Luisa
ist 20 Jahre alt, stammt aus gutem Haus, studiert Jura im ersten Semester.
Und sie will, dass sich etwas verändert in Deutschland. Alarmiert
vom Rechtsruck im Land und der zunehmenden Beliebtheit populistischer
Parteien, tut sie sich mit ihren Freunden zusammen, um sich klar gegen
die neue Rechte zu positionieren.
Die
aus gutem Hause stammende Luisa (Mala Emde) studiert im ersten Semester
Jura – und spürt innerlich, dass sich etwas ändern
muss in diesem Land, das immer weiter nach rechts rückt und in
dem die populistischen Parteien stetig an Zulauf gewinnen. Zunächst
tut sie sich mit einigen ihrer Freunde zusammen, um gegen die „Faschos“
zu demonstrieren. Dabei lernt die Studentin den charismatischen Alfa
(Noah Saavedra) und dessen besten Freund Lenor (Tonio Schneider) kennen.
Für ihre neuen Bekannten ist auch Gewalt ein legitimes Mittel,
um Widerstand zu leisten. Die Situation spitzt sich immer weiter zu,
bis sich Luisa endgültig entscheiden muss, wie weit zu gehen
sie bereit ist – mit allen Konsequenzen, die das für sie,
ihre Familie und ihre Freunde haben könnte...
„Und
morgen die ganze Welt“ von Regisseurin Julia von Heinz („Ich
bin dann mal weg“) ist ein gutes Beispiel für ambitioniertes
junges Kino, dass sich an gesellschaftlich relevante Themen herantraut
und keine Angst hat damit kontroverse Reaktionen hervorzurufen. So
weit zu gut. Allerdings kann der Spielfilm, der als deutscher Beitrag
der Filmfestspiele von Venedig im vergangenen Jahr eingeladen wurde,
die Erwartungen nicht ganz erfüllen, die in ihn hineinprojiziert
wurden. Die Handlung und die Motivation der Hauptfigur wirken unausgegoren.
Damit ist nicht gemeint, dass die Handlung des Films beim Publikum
einen ambivalenten Eindruck hinterlässt. Das ist im Gegenteil
positiv. Ist Gewalt gegenüber dem politischen Gegner erlaubt
und wenn ja, wann ist Gewalt angebracht? Dieser Frage spürt der
Film nach. Ebenso zeigt er sehr schön auf, wie sich Menschen
radikalisieren.
Die
Radikalisierung der Hauptfigur ist jedoch nicht wirklich nachzuvollziehen.
Ein Schlüsselmoment für ihre Radikalisierung ist der Augenblick,
als sie bei einer Verfolgungsjagd von einem Mann sexuelle Gewalt erfährt.
Das mag vielleicht ein emotional starker Akt der Motivation sein,
er nimmt aber der Hauptfigur wesentliche Aspekte der weiblichen Selbstbestimmung.
Es ist sehr klischeehaft, dass sie sich als Frau nicht etwa radikalisiert,
weil sie intelligent und reflektiert ist und es einfach will. Es bedarf
eines emotionalen Stressmoments. Das klingt nach simpler Küchenpsychologie
und hat wenig mit Feminismus zu tun. Das ist sehr schade, weil der
Film sehr spannende und gut inszenierte Momente hat.
„Und
morgen die ganze Welt“ bietet dem Publikum keine einfachen Antworten,
wenn es um Widerstand, Gewaltanwendung und Terrorismus geht. Bekanntlich
ist die Widerstandskämpferin von Heute die Terroristin von Morgen.
In dieser Hinsicht ist der Film mutig, weil er sich gängigen
politisch korrekten Antworten bewusst entzieht. Für die Regisseurin
ist der Film eine cineastische Auseinandersetzung mit der eigenen
politischen Vergangenheit. Vor 20 Jahren hat sie selbst in der Antifa
mitgewirkt. Auch nach zwei Jahrzehnten scheint sie mit ihrer Vergangenheit
zu ringen, wenn es um die „richtigen“ Antworten geht.
Daraus zieht der Film seine Stärke.
Besonders
in einer Zeit, wo die Menschen in ihren ideologischen Schützengräben
verharren und stets für alles die richtige Antwort zu haben scheinen.
Sehr stark die Figur des „Veteranen“ Dietmar, der nach
seiner Zeit im Gefängnis ohne Ideale ausgebrannt in der Realität
dieser Gesellschaft angekommen ist. Der Film regt bewusst das Publikum
zum nachdenken an und lässt es zum Ende hin alleine und verweigert
Antworten. In diesem Moment ist „Und morgen die ganze Welt“
ein starker Film, trotz all seiner Schwächen.
UND
MORGEN DIE GANZE WELT
Deutschland, Frankreich 2020 | Alamode Film | VÖ:
01.03.21 (digital), 12.03.21 (DVD, Blu-ray) (FSK 12) R: Julia von Heinz | D: Mala
Emde, Noah Saavedra, Tonio Schneider