Detective
Frank Shaw hat sein Gehör bei einem Einsatz verloren und arbeitet
fortan als Dolmetscher für die Polizei. Nachdem er die gehörlose
Zeugin Ava vernommen hat und auf der Suche nach seinem Handy noch
einmal in ihre Wohnung zurückkehrt, gerät er inmitten eines
Komplottes korrupter Polizisten, die Ava beseitigen wollen. Ein nervenaufreibendes
Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem die beiden versuchen aus einem
mehrstöckigen Gebäude vor den Attentätern zu flüchten.
Frank
Shaw (Joel Kinnaman) arbeitet als Detective für die Polizei der
US-Großstadt Boston. Da wird er eines Tages bei einer rasanten
Verfolgungsjagd von einem Auto angefahren. Frank trägt eine Kopfverletzung
davon und verliert nahezu sein gesamtes Hörvermögen. Als
er nach einem halben Jahr Rekonvaleszenz endlich in den Dienst zurückkehrt,
wird er – sehr zu seinem Ärger – nur noch zum Schreibtischdienst
eingeteilt. Dann kommt allerdings sein früherer Partner Doug
(Mark Strong) und bittet ihn, beim Verhör der taubstummen Zeugin
Ava Lopez (Sandra Mae Frank) als Gebärden-Dolmetscher zu helfen.
Bei der Befragung vergisst Frank sein Smartphone in Avas Apartment
und kehrt deshalb kurze Zeit später noch einmal dorthin zurück.
So kann er gerade noch einen Mordanschlag auf die junge Frau vereiteln.
Zu zweit müssen sie nun irgendwie aus dem riesigen Haus herausfinden.
Haben die Killer doch bereits Verstärkung alarmiert und sind
plötzlich überall.
Brad
Andersons „The Silent Hour“ tritt in die Fußstapfen
von Genrefilmen, die den Protagonisten mit physischen oder psychischen
Handicaps ins Zentrum rücken. In Anlehnung an das ein Jahr zuvor
erschienene „Silent Night – Stumme Rache“, in dem
Joel Kinnaman einen stummen Racheengel verkörperte, präsentiert
„The Silent Hour“ nun einen Polizisten mit fortschreitendem
Hörverlust. Der Verlust des Hörvermögens, das im Thriller-Genre
traditionell als essentiell für das Überleben und die Orientierung
des Protagonisten gilt, wird in „The Silent Hour“ zum
zentralen Spannungsmoment. Während der stumme Protagonist in
„Silent Night“ seine Beeinträchtigung in einen Vorteil
umkehren konnte, indem er sich auf andere Sinne verließ, wird
Franks (Joel Kinnaman) nachlassendes Gehör in „The Silent
Hour“ zu einer ständigen Bedrohung. Die mehrfache Verwendung
dieses Handicaps – zur Annäherung an eine Zeugin und zur
Steigerung der Spannung in Konfrontationen mit den Gangstern –
zeugt von einem bewussten dramaturgischen Einsatz. Anders als der
strahlende Held kämpft Frank nicht mit übermenschlichen
Fähigkeiten, sondern mit den Einschränkungen seines eigenen
Körpers. Er ist physisch unterlegen und auf das Verstecken angewiesen,
ein Umstand, der dem Film eine realistische und beklemmende Note verleiht.
Die
Charakterisierung Franks bleibt jedoch hinter den Möglichkeiten
zurück. Der Film verlässt sich auf genretypische Elemente
wie die gescheiterte Ehe, um dem Protagonisten eine Hintergrundgeschichte
zu verleihen. Die eigentliche Definition der Figur erfolgt primär
durch seine Hörbehinderung. Dieser Umstand, obwohl dramaturgisch
effektiv, verhindert eine tiefere Auseinandersetzung mit Franks Persönlichkeit
jenseits seiner physischen Einschränkung. Joel Kinnaman, der schwedische
Schauspieler, der sich in Hollywood etabliert hat, verkörpert Frank
mit einer zurückhaltenden Intensität. Bekannt für Rollen
in Filmen wie „Suicide Squad“ und Serien wie „The
Killing“ und „Altered Carbon“, hat sich Kinnaman oft
in Rollen mit physischer Präsenz und innerer Zerrissenheit gezeigt.
In „The Silent Hour“ reduziert sich sein schauspielerisches
Repertoire jedoch weitgehend auf einen einzigen Gesichtsausdruck, der
die gesamte Laufzeit des Films dominiert. Diese Monotonie mag zwar Franks
eingeschränkte Wahrnehmung widerspiegeln, trägt aber kaum
zur emotionalen Tiefe der Figur bei. Es entsteht der Eindruck, dass
Kinnaman das Potential der Rolle nicht voll ausschöpft.
Regisseur
Brad Anderson, der mit Werken wie „Session 9“ und „The
Machinist“ sein Talent für atmosphärisch dichte Thriller
unter Beweis gestellt hat, inszeniert die Jagd durch das abrissreife
Gebäude mit Geschick. Das Setting selbst, ein überwiegend
leerstehendes und dem Verfall preisgegebenes Gebäude, wird zum
eigentlichen Star des Films. Die klaustrophobischen Gänge, die
dunklen Ecken und die hallenden Geräusche tragen maßgeblich
zur Spannung bei. Die Inszenierung profitiert von der stimmungsvollen
Kulisse und erzeugt so eine beklemmende Atmosphäre, die den Zuschauer
in ihren Bann zieht. „The Silent Hour“ ist ein Thriller,
der durch seine Inszenierung und das ungewöhnliche Handicap des
Protagonisten punktet. Die Handlung selbst und die Charakterentwicklung
bleiben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Der Film ist solide
Genre-Unterhaltung, die jedoch kaum nachhaltige Eindrücke hinterlässt.
Die Heimkino-Veröffentlichung bietet die Möglichkeit, sich
selbst ein Bild von diesem Thriller zu machen, der zwischen spannenden
Momenten und genretypischen Klischees oszilliert.
THE SILENT HOUR
ET:
24.10.24: digital / 08.11.24: DVD und Blu-ray | FSK 16
R: Brad Anderson | D: Joel Kinnaman, Sandra Mae Frank, Mekhi Phifer
USA 2024 | SquareOne Entertainment