Als
Wiebke nach
langem Warten die Chance bekommt, ein weiteres Mädchen, Raya,
aus Bulgarien, zu adoptieren, geht für sie und ihre Tochter Nikolina
ein langersehnter Wunsch in Erfüllung. Nach der anfänglichen
Freude über die neue Schwester, merken Wiebke und Nikolina bald,
dass die kleine Raya etwas verbirgt.
Wiebke
(Nina Hoss) betreibt nicht nur einen eigenen Reiterhof, auf dem unter
anderem Polizeipferde trainiert werden, sondern adoptierte mit Nicolina
(Adelia-Constance Ocleppo) auch schon einmal ein osteuropäisches
Mädchen – mit Erfolg. Ihr neuer Schützling, die fünfjährige
Raya (Katerina Lipovska), macht es ihr da nicht ganz so einfach. Sie
beschmiert das Bad mit Fäkalien, spießt tote Tiere auf
und zwingt schwächere Kinder zu „Doktorspielen“.
Und während selbst die Neurologen glauben, dass eine Besserung
nur noch in einer spezialisierten Einrichtung erfolgen kann, will
Wiebke nicht aufgeben – und greift zu immer extremeren Methoden...
„Pelikanblut“
von Regisseurin Katrin Gebbe („Tore tanzt“) ist ein spannendes
Drama, dass verstört und zu kontroversen Diskussionen führen
wird. Der Film ist provokant, glänzend inszeniert und brilliert
mit einer Nina Hoss („Yella“), die eine unglaubliche schauspielerische
Leistung abliefert. Inhaltlich erinnert der Film an einen anderen
deutschen Film, der für großes Aufsehen sorgte. Die Rede
ist von „Systemsprenger“, der auf der Berlinale mit einem
Silbernen Bären ausgezeichnet wurde und zudem als deutscher Vertreter
ins anstehende Oscar-Rennen ging. Katrin Gebbe geht allerdings in
„Pelikanblut“ einen anderen, einen extremeren Weg. Der
Film, der im Programm der Filmfestspiele in Venedig lief, steigert
das Thema und lotet dabei die Abgründe der menschlichen Seele
aus.
Das
traumatisierte Kind in „Pelikanblut“ ist erst fünf
Jahre alt und wahrlich kein Sympathieträger. Raya kann keinerlei
Empathie oder Liebe empfinden, nachdem das Kind in jungen Jahren schwerwiegende
Traumata erlitten hat. Katrin Gebbe setzt als Regisseurin bewusst
Stilmittel des Horrorkinos an, um ihre Handlung zu beschleunigen.
Die häufig auftretenden Nebelschwaden und die Anfälle von
Raya erinnern positiv an bekannte Genrevertreter und erzeugen eine
mysteriöse und unheilvolle Stimmung. Das fünfjährige
Kind entfernt sich immer mehr aus dem realitätsbezogenen Kontext
und wirkt im Verlauf des Films mehr und mehr wie ein von einem Dämon
besessenes Wesen. Der film spielt dabei gekonnt mit den Erwartungen
der Zuschauerinnen und Zuschauer. Das Ende schließlich hat es
in sich und wird für viel Gesprächsstoff und Kontroversen
sorgen. Es ist konsequent und absolut passend für das vorherige
Geschehen.
Katrin
Gebbe erweist sich als konsequente Regisseurin, die keinen Zoll breit
von ihrer Vision abzugehen bereit ist. Das ist so erfrischend wie
erfreulich. Man muss diesen Film nicht mögen, aber an ihm vorbei
kommt man nicht. Nina Hoss in der Hauptrolle liefert eine furiose
schauspielerischer Leistung ab. Sie wirkt zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig,
ihre Handlungen sind konsequent motiviert. Ihre Darstellung als aufopferungsvolle
Mutter, die an ihre Grenzen und weit darüber hinaus geht, reißt
mit und fesselt auf eine tiefe emotionale Art und Weise. Ihr absolut
fester Glauben an die Kraft der Liebe, der bedingungslos ist, erinnert
an die Hauptfigur in „Tore tanzt“, einem weiteren Film
von Regisseurin Katrin Gebbe. „Pelikanblut“ ist großes
Kino, dass nun auf DVD, Blu-ray und online zu bewundern ist.