Claudine
(Jeanne Balibar) lebt allein mit ihrem erwachsenen, an einen Rollstuhl
gefesselten und geistig behinderten Sohn Baptiste (Pierre-Antoine
Dubey) in einem abgelegenen Haus am Fuße der französischen
Alpen. Jeden Dienstag fährt sie mit der Bahn zu einem Hotel,
oben in den Bergen, wo sie sich mit immer anderen auf der Durchreise
befindlichen Herren trifft. So kann sie ihre sexuellen Bedürfnisse
befriedigen, ohne sich binden zu müssen. Bei diesen Begegnungen
befragt sie ihre Dates regelmäßig über deren Leben
und Erfahrungen. Wieder daheim formuliert sie die Berichte der Männer
dann in Briefe um und sendet sie an Baptiste. Unterschreiben tut sie
diese jeweils mit dem Namen des schon lange aus ihrer beider Leben
verschwundenen Vaters des jungen Mannes. So hofft Claudine ihm ein
wenig Trost spenden zu können. Dann lernt sie allerdings den
charmanten Michael (Thomas Sarbacher) kennen und verliebt sich in
ihn. Aber darf sie überhaupt von einem anderen Leben träumen?
Und falls ja, wie soll sie dieses dann dem noch immer auf seinen angeblich
nur verreisten Vater wartenden Baptiste erklären?
FASS
MICH AN von Regisseur Maxime Rappaz ist ein bemerkenswertes Frauenporträt
aus der Schweiz, dass seine Stärke in der Ruhe der Bilder findet.
Im Zentrum dieses Filmes stehen nicht so sehr die agierenden Personen,
sondern das Berghotel am Fuß eines riesigen Staudamms in 2500
Meter Höhe. Der Regisseur suchte zunächst genau diesen Ort
und erzählt rund um diesen Ort seine Geschichte dieser interessanten
Frau mit ihrem Doppelleben. Es ist der Gegensatz zwischen Flachland
und den Bergen. Zwischen einem routinierten Leben in der Stadt und
dem Abenteuer in rauer Umgebung. Der Staudamm fungiert dabei sowohl
als Grenze, als auch ein stiller Akteur des Geschehens.
Formal
gesehen, wirkt der Film sehr ruhig. Da sind diese wiederholenden Einstellungen,
die sich häufig auf das Gesicht dieser Frau fokussieren mit einer
intensiven Kamera, die ein bedrückendes Gefühl der Enge
vermitteln. Und dann sind da diese Landschaften, die man in diesem
Film ganz anders als auf der üblichen Postkartenromantik erlebt.
Sie wirken mysteriös, zeitlos und unberechenbar. Wir erleben
in diesem Film eine ganz spezielle Heldinnenreise. Die Hauptfigur
wandelt sich und emanzipiert sich. Sie artikuliert ihre Wünsche
und Entscheidungen. Eine Frau erwacht aus einer traurigen Form der
Einsamkeit. Ein Erwachen, festgehalten in entspannten und unaufgeregten
Bildern.