sondern zu einem hochentwickelten digitalen Apparat, der das private Leben seiner Bürger penibel kontrolliert. Hier wirft Kreymeier die Frage auf, wie Widerstand gegen ein allumfassendes Überwachungssystem möglich sein könnte.

Im Zentrum des Geschehens steht Lonzo, ein YouTuber aus Westdeutschland, dessen rebellischer Geist und technologische Raffinesse ihn zu einem Symbol des Widerstands machen. Inspiriert von realen Persönlichkeiten wie Rezo, nutzt Lonzo digitale Plattformen, um die Mechanismen des Regimes zu entlarven. Sein Video über die Verhaftung des Online-Aktivisten Perry wird zum Ausgangspunkt eines Spannungsbogens, der zwischen digitaler Freiheit und staatlicher Repression pendelt. Die Figur Lonzo steht damit exemplarisch für die Ambivalenz von Medienmacht: Sie kann sowohl befreiend als auch gefährlich sein.

Kreymeier schildert die DDR als digitale Dystopie, in der die Trennung von öffentlichem und privatem Raum aufgehoben ist und jede Handlung potentiell überwacht wird. Die Parallelen zu klassischen dystopischen Werken, etwa George Orwells „1984“, sind unverkennbar, doch die Modernisierung durch soziale Medien und Internetplattformen verleiht dem Szenario eine erschreckende Aktualität. Der Roman regt den Leser an, über Fragen von Privatsphäre, Meinungsfreiheit und den Einfluss digitaler Medien auf gesellschaftliche Strukturen nachzudenken.

Obwohl Kreymeiers Text Elemente eines Thrillers aufweist, ist er vor allem ein satirisches Werk von bemerkenswerter Schärfe. Die Überhöhung der DDR in die Gegenwart dient als Spiegel, in dem die Mechanismen moderner Gesellschaften reflektiert werden. Themen wie politische Manipulation, digitale Machtstrukturen und die fragilen Grenzen demokratischer Freiheit werden auf eine Weise thematisiert, die gleichzeitig unterhält und nachdenklich stimmt.

FAZIT

„Hashtag #DDR“ ist mehr als ein politischer Thriller: Es ist ein Appell an kritisches Denken und Wachsamkeit in einer digitalisierten Welt. Kreymeier gelingt es, eine alternative Realität zu erschaffen, die sowohl faszinierend als auch erschreckend ist, und den Leser zu einer Reflexion über Freiheit, Überwachung und Verantwortung anzuregen. Das Buch verbindet Spannung mit scharfsinniger Gesellschaftskritik und liefert so ein literarisches Experiment von bemerkenswerter Tiefe – ein Werk, das weit über Unterhaltung hinausweist und in Erinnerung bleibt.


HASHTAG #DDR

Holger Kreymeier (Autor) | Solibro Verlag | 304 Seiten


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