DVD & BLU-RAY | 07.11.2024

THE SILENT HOUR

Detective Frank Shaw hat sein Gehör bei einem Einsatz verloren und arbeitet fortan als Dolmetscher für die Polizei. Nachdem er die gehörlose Zeugin Ava vernommen hat und auf der Suche nach seinem Handy noch einmal in ihre Wohnung zurückkehrt, gerät er inmitten eines Komplottes korrupter Polizisten, die Ava beseitigen wollen. Ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem die beiden versuchen aus einem mehrstöckigen Gebäude vor den Attentätern zu flüchten.

von Franziska Keil


© SquareOne Entertainment

Frank Shaw (Joel Kinnaman) arbeitet als Detective für die Polizei der US-Großstadt Boston. Da wird er eines Tages bei einer rasanten Verfolgungsjagd von einem Auto angefahren. Frank trägt eine Kopfverletzung davon und verliert nahezu sein gesamtes Hörvermögen. Als er nach einem halben Jahr Rekonvaleszenz endlich in den Dienst zurückkehrt, wird er – sehr zu seinem Ärger – nur noch zum Schreibtischdienst eingeteilt. Dann kommt allerdings sein früherer Partner Doug (Mark Strong) und bittet ihn, beim Verhör der taubstummen Zeugin Ava Lopez (Sandra Mae Frank) als Gebärden-Dolmetscher zu helfen. Bei der Befragung vergisst Frank sein Smartphone in Avas Apartment und kehrt deshalb kurze Zeit später noch einmal dorthin zurück. So kann er gerade noch einen Mordanschlag auf die junge Frau vereiteln. Zu zweit müssen sie nun irgendwie aus dem riesigen Haus herausfinden. Haben die Killer doch bereits Verstärkung alarmiert und sind plötzlich überall.

Brad Andersons „The Silent Hour“ tritt in die Fußstapfen von Genrefilmen, die den Protagonisten mit physischen oder psychischen Handicaps ins Zentrum rücken. In Anlehnung an das ein Jahr zuvor erschienene „Silent Night – Stumme Rache“, in dem Joel Kinnaman einen stummen Racheengel verkörperte, präsentiert „The Silent Hour“ nun einen Polizisten mit fortschreitendem Hörverlust. Der Verlust des Hörvermögens, das im Thriller-Genre traditionell als essentiell für das Überleben und die Orientierung des Protagonisten gilt, wird in „The Silent Hour“ zum zentralen Spannungsmoment. Während der stumme Protagonist in „Silent Night“ seine Beeinträchtigung in einen Vorteil umkehren konnte, indem er sich auf andere Sinne verließ, wird Franks (Joel Kinnaman) nachlassendes Gehör in „The Silent Hour“ zu einer ständigen Bedrohung. Die mehrfache Verwendung dieses Handicaps – zur Annäherung an eine Zeugin und zur Steigerung der Spannung in Konfrontationen mit den Gangstern – zeugt von einem bewussten dramaturgischen Einsatz. Anders als der strahlende Held kämpft Frank nicht mit übermenschlichen Fähigkeiten, sondern mit den Einschränkungen seines eigenen Körpers. Er ist physisch unterlegen und auf das Verstecken angewiesen, ein Umstand, der dem Film eine realistische und beklemmende Note verleiht.


© SquareOne Entertainment

Die Charakterisierung Franks bleibt jedoch hinter den Möglichkeiten zurück. Der Film verlässt sich auf genretypische Elemente wie die gescheiterte Ehe, um dem Protagonisten eine Hintergrundgeschichte zu verleihen. Die eigentliche Definition der Figur erfolgt primär durch seine Hörbehinderung. Dieser Umstand, obwohl dramaturgisch effektiv, verhindert eine tiefere Auseinandersetzung mit Franks Persönlichkeit jenseits seiner physischen Einschränkung. Joel Kinnaman, der schwedische Schauspieler, der sich in Hollywood etabliert hat, verkörpert Frank mit einer zurückhaltenden Intensität. Bekannt für Rollen in Filmen wie „Suicide Squad“ und Serien wie „The Killing“ und „Altered Carbon“, hat sich Kinnaman oft in Rollen mit physischer Präsenz und innerer Zerrissenheit gezeigt. In „The Silent Hour“ reduziert sich sein schauspielerisches Repertoire jedoch weitgehend auf einen einzigen Gesichtsausdruck, der die gesamte Laufzeit des Films dominiert. Diese Monotonie mag zwar Franks eingeschränkte Wahrnehmung widerspiegeln, trägt aber kaum zur emotionalen Tiefe der Figur bei. Es entsteht der Eindruck, dass Kinnaman das Potential der Rolle nicht voll ausschöpft.

Regisseur Brad Anderson, der mit Werken wie „Session 9“ und „The Machinist“ sein Talent für atmosphärisch dichte Thriller unter Beweis gestellt hat, inszeniert die Jagd durch das abrissreife Gebäude mit Geschick. Das Setting selbst, ein überwiegend leerstehendes und dem Verfall preisgegebenes Gebäude, wird zum eigentlichen Star des Films. Die klaustrophobischen Gänge, die dunklen Ecken und die hallenden Geräusche tragen maßgeblich zur Spannung bei. Die Inszenierung profitiert von der stimmungsvollen Kulisse und erzeugt so eine beklemmende Atmosphäre, die den Zuschauer in ihren Bann zieht. „The Silent Hour“ ist ein Thriller, der durch seine Inszenierung und das ungewöhnliche Handicap des Protagonisten punktet. Die Handlung selbst und die Charakterentwicklung bleiben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Der Film ist solide Genre-Unterhaltung, die jedoch kaum nachhaltige Eindrücke hinterlässt. Die Heimkino-Veröffentlichung bietet die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von diesem Thriller zu machen, der zwischen spannenden Momenten und genretypischen Klischees oszilliert.


THE SILENT HOUR

ET: 24.10.24: digital / 08.11.24: DVD und Blu-ray | FSK 16
R: Brad Anderson | D: Joel Kinnaman, Sandra Mae Frank, Mekhi Phifer
USA 2024 | SquareOne Entertainment


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