Ein
riesiger Komet rast in hoher Geschwindigkeit auf die Erde zu und soll
Berechnungen zufolge vor Eintritt in die Erdatmosphäre verglühen.
Doch die Prognosen stimmen nicht – ein erstes Fragment des Kometen
stürzt nicht ins Meer, sondern zerstört stattdessen ganz
Florida. Gerüchte, dass nur ein ausgewählter Kreis von Personen
in Sicherheit gebracht werden kann, machen bereits die Runde, als
Ingenieur John Garrity von der US-Regierung aufgefordert wird, sich
sofort gemeinsam mit seiner Frau Allison und Sohn Nathan zu einer
Militärbasis zu begeben.
Manchmal
holt die Realität die Fiktion schneller ein als man sich vorstellen
kann. Keine Angst, es steht kein Meteoriteneinschlag auf der Erde
bevor. Allerdings hat sich vor wenigen Monaten eine NASA Sonde mit
dem wohlklingenden Namen „Osiris Rex“ in einem sehr anspruchsvollen
Manöver einem Asteroiden genähert und Proben entnommen.
Diese werden im Jahre 2023 auf der Erde abgeliefert und werden viele
wichtige Informationen über den Aufbau des Asteroiden an den
Tag legen. Hintergrund dieser Weltraummission ist der Umstand, dass
sich der Asteroid mit dem Namen „Bennu“, der einen Durchmesser
von rund 550 Metern hat, der Erde in gut 150 Jahren sehr nahe kommen
wird. Auch wenn die NASA derzeit einen Einschlag auf der Erde als
sehr gering erachtet, ist es nicht ausgeschlossen. Der Asteroid gehört
zu den gefährlichsten derzeit bekanntesten Asteroiden in unserem
Sonnensystem.
An
dieser technischen Meisterleistung der NASA kann man erkennen, dass
das Szenario in „Greenland“ nicht aus der Luft gegriffen
ist. Der Katastrophenfilm von Regisseur Ric Roman Waugh („Angel
Has Fallen“) ist ein gelungener Spielfilm, der spannend und
mitreißend ist und mit einem Gerard Butler („Criminal
Squad“) in Höchstform aufwartet. In einer Zeit, wo gute
und mitreißende Filme Mangelware sind, kommt „Greenland“
genau richtig, um Menschen eine unterhaltsame und spannende Zeit im
Heimkino zu verschaffen. Das sympathische an „Greenland“
ist, dass der Film erst gar nicht versucht bekannte Genre-Vertreter,
wie „2012“ und „Armageddon“ mit noch mehr
Explosionen und noch mehr Action-Szenen zu übertrumpfen, was
ohnehin schwer möglich wäre. Stattdessen fokussiert sich
der Film auf Emotionen und eine spannende und treibende Handlung,
die den Zuschauer bis zur letzten Sekunde in seinen Bann zieht. Der
Film stellt eine Familie in den Mittelpunkt der Handlung, die inmitten
einer weltweiten Katastrophe ihre ganz eigenen Probleme zu bewältigen
hat.
Der
Zuschauer wird sofort in das Geschehen hineingeworfen. Die Hintergrundinformationen
zum Geschehen erfolgen zumeist über Nachrichtenbeiträge,
die über den Kometen informieren. Die familiären Eheprobleme
werden kurz und knapp geschildert, ebenso wie die Einführung
der Hauptfigur. Das ist so reduziert wir passend. Erfreulicherweise
fehlt in diesem Film der übliche Overkill an Effekten. Wenn Teile
des Kometen in Florida einschlagen und den US-Bundesstaat weitgehend
verwüsten, sieht man das kurz in den Nachrichten und wird Zeuge,
als die Druckwelle im Haus der Garritys die Scheiben zersplittern
lässt. Mehr braucht es auch gar nicht, um den Ernst der Lage
zu dokumentieren. Wenn sich dann die Familie auf den Weg zum Militärstützpunkt
macht und dabei um Hilfe flehende Freunde zurücklassen muss,
ist das nicht nur herzzerreißend und schwer zu ertragen. Es
deutet die moralischen Verwerfungen an, die unlösbar sind. Was
geschieht mit normalen Menschen, wenn die Welt untergeht und die Zivilisation
zu bröckeln beginnt? Diese Fragen beleuchtet der Film sehr eindrucksvoll.
Wie weit geht man, um seine Familie und sein eigenes Leben zu schützen,
wenn Anarchie herrscht?
In
„Greenland“ sind die Menschen mindestens genauso gefährlich
wie der nahende Komet. Sie plündern, beten, feiern eine letzte
Party oder kämpfen einfach nur im ihr eigenes Überleben.
Der Film steigert gekonnt sein Tempo, während die Handlung immer
wieder neue Wendungen an den Tag legt. Das ist nicht immer sehr subtil
in Szene gesetzt, aber sehr effektiv und unglaublich spannend. Die
Spannung reißt während der gesamten Spielzeit von 120 Minuten
nie ab. Die Welt in „Greenland“ wird von Minute zu Minute
düsterer und gefährlicher. Der Zuschauer bangt mit der Familie
und wird so Teil einer emotionalen Achterbahnfahrt. Das funktioniert
so gut, weil es in „Greenland“ in erster Linie um das
Schicksal dieser Familie geht.
Natürlich gibt es noch weitere interessante Punkte in der Handlung,
wie die Regierungen, die ihre Bevölkerungen belügen und
sich selbst und eine handverlesene Schar an Menschen in Sicherheit
bringen. Zugleich kann man „Greenland“ als Kommentar auf
die derzeitige Zerrissenheit der US-Gesellschaft deuten. Jeder sucht
seinen persönlichen Vorteil und ein gesellschaftliches Miteinander
ist längst eine Fiktion geworden, sogar die Familie scheint zu
einem dysfunktionalen Ort geworden zu sein. Doch in einer solchen
existentiellen Krise zeigt sich nicht nur das schlimmste im Menschen,
sondern auch das beste im Menschen. Aus Fremden werden Freunde, die
einander helfen, eine kaputte Familie findet wieder zu sich. Das „Greenland“
so gut funktioniert mit dem Fokus auf die Familie und das Private
ist den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, die es den Zuschauern
leicht machen sich emotional einzuklinken. Man fragt sich, was man
selber in einer solchen Situation tun würde. Die entscheidende
Frage, die für große Spannung sorgt, ist, ob diese Familie,
die einem ans Herz gewachsen ist, es noch rechtzeitig zu den Schutzräumen
in Grönland schaffen wird. Der Umstand, dass dieser Film nur
über ein für dieses Genre vergleichsweise niedriges Budget
verfügte, erweist sich als Glückfall. Dieser Film bietet
jede Menge Emotionen und eine spannende Handlung und nicht die üblichen
CGI-Orgien.
GREENLAND
USA
2020 | Tobis (im Vertrieb von LEONINE) | VÖ:
05.03.21 (DVD, Blu-ray und 4K UHD) (FSK 12) R: Ric Roman Waugh | D: Gerard
Butler, Morena Baccarin, David Denman