DVD & BLU-RAY | 16.12.2022

PIGGY

Nicht jeder liebt die Sommerzeit. Für die übergewichtige Sara bedeutet „Sommer“ nur, dass sie ständig mit dem Gelächter, den Urteilen und Beschimpfungen der Schulschönheiten zu kämpfen hat. Doch dann taucht ein mysteriöser Unbekannter im Dorf auf und plötzlich sind Saras Peinigerinnen spurlos verschwunden.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Neue Pierrot Le Fou

Nicht jeder liebt die Sommerzeit. Für Sara (Laura Galán) bedeutet er nur, dass sie ständig mit dem Spott, den Urteilen und den Beschimpfungen der anderen Mädchen in ihrem Dorf zu kämpfen hat. Aber heute ist es anders. Ein mysteriöser Unbekannter taucht im Dorf auf und entführt ihre Peiniger. Endlich hat sich jemand für sie eingesetzt. Sara sieht alles: das Blut, den Schlamm, das Messer und den Wagen, in dem er sie entführt hat. Und der unbekannte Mann hat sie gesehen. Ein wortloser Pakt, den keiner von beiden verraten wird. Sie ist jetzt eine Komplizin. Eine Reihe von Verbrechen erschüttert das Dorf, und bald beginnt eine Untersuchung. Die Bürgerwache hat endlose Fragen, die Dorfbewohner sind misstrauisch und zeigen mit dem Finger, die älteren Nachbarn tratschen. Die Hitze ist erdrückend, der Druck ebenfalls und ihre Schuldgefühle quälen sie. Was, wenn sie entdeckt wird? Was ist mit den Mädchen geschehen? Was ist, wenn der Unbekannte zurückkehrt?

PIGGY ist das gelungene und sehenswerte Spielfilmdebüt der spanischen Regisseurin und Drehbuchautorin Carlota Pereda. Der Film ist eine interessante Kombination aus Krimi, Thriller und einer packenden Coming-of-Age-Geschichte. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind in diesem Film fließend, der sich rigoros einem moralischen Imperativ entzieht. Das Thema Mobbing wird dabei bewusst offensiv angegangen und beschrieben. Wie ist das Verhältnis zwischen Oper und Täter? Wie sollte man sich verhalten, wenn man mitansieht, wie ein Mensch das Opfer einer brutalen Entführung wird, dieser Mensch zugleich jedoch verantwortlich für brutales Mobbing gegenüber dem Zeugen?


© Neue Pierrot Le Fou

Dieses fatale Dilemma thematisiert dieser Film und präsentiert keine einfachen Antworten, generiert dabei jedoch fundamentale Entscheidungen und provoziert Diskussionen. Laura Galán verkörpert in der Hauptrolle diese Zerrissenheit großartig und zieht dabei alle Register ihres schauspielerischen Könnens. Sie verkörpert genau die richtige Mischung aus Traurigkeit, Panik, Angst und Stärke, um ihrer Figur die notwendige Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dabei sind es oft die kleinen Gesten in ihrem Schauspiel, die nonverbalen Momente, die unter die Haut gehen und für die notwendige Glaubwürdigkeit sorgen. Der Film nimmt sich viel Zeit, um das familiäre und gesellschaftliche Umfeld seiner Hauptfigur auszuleuchten und ihre Motivation glaubhaft erscheinen zu lassen.

Gekonnt und handwerklich sicher, pendelt die Regisseurin zwischen Familiendrama und düsterem Thriller und legt Schicht um Schicht der beteiligen Personen frei. Im letzten Akt zieht das Tempo deutlich an und mündet in einem spannenden Finale, die mit einer gehörigen Horror-Note gewürzt wird. Die Hauptfigur muss eine existentielle Entscheidung treffen und ihre charakterliche Entwicklung beenden. Selten hat man Mobbing so hautnah und brutal erlebt. Dieser Realismus, der durch den Bezug auf Social-Media verstärkt wird, macht den Film so greifbar und die Motivation seiner Hauptfigur so erlebbar. Da ist es verschmerzbar, dass einige Szenen gewisse Längen aufweisen. PIGGY ist ein gelungenes Debüt, das Lust auf mehr macht.


PIGGY

ET: 25.11.22: Digital / 02.12.22: DVD, Blu-ray und limitiertes und serialisiertes Mediabook | FSK 16
R: Carlota Pereda | D: Laura Galán, Richard Holmes (II), Carmen Machi
Spanien, Frankreich 2021 | Neue Pierrot Le Fou


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