DVD & BLU-RAY | 23.09.2020

Die perfekte Kandidatin

Maryam ist eine Ärztin in einer kleinen Stadt in Saudi-Arabien. Trotz ihrer exzellenten Fähigkeiten muss sie sich jeden Tag aufs Neue den Respekt der Mitarbeiter und der Patienten erkämpfen. Wütend macht Maryam vor allem der Zustand der Straße vor der Klinik. Weil die Stadt die Zufahrt nicht asphaltiert, bleiben die Patienten regelmäßig im Schlamm stecken.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Neue Visionen Filmverleih

Dr. Maryam (Mila Al Zahrani) arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus einer Kleinstadt in der saudi-arabischen Provinz Riyadh. Allerdings wird es dort zunehmend schwerer die Patienten zu behandeln – und zwar nicht in erster Linie, weil sich immer wieder männliche Patienten weigern, sich von einer weiblichen Ärztin untersuchen zu lassen, sondern vor allem, weil die Zufahrt zum Krankenhaus aus einem Sandweg besteht, der bei Regen so matschig wird, dass ihn die Krankenwagen nicht mehr passieren können, ohne feststecken zu bleiben. Als Maryam eine medizinische Konferenz in Dubai besuchen will, wird sie am Flughafen nicht in den Flieger gelassen, weil man dazu die Unterschrift eines männlichen Vormundes braucht. Da ihr Vater, ein Musiker, gerade auf Tour ist, wendet sich Maryam an ihren politisch aktiven Cousin Rashid (Ahmad Alsulaimy), der gerade zufällig nach Kandidaten für das Amt des Gemeinderat-Vorstands sucht. Maryam beschließt kurzerhand, selbst für das Amt zu kandidieren, schließlich könnte sie dann auch endlich etwas an der matschigen Zufahrt zum Krankenhaus ändern. Aber natürlich gibt es da eine Menge Widerstände in dem Land, in dem Frauen überhaupt erst seit 2018 an das Steuer eines Autos dürfen…


© Neue Visionen Filmverleih

„Die perfekte Kandidatin“ von Regisseurin Haifaa Al Mansour, der nun auf DVD, Blu-ray und als VoD erscheint, ist ein sehr interessanter Film, der eine gelungene Balance zwischen Komödie und Drama findet. Der Film bietet spannende Einblicke in eine abgeschlossene Gesellschaft im Wandel und kommt weitgehend ohne erhobenen Zeigefinger aus, was sehr erfrischend und erfreulich ist. Wie so oft sind die wahren Heldinnen und Helden des Alltags eher zufällig in diese Stellung hineingeraten. So auch die Maryam, die eher zufällig Kandidatin wird. Setzt sie sich zunächst nur für eine bessere Straße zum Krankenhaus ein, wird ihre Kandidatur schnell zu einem Politikum. Sie ist die erste Frau, die sich für ein öffentliches Amt bewirbt. Das Unmögliche ist auf einmal möglich geworden in einem Land, in welchen Frauen bis vor kurzer Zeit nicht einmal Auto fahren durften. Aber wo man jetzt lautstarkes Ideologiekino erwarten würde, schlägt der Film leise Töne an und beobachtet. Er beobachtet die Reaktionen der Männer auf die Kandidatur von Maryam und seziert so erbarmungslos eine erstarrte Gesellschaft, die sich vielerorts gegen Wandel sträubt. Es sind die kleinen Momente in „Die perfekte Kandidatin“, in denen der Film und die Titelheldin ihre gesamte Kraft entfalten. Wenn etwa Maryam zusammen mit ihrer Schwester mehr oder weniger unbeholfen YouTube-Videos für ihren Wahlkampf erstellt. Das ist rührend, komisch und vermittelt zugleich mit leisen Tönen einen Einblick in Familienstrukturen, die sich gar nicht so sehr von denen bei uns unterscheiden. Die Regisseurin versteht es sehr gut eine abgeschottete Gesellschaft mittels absurder Situationen zu skizzieren. Etwa wenn sie auf ihrer eigenen Wahlkampfveranstaltung nicht anwesend sein darf aufgrund der in Saudi-Arabien vorherrschenden Geschlechtertrennung. Die Welt ist nur selten Schwarz-Weiß. So auch in Saudi-Arabien. Das Land unterliegt einem starken gesellschaftlichen Wandel. „Die perfekte Kandidatin“ ist ein interessanter und spannender Film, der neue Perspektiven und Einblicke vermittelt.


DIE PERFEKTE KANDIDATIN

Deutschland, Saudi-Arabien 2019 | Neue Visionen Medien GmbH | : 24. September 2020 (FSK 0)
R: Haifaa Al Mansour | D: Mila Alzahrani, Dae Al Hilali, Nourah Al Awad

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