John
Schlesingers britisches Drama zeichnet den Lebensweg eines ehrgeizigen
und skrupellosen Fotomodells in den Swinging Sixties nach. Diana Scott
setzt bedenkenlos auf die Mittel der Verführung, um nach oben
zu gelangen. Sie hat verschiedene Partnerschaften und genießt
ein exzessives Partyleben in London und Paris – bis sie sich
unversehens in einem goldenen Käfig wiederfindet.
Der
britische Filmklassiker "Darling" aus dem Jahr 1965, inszeniert
von John Schlesinger, ist weit mehr als ein Zeitdokument des "Swinging
London". Er ist eine messerscharfe, stilistisch brillante und
zutiefst ambivalente Filmanalyse des Aufstiegs und Falls einer Frau
in einer Welt, die von oberflächlichem Glamour und moralischer
Leere geprägt ist. Der Film bleibt auch Jahrzehnte nach seiner
Entstehung ein faszinierendes Porträt einer Epoche und eine zeitlose
Reflexion über Identität, Konsum und die Illusionslosigkeit
des Erfolgs Zur Feier des 60-jährigen Jubiläums erscheint
der Film am 19. Juni 2025 frisch restauriert in 4K als UHD+Blu-ray,
und kaum ein Zeitpunkt könnte passender sein, um diesen Klassiker
in einem neuen visuellen Licht zu betrachten. Die digitale Wiederbelebung
lädt zum Staunen ein: Über 350 Stunden wurden in die 4K-Scans
investiert, die von Filmfinity UK durchgeführt wurden, um Kratzer,
Staub und filmische Altersspuren in feinster Präzision zu reinigen
– freilich mit größtmöglicher Bewahrung der
ursprünglichen Kornstruktur. Das Ergebnis ist überwältigend:
Scharfe Texturen auf Kostümen und Haut, kristallklare Schwarzwerte
und strahlende Kontraste, die Londons Zirkuswelt in einem neuen, kraftvollen
Charme erscheinen lassen. Im Mittelpunkt von "Darling" steht
Diana Scott, gespielt von der überragenden Julie Christie, die
für ihre Rolle mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Diana ist eine
junge, ambitionierte und atemberaubend schöne Londonerin, die
sich nach Ruhm, Reichtum und gesellschaftlicher Anerkennung sehnt.
Ihr Aufstieg von einem unbedeutenden Model zur internationalen Ikone
ist eine schillernde, doch zutiefst tragische Odyssee. Schlesinger
inszeniert diesen Weg nicht als Märchen, sondern als eine Abfolge
von strategischen Beziehungen und moralischen Kompromissen. Diana
nutzt ihre Schönheit und ihren Charme als Währung in einer
Gesellschaft, die Obsession mit dem Äußeren als ultimativen
Wert zelebriert. Der Film beleuchtet meisterhaft die Psychologie dieser
Figur. Diana ist nicht böse, aber sie ist gefangen in einer Welt,
die Belohnungen für Oberflächlichkeit bietet. Ihre Beziehungen
– sei es zu dem intellektuellen Fernsehjournalisten Robert Gold
(Dirk Bogarde), der ihren Aufstieg zunächst fördert, oder
zu dem mächtigen italienischen Fürsten Cesare Della Romita
(Laurence Harvey) – sind weniger von echter Zuneigung als von
Kalkül und dem Wunsch nach sozialem Advancement geprägt.
"Darling" wird so zu einer scharfen Kritik an einer Gesellschaft,
die den Wert eines Menschen an seinem äußeren Schein und
seinem Status misst und dabei die innere Leere ignoriert, die sich
hinter der Fassade verbirgt. John Schlesingers Regie ist ein Triumph
des "New Wave"-Kinos.
Er
fängt die vibrierende Energie des Swinging London ein –
die Mode, die Musik, die Freiheit und die Exzessivität –
und kontrastiert sie geschickt mit einer untergründigen Melancholie
und Kritik. Der Film nutzt innovative Montagetechniken, wie schnelle
Schnitte, Jump Cuts und die Integration von Nachrichtenausschnitten
oder gefälschten Werbespots, um das Gefühl der schnelllebigen,
medialen Welt Dianas zu vermitteln. Diese stilistischen Entscheidungen
sind nicht nur ein ästhetisches Statement, sondern dienen der
psychologischen Vertiefung: Sie spiegeln Dianas innere Zerrissenheit
und die fragmentierte Natur ihrer Existenz wider. Die Kameraarbeit
ist dynamisch und oft nah an den Figuren, was eine beklemmende Intimität
schafft. Die erzählerische Ambivalenz des Films ist eine seiner
größten Stärken. "Darling" verurteilt Diana
nicht explizit, sondern zeigt die Mechanismen auf, die zu ihrem Fall
führen. Sie ist sowohl Täterin als auch Opfer einer Gesellschaft,
die sie formt und schließlich verschlingt. Das Ende, das Dianas
vermeintlichen Triumph als eine Form der emotionalen und persönlichen
Gefangenschaft offenbart, ist zutiefst ernüchternd und lässt
den Zuschauer mit bohrenden Fragen zurück. Es
ist kein moralisierender Zeigefinger, sondern eine subtile, doch unerbittliche
Erkenntnis über die Leere, die der Erfolg ohne Substanz hinterlässt.
Julie Christies Darstellung der Diana Scott ist eine Glanzleistung,
die den Film entscheidend prägt. Sie verkörpert die Figur
mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Naivität, Ehrgeiz, Verletzlichkeit
und einer fast schon beängstigenden Fähigkeit zur Anpassung.
Es gelingt ihr, Diana sowohl verführerisch als auch abstoßend
darzustellen, was die Komplexität der Rolle unterstreicht. Ihr
Blick, der oft zwischen strahlender Oberfläche und leerer Tiefe
wechselt, ist ikonisch geworden und symbolisiert die Tragik einer
Generation, die den Preis für Freiheit und Erfolg in einer materialistischen
Welt zahlen musste. "Darling" bleibt ein Meisterwerk, weil
seine Kritik über die spezifische Ära des Swinging London
hinausweist. Die Obsession mit dem Image, der schnelle Aufstieg durch
Beziehungen, die Entfremdung von sich selbst und die Leere hinter
der glänzenden Fassade – all dies sind Themen, die in der
heutigen, stark von sozialen Medien geprägten Welt eine erschreckende
Aktualität besitzen. Der Film ist eine zeitlose Meditation über
die Suche nach Identität in einer Konsumgesellschaft und eine
eindringliche Warnung vor den Gefahren, die entstehen, wenn der Schein
die Substanz überstrahlt. Er ist ein Muss für jeden Filmfan,
der sich für anspruchsvolles Kino und die psychologischen Tiefen
menschlicher Existenz interessiert.