1996
kündigte der Songwriter John Perry der „Grateful Deads“
mit dem Beginn des Internets „eine Zivilisation des Geistes“
an. F. war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal vier Jahre alt. Doch
nur ein paar Jahre später sah die Italienerin ihre Privatsphäre
als überholt an, nannte sich von nun an Eva und stellte ihr Tagebuch
in Form eines Blogs ins Internet. Was folgte, war ein steiler Aufstieg
als Internet-Star und als Ikone der Blogger-Welt. Heute ist Eva 20
und schwankt zwischen ihrem echten Leben als Vagabundin, Randfigur,
feministische Sexarbeiterin und dem Leben ihres Internet-Ichs. Die
Filmemacherin Pia Hellenthal begibt sich in ihrem Dokumentarfilm auf
die Spuren einer Frau, die im Zeitalter des Internets erwachsen wurde
und die die Suche nach dem Ich als ein öffentliches Spektakel
zelebriert hat. Dabei wird Evas Leben stets begleitet von Sugar Daddies,
Laufstegen und immer wechselnden Großstädten…
Was
ist Wahrheit? Wie kann man Wahrheit in einem Dokumentarfilm abbilden?
Wo liegen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit? Mit diesen
und einigen weiteren Fragen wird man konfrontiert, wenn man sich „Searching
Eva“ von Regisseurin Pia Hellenthal anschaut. Dieser Dokumentarfilm,
der bereits erfolgreich auf Filmfestivals lief und jetzt auf DVD erscheint,
ist eine sehenswerte und herausfordernde cineastische Reise voller
Widersprüche, wunderschöner Momente und menschlichen Abgründen.
Die Hauptfigur bleibt auch nach 88 Minuten Spielzeit rätselhaft
fragmentarisch, aber vielleicht ist das ja gerade die Absicht des
Films, der bewusst mit den Erwartungen des Publikums spielt.
Gerade
weil die Hauptfigur ihr Leben so transparent lebt, bleibt sie eine
Kunstfigur, ein digitaler Schatten in unserer realen Welt. Aber ist
die Wahrheit dahinter wichtig? „Searchin Eva“ ist kein
filmisches Porträt über einen Menschen, sondern ein filmisches
Porträt mit einem Menschen. Was das genau bedeutet, kann man
allerdings nur erahnen. Genauso, wie man nur erahnen kann, was echt
ist und was gestellt. Dieser Film ist ein Film zweier interessante
und starker Frauen, die eine Fabel über Identität und Wahrheit
erzählen. Es ist eine irrwitzige Schnitzeljagd ohne Ausgang.
Wann ist man einem Menschen nah? Wenn er nackt ist, wie Eva in einigen
Szenen? Nacktsein, der Ausflug in das Intime, ist nur eine weitere
Scharade. Selten war ein Dokumentarfilm faszinierender und verstörender
zugleich.