YUNG
ist der flirrende Trip von vier jungen Mädchen durch die pulsierende
und hedonistische Subkultur des modernen Berlins, vor allem aber ein
pures, raues und authentisches Porträt ihrer Freundschaft. Das
Spielfilm-Regiedebüt von Henning Gronkowski ist auf DVD und als
VoD erhältlich.
Die
vier Freundinnen Janaina (Janaina Liesenfeld), Emmy (Emily Lau), Joy
(Joy Grant) und Abbie (Abbie Dutton) leben in Berlin, wo sie das pulsierende
und hedonistische Leben in der Großstadt in vollen Zügen
genießen. Während die gerade einmal volljährige Emmy
im Rausch der Hauptstadt gar nicht mitbekommt, wie sie immer weiter
in die Abhängigkeit gerät, bessert die erst 17-Jährige
Janaina ihr Taschengeld mit Webcam-Sex auf – denn irgendwie
muss der Berliner Lifestyle ja auch finanziert werden. Joy verdient
ihre Brötchen mit dem Verticken von Drogen und ist abgesehen
davon beschäftigt, sich über die Liebe den Kopf zu zerbrechen,
die 16-jährige Abbie hat indes jedoch schon große Pläne:
Sie will auf keinen Fall für immer in Berlin bleiben und später
mal nach Los Angeles auswandern. Irgendwo zwischen allem und nichts
versuchen die vier Mädchen der „Lost Generation“,
ihren Weg zu finden...
YUNG
ist das kontroverse und ambitionierte Spielfilm-Regiedebüt von
Henning Gronkowski, das nun auf DVD und als VoD erhältlich ist.
Bei einer sorgfältigen Betrachtung dieses Films muss man die
verschiedenen Ebenen erkennen und trennen. Da ist die Ebene die bewusst
schockieren will und den Zuschauer mit plakativ dargestellten Extremszenen
bombardiert. Etwa wenn die vier Hauptdarstellerinnen nach eine berauschten
Partynacht in der Öffentlichkeit in einer Straßenecke pinkeln.
Oder wenn die Hauptdarstellerinnen sich ständig gegenseitig die
berüchtigte Partydroge GHB, umgangssprachlich auch bekannt als
„Liquid Ecstasy“ in den Mund tröpfeln und mit jeder
Menge Alkohol nachspülen. Hinzu kommen viele zusammenhanglose
Partyszenen und Webcam-Sexszenen. An dieser Stelle könnte man
„YUNG“ als oberflächliche und auf simplen Schauwerten
basierende Filmproduktion abtun. Das würde dem Film aber nicht
gerecht werden.
Mit
Sicherheit ist „YUNG“ als provokanter Film geplant, der
bewusst skandalös erscheinen will. Es gibt viele Dinge, die man
kritisch hinterfragen muss. So die vier Hauptdarstellerinnen im Film
unter ihrem Realnamen auf: Janaina (Janaina Liesenfeld), Emmy (Emily
Lau), Joy (Joy Grant) und Abbie (Abbie Dutton). Es ist grenzwertig,
wenn 17-jährige in expliziten Sexszenen gezeigt werden. Die Grenze
zwischen Voyeurismus und realistischer Darstellungsweise ist da sehr
dünn, zumal der Regisseur ein Mann ist. Auf der anderen Seite
bietet der Film einen schonungslosen und ernüchternden Blick
auf eine „verlorene“ Generation. Das mit Prostitution
verdiente Geld wird anschließend auf Technopartys und für
hedonistische Vergnügungen ausgegeben. Der Kapitalismus und Individualismus
auf die Spitze getrieben. Die freiwillige Selbstausbeutung für
das bloße Vergnügen.
Wenn
man nun von einem „Skandalfilm“ sprechen und schreiben
würde, würde man in die Skandalfalle tappen und dem Film
nicht gerecht werden. Jede moralisierende Kritik wäre die beste
PR für diesen Film. Doch worum geht in „YUNG“ wirklich?
Was liegt hinter der glitzernd-ernüchternden Fassade der vier
Hauptfiguren? Schließlich haben wir schon viele Filme gesehen,
die sich mit dem Moloch Berlin beschäftigen. Man denke nur „Wir
Kinder vom Bahnhof Zoo“, „Berlin Alexanderplatz“
und „Berlin Calling“. „Im Osten nichts Neues“
mag man da denken. Die klischeegewordene Hauptstadt. Alles ist extrem,
die Menschen, die Gesellschaft, die Abgründe. Das stumpft ab
und schreckt nicht mehr auf.
Kommen
wir also zu den wichtigen und gelungenen Faktoren, die „YUNG“
zu einem interessanten und sehenswerten Film machen. Da sind in erster
Linie die vier Hauptdarstellerinnen, die eine tolle schauspielerische
Leistung abliefern, angeführt von einer genial agierenden Emily
Lau, die sich damit für große Aufgaben qualifiziert. Aber
auch die anderen drei Darstellerinnen liefern eine erstklassige Arbeit
ab. Da wirkt nichts gestellt oder übertrieben. Sie haben alle
ein sehr gutes Gespür für das richtige Timing. Wenn etwa
Emmy mit ihren Freudinnen darüber fachsimpelt wie unattraktiv
Penisse sind, ist das auf der Metabene großes Kino, dass schon
fast an die legendären Tarantino-Dialoge erinnert. Oder wenn
Janaina über den Sinn des Lebens nachdenkt. In diesen Momenten
gewinnt eine „YUNG“ eine sehr spannende Tiefe. Die Figuren
lösen sich von ihrer materialistischen Hülle und werden
als Menschen erkennbar. Dann wird die ganze Tragik ihrer Existenz
erkennbar, die zwischen Drama und Komödie pendelt.
Handwerklich
liefert Henning Gronkowski, der in der Vergangenheit in den legendären
Filmen von Klaus Lemke bekannt wurde, ein überzeugendes Spielfilm-Regiedebüt
ab. Der Film wirkt in weiten Teilen stark improvisiert und dokumentarisch.
Das erinnert stark an die Filme von Klaus Lemke. Bewusst setzt der
Regisseur das Prinzip „Confessional“ ein, wo die Akteurinnen
im Film immer wieder alleine vor einem neutralen Hintergrund sitzen
und über sich und das Leben sprechen. Das verstärkt den
realistischen Charakter des Films und die Authentizität der Hauptfiguren
und spielt gekonnt mit den Erwartungen und Sehnsüchten der Zuschauer.
Für Serienfans gibt es zudem ein nettes Filmzitat, wenn man Bekanntschaft
macht mit einer Drogenküche, die in einem Wohnwagen untergebracht
ist. „YUNG“ ist eine diskussionswürdige und kontroverse
Momentaufnahme einer Generation, die für viel Gesprächsstoff
sorgen wird. Aber auch als Rahmen für die Entdeckung von vier
sehr talentierten Nachwuchsdarstellerinnen, die noch für viel
Furore in der Filmwelt sorgen werden.
YUNG
Deutschland 2019 | Alamode Film | VÖ: 24.
Juli 2020 (FSK 16) R: Henning Gronkowski | D: Janaina
Liesenfeld, Emily Lau, Joy Grant,
Abbie
Dutton