DVD & BLU-RAY | 18.06.2025

DARLING

John Schlesingers britisches Drama zeichnet den Lebensweg eines ehrgeizigen und skrupellosen Fotomodells in den Swinging Sixties nach. Diana Scott setzt bedenkenlos auf die Mittel der Verführung, um nach oben zu gelangen. Sie hat verschiedene Partnerschaften und genießt ein exzessives Partyleben in London und Paris – bis sie sich unversehens in einem goldenen Käfig wiederfindet.

von Franziska Keil


© 1965 STUDIOCANAL

Der britische Filmklassiker "Darling" aus dem Jahr 1965, inszeniert von John Schlesinger, ist weit mehr als ein Zeitdokument des "Swinging London". Er ist eine messerscharfe, stilistisch brillante und zutiefst ambivalente Filmanalyse des Aufstiegs und Falls einer Frau in einer Welt, die von oberflächlichem Glamour und moralischer Leere geprägt ist. Der Film bleibt auch Jahrzehnte nach seiner Entstehung ein faszinierendes Porträt einer Epoche und eine zeitlose Reflexion über Identität, Konsum und die Illusionslosigkeit des Erfolgs Zur Feier des 60-jährigen Jubiläums erscheint der Film am 19. Juni 2025 frisch restauriert in 4K als UHD+Blu-ray, und kaum ein Zeitpunkt könnte passender sein, um diesen Klassiker in einem neuen visuellen Licht zu betrachten. Die digitale Wiederbelebung lädt zum Staunen ein: Über 350 Stunden wurden in die 4K-Scans investiert, die von Filmfinity UK durchgeführt wurden, um Kratzer, Staub und filmische Altersspuren in feinster Präzision zu reinigen – freilich mit größtmöglicher Bewahrung der ursprünglichen Kornstruktur. Das Ergebnis ist überwältigend: Scharfe Texturen auf Kostümen und Haut, kristallklare Schwarzwerte und strahlende Kontraste, die Londons Zirkuswelt in einem neuen, kraftvollen Charme erscheinen lassen. Im Mittelpunkt von "Darling" steht Diana Scott, gespielt von der überragenden Julie Christie, die für ihre Rolle mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Diana ist eine junge, ambitionierte und atemberaubend schöne Londonerin, die sich nach Ruhm, Reichtum und gesellschaftlicher Anerkennung sehnt. Ihr Aufstieg von einem unbedeutenden Model zur internationalen Ikone ist eine schillernde, doch zutiefst tragische Odyssee. Schlesinger inszeniert diesen Weg nicht als Märchen, sondern als eine Abfolge von strategischen Beziehungen und moralischen Kompromissen. Diana nutzt ihre Schönheit und ihren Charme als Währung in einer Gesellschaft, die Obsession mit dem Äußeren als ultimativen Wert zelebriert. Der Film beleuchtet meisterhaft die Psychologie dieser Figur. Diana ist nicht böse, aber sie ist gefangen in einer Welt, die Belohnungen für Oberflächlichkeit bietet. Ihre Beziehungen – sei es zu dem intellektuellen Fernsehjournalisten Robert Gold (Dirk Bogarde), der ihren Aufstieg zunächst fördert, oder zu dem mächtigen italienischen Fürsten Cesare Della Romita (Laurence Harvey) – sind weniger von echter Zuneigung als von Kalkül und dem Wunsch nach sozialem Advancement geprägt. "Darling" wird so zu einer scharfen Kritik an einer Gesellschaft, die den Wert eines Menschen an seinem äußeren Schein und seinem Status misst und dabei die innere Leere ignoriert, die sich hinter der Fassade verbirgt. John Schlesingers Regie ist ein Triumph des "New Wave"-Kinos.


© 1965 STUDIOCANAL

Er fängt die vibrierende Energie des Swinging London ein – die Mode, die Musik, die Freiheit und die Exzessivität – und kontrastiert sie geschickt mit einer untergründigen Melancholie und Kritik. Der Film nutzt innovative Montagetechniken, wie schnelle Schnitte, Jump Cuts und die Integration von Nachrichtenausschnitten oder gefälschten Werbespots, um das Gefühl der schnelllebigen, medialen Welt Dianas zu vermitteln. Diese stilistischen Entscheidungen sind nicht nur ein ästhetisches Statement, sondern dienen der psychologischen Vertiefung: Sie spiegeln Dianas innere Zerrissenheit und die fragmentierte Natur ihrer Existenz wider. Die Kameraarbeit ist dynamisch und oft nah an den Figuren, was eine beklemmende Intimität schafft. Die erzählerische Ambivalenz des Films ist eine seiner größten Stärken. "Darling" verurteilt Diana nicht explizit, sondern zeigt die Mechanismen auf, die zu ihrem Fall führen. Sie ist sowohl Täterin als auch Opfer einer Gesellschaft, die sie formt und schließlich verschlingt. Das Ende, das Dianas vermeintlichen Triumph als eine Form der emotionalen und persönlichen Gefangenschaft offenbart, ist zutiefst ernüchternd und lässt den Zuschauer mit bohrenden Fragen zurück. Es ist kein moralisierender Zeigefinger, sondern eine subtile, doch unerbittliche Erkenntnis über die Leere, die der Erfolg ohne Substanz hinterlässt. Julie Christies Darstellung der Diana Scott ist eine Glanzleistung, die den Film entscheidend prägt. Sie verkörpert die Figur mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Naivität, Ehrgeiz, Verletzlichkeit und einer fast schon beängstigenden Fähigkeit zur Anpassung. Es gelingt ihr, Diana sowohl verführerisch als auch abstoßend darzustellen, was die Komplexität der Rolle unterstreicht. Ihr Blick, der oft zwischen strahlender Oberfläche und leerer Tiefe wechselt, ist ikonisch geworden und symbolisiert die Tragik einer Generation, die den Preis für Freiheit und Erfolg in einer materialistischen Welt zahlen musste. "Darling" bleibt ein Meisterwerk, weil seine Kritik über die spezifische Ära des Swinging London hinausweist. Die Obsession mit dem Image, der schnelle Aufstieg durch Beziehungen, die Entfremdung von sich selbst und die Leere hinter der glänzenden Fassade – all dies sind Themen, die in der heutigen, stark von sozialen Medien geprägten Welt eine erschreckende Aktualität besitzen. Der Film ist eine zeitlose Meditation über die Suche nach Identität in einer Konsumgesellschaft und eine eindringliche Warnung vor den Gefahren, die entstehen, wenn der Schein die Substanz überstrahlt. Er ist ein Muss für jeden Filmfan, der sich für anspruchsvolles Kino und die psychologischen Tiefen menschlicher Existenz interessiert.


DARLING

ET: 19.06.25: 4K-UHD+Blu-ray | FSK 16
R: John Schlesinger | D: Julie Christie, Laurence Harvey, Dirk Bogarde
Großbritannien 1965 | STUDIOCANAL


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