Die
alleinerziehende Mutter und Wissenschaftlerin Alice hat sich voll
und ganz ihrem Beruf verschrieben. Als Botanikerin hat sie eine purpurrote
Blume erschaffen, die eine ganz einzigartige Wirkung hat – bei
idealer Raumtemperatur und ausreichender Zuwendung macht ihr Duft
die Menschen glücklich! Das Meisterwerk von Jessica Hausner erscheint
nun auf DVD.
Alice
(Emily Beecham) ist eine Frau, die ihren Job als Wissenschaftlerin
im Gewächshaus liebt. Als alleinerziehende Mutter führt
sie mit ihrem Sohn Joe (Kit Connor) ein glückliches Leben. Ihre
neueste Entdeckung scheint sensationell zu sein: Sie hat eine purpurrote
Zinnoberpflanze geschaffen, die eine ganz besondere Eigenschaft hat:
Wenn sie in der idealen Raumtemperatur steht, macht der Duft der Pflanze
die anwesenden Menschen glücklich. Zu Ehren ihres Sohnes nennt
sie ihre Schöpfung „Little Joe“. Sie nimmt ein Gewächs
mit nach Hause, ohne zu wissen, welche Auswirkungen das Saatgut der
Pflanze auf alle Menschen oder Tiere hat, die mit ihnen in Kontakt
kommen. Die Menschen, die sich im unmittelbaren Umfeld der Pflanze
befinden, beginnen sich eigenartig zu benehmen und schon bald beschleicht
Alice der Verdacht, dass ihre eigene Schöpfung wohl doch nicht
so harmlos ist, wie sie angenommen hat…
Seit ihrem atemberaubenden Debüt „Lovely
Rita“ im Jahre 2001 gehört die österreichische Autorin
und Regisseurin Jessica Hausner zu den interessantesten Filmemacherinnen
und Filmemacher im deutschsprachigen Raum. Dieser Eindruck wurde bestätigt
durch ihren zweiten Film „Hotel“ und gekrönt durch
die Teilnahme am offiziellen Wettbewerb des prestigeträchtigen
Filmfestivals von Cannes. Dort wurde unter großer Beachtung
„Little Joe“ gezeigt, der nun auf DVD erscheint. Der Film
überzeugt mit einer ungewöhnlichen Handlung und einem spielfreudigen
Cast. Wie schon in früheren Filmen angedeutet, verfolgt Regisseurin
Jessica Hausner einen strengen Kompositionsstil. Das spiegelt sich
in diesem perfekt in den feinsäuberlich eingerichteten und sortierten
Gewächshäusern wider. Generell scheint sich in der Welt
von „Little Joe“ alles sehr perfekt arrangiert anzuordnen.
Es
ist eine kühle, durchstrukturierte Welt, in welcher Emotionen
nie oder nur sehr spärlich eruptiv an die Oberfläche dringen.
Einen sehr schönen Kontrast dazu bietet das kräftige, ja
fast schon lebendige Rot der Little Joes, eingebettet in eine Welt
der eher betont satten Farben. Es sind diese fast schon hypnotischen
Bilder aus dem Gewächshaus, die sehr gelungen sind und voller
cineastischer kreativer Energie sind. Es sind die Bilder, die den
Film tragen. Die Handlung ist originell, aber kann nicht immer überzeugen.
Es ist die Musik, die mit den Bildern eine geniale Symbiose eingeht.
Die Filmmusik geht auf dem 1982 verstorbenen japanischen Avantgarde-Komponisten
Teiji Ito zurück und berührt den Zuschauer emotional zutiefst.
„Little Joe“ lässt sich nur schwer fassen, wenn es
um eine eindeutige Genre-Einordnung geht. Gerade das macht den Film
sehr sympathisch.
Er
ist Kunstfilm, ein wenig Horror und auch gesellschaftskritisch. Aber
vielleicht auch nur ein Rätsel in einem Rätsel oder nichts
von alledem. Menschen werden glücklich – dagegen ist wenig
einzuwenden. Aber was bedeutet Glück eigentlich? Diese Fragen
kratzt der Film an und verhandelt sie eigentümlich. Eine eindeutige
Interpretation erschließt sich kaum. Es ist eine Abrechnung
mit toxischer Männlichkeit, mit dem wahnwitzigen und irrealen
Streben nach Glück in einer durchstrukturierten Welt, die Glück
als Mittel zur Perfektion ansieht. Totalitarismus, der sich offenbart
in einer neoliberalen Weltsicht. Der Sieg des Materialismus. Glück
als Selbstwert einer Spaßgesellschaft, die Tod und Alter verdrängt
und sich in scheinbar endlosen Vergnügungen spiegelt. Wo die
Intention absichtlich nebulös scheint, ist es die starke Leistung
der Schauspielerinnen und Schauspieler nicht. Emily Beecham („Hail,
Caesar!“) in der Hauptrolle ist großartig und perfekt
besetzt. Sie spielt emotional unterkühlt und erreicht genau damit
eine enorme Intensivität, die unter die Haut geht. Dieser Film
lässt Bilder sprechen und regt zu Diskussionen an. Ein Film der
besonderen Art.
LITTLE
JOE - Glück ist ein Geschäft
Österreich, Deutschland, Großbritannien 2019 | X Verleih
| VÖ: 31. Juli 2020 (FSK 12) R: Jessica Hausner | D: Emily
Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox