DVD & BLU-RAY | 23.07.2020

YUNG

YUNG ist der flirrende Trip von vier jungen Mädchen durch die pulsierende und hedonistische Subkultur des modernen Berlins, vor allem aber ein pures, raues und authentisches Porträt ihrer Freundschaft. Das Spielfilm-Regiedebüt von Henning Gronkowski ist auf DVD und als VoD erhältlich.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Milena Wojhan © Alamode Film

Die vier Freundinnen Janaina (Janaina Liesenfeld), Emmy (Emily Lau), Joy (Joy Grant) und Abbie (Abbie Dutton) leben in Berlin, wo sie das pulsierende und hedonistische Leben in der Großstadt in vollen Zügen genießen. Während die gerade einmal volljährige Emmy im Rausch der Hauptstadt gar nicht mitbekommt, wie sie immer weiter in die Abhängigkeit gerät, bessert die erst 17-Jährige Janaina ihr Taschengeld mit Webcam-Sex auf – denn irgendwie muss der Berliner Lifestyle ja auch finanziert werden. Joy verdient ihre Brötchen mit dem Verticken von Drogen und ist abgesehen davon beschäftigt, sich über die Liebe den Kopf zu zerbrechen, die 16-jährige Abbie hat indes jedoch schon große Pläne: Sie will auf keinen Fall für immer in Berlin bleiben und später mal nach Los Angeles auswandern. Irgendwo zwischen allem und nichts versuchen die vier Mädchen der „Lost Generation“, ihren Weg zu finden...

YUNG ist das kontroverse und ambitionierte Spielfilm-Regiedebüt von Henning Gronkowski, das nun auf DVD und als VoD erhältlich ist. Bei einer sorgfältigen Betrachtung dieses Films muss man die verschiedenen Ebenen erkennen und trennen. Da ist die Ebene die bewusst schockieren will und den Zuschauer mit plakativ dargestellten Extremszenen bombardiert. Etwa wenn die vier Hauptdarstellerinnen nach eine berauschten Partynacht in der Öffentlichkeit in einer Straßenecke pinkeln. Oder wenn die Hauptdarstellerinnen sich ständig gegenseitig die berüchtigte Partydroge GHB, umgangssprachlich auch bekannt als „Liquid Ecstasy“ in den Mund tröpfeln und mit jeder Menge Alkohol nachspülen. Hinzu kommen viele zusammenhanglose Partyszenen und Webcam-Sexszenen. An dieser Stelle könnte man „YUNG“ als oberflächliche und auf simplen Schauwerten basierende Filmproduktion abtun. Das würde dem Film aber nicht gerecht werden.


© Alamode Film

Mit Sicherheit ist „YUNG“ als provokanter Film geplant, der bewusst skandalös erscheinen will. Es gibt viele Dinge, die man kritisch hinterfragen muss. So die vier Hauptdarstellerinnen im Film unter ihrem Realnamen auf: Janaina (Janaina Liesenfeld), Emmy (Emily Lau), Joy (Joy Grant) und Abbie (Abbie Dutton). Es ist grenzwertig, wenn 17-jährige in expliziten Sexszenen gezeigt werden. Die Grenze zwischen Voyeurismus und realistischer Darstellungsweise ist da sehr dünn, zumal der Regisseur ein Mann ist. Auf der anderen Seite bietet der Film einen schonungslosen und ernüchternden Blick auf eine „verlorene“ Generation. Das mit Prostitution verdiente Geld wird anschließend auf Technopartys und für hedonistische Vergnügungen ausgegeben. Der Kapitalismus und Individualismus auf die Spitze getrieben. Die freiwillige Selbstausbeutung für das bloße Vergnügen.

Wenn man nun von einem „Skandalfilm“ sprechen und schreiben würde, würde man in die Skandalfalle tappen und dem Film nicht gerecht werden. Jede moralisierende Kritik wäre die beste PR für diesen Film. Doch worum geht in „YUNG“ wirklich? Was liegt hinter der glitzernd-ernüchternden Fassade der vier Hauptfiguren? Schließlich haben wir schon viele Filme gesehen, die sich mit dem Moloch Berlin beschäftigen. Man denke nur „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, „Berlin Alexanderplatz“ und „Berlin Calling“. „Im Osten nichts Neues“ mag man da denken. Die klischeegewordene Hauptstadt. Alles ist extrem, die Menschen, die Gesellschaft, die Abgründe. Das stumpft ab und schreckt nicht mehr auf.


© Alamode Film

Kommen wir also zu den wichtigen und gelungenen Faktoren, die „YUNG“ zu einem interessanten und sehenswerten Film machen. Da sind in erster Linie die vier Hauptdarstellerinnen, die eine tolle schauspielerische Leistung abliefern, angeführt von einer genial agierenden Emily Lau, die sich damit für große Aufgaben qualifiziert. Aber auch die anderen drei Darstellerinnen liefern eine erstklassige Arbeit ab. Da wirkt nichts gestellt oder übertrieben. Sie haben alle ein sehr gutes Gespür für das richtige Timing. Wenn etwa Emmy mit ihren Freudinnen darüber fachsimpelt wie unattraktiv Penisse sind, ist das auf der Metabene großes Kino, dass schon fast an die legendären Tarantino-Dialoge erinnert. Oder wenn Janaina über den Sinn des Lebens nachdenkt. In diesen Momenten gewinnt eine „YUNG“ eine sehr spannende Tiefe. Die Figuren lösen sich von ihrer materialistischen Hülle und werden als Menschen erkennbar. Dann wird die ganze Tragik ihrer Existenz erkennbar, die zwischen Drama und Komödie pendelt.

Handwerklich liefert Henning Gronkowski, der in der Vergangenheit in den legendären Filmen von Klaus Lemke bekannt wurde, ein überzeugendes Spielfilm-Regiedebüt ab. Der Film wirkt in weiten Teilen stark improvisiert und dokumentarisch. Das erinnert stark an die Filme von Klaus Lemke. Bewusst setzt der Regisseur das Prinzip „Confessional“ ein, wo die Akteurinnen im Film immer wieder alleine vor einem neutralen Hintergrund sitzen und über sich und das Leben sprechen. Das verstärkt den realistischen Charakter des Films und die Authentizität der Hauptfiguren und spielt gekonnt mit den Erwartungen und Sehnsüchten der Zuschauer. Für Serienfans gibt es zudem ein nettes Filmzitat, wenn man Bekanntschaft macht mit einer Drogenküche, die in einem Wohnwagen untergebracht ist. „YUNG“ ist eine diskussionswürdige und kontroverse Momentaufnahme einer Generation, die für viel Gesprächsstoff sorgen wird. Aber auch als Rahmen für die Entdeckung von vier sehr talentierten Nachwuchsdarstellerinnen, die noch für viel Furore in der Filmwelt sorgen werden.


YUNG

Deutschland 2019 | Alamode Film | : 24. Juli 2020 (FSK 16)
R: Henning Gronkowski | D: Janaina Liesenfeld, Emily Lau, Joy Grant
, Abbie Dutton

 


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