KINO | 15.01.2025

A REAL PAIN

Die ungleichen Cousins Davidund Benji reisen gemeinsam nach Polen, um mehr über das Leben ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter zu erfahren. Der Roadtrip, der als Reise in die Vergangenheit gedacht war, konfrontiert die beiden mit der Gegenwart, in der sie ihre Beziehung zueinander und ihre Familiengeschichte hinterfragen.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2024 SEARCHLIGHT PICTURES

David (Jesse Eisenberg) und Benji (Kieran Culkin) sind Cousins und wollen als in den Vereinigten Staaten lebende Juden mehr über ihre Wurzeln erfahren. Also planen sie eine Reise nach Polen. Dort wuchs ihre Großmutter einst auf. Das gestaltet sich jedoch aus den verschiedensten Gründen alles andere als leicht. Denn die beiden Männer könnten unterschiedlicher nicht sein: David ist sehr darauf bedacht, möglichst viel Struktur in seinem Leben zu haben, während Benji ein Freigeist voller Spontanität ist. Auch vor Ort in Polen kommt es dadurch immer wieder zu Reibereien. Doch den tiefsten Graben zwischen den beiden bilden nicht unbedingt die verschiedenen Lebensentwürfe, sondern ein noch nicht sonderlich lange zurückliegendes Ereignis, mit dem die beiden bisher einfach keinen gemeinsamen Umgang finden konnten. Doch die Reise in die Vergangenheit der gemeinsamen Großmutter bringt die beiden emotional wieder näher zueinander und es scheint, als ob sie wieder näher aneinanderrücken können.

"A Real Pain" bedeutet im Englischen nicht nur "ein echter Schmerz", sondern auch "ein echter Störenfried" oder "Nervtöter". Diese Doppeldeutigkeit spiegelt sich treffend im Verhältnis der beiden Cousins David (Jesse Eisenberg selbst) und Benji (Kieran Culkin) wider, deren Reise nach Polen zur Gedenkstätte ihrer Großmutter eine tragikomische Auseinandersetzung mit Familiengeschichte, Trauma und der eigenen Identität wird. Der Film bietet vielschichtige Ansätze, lässt aber auch einige Fragen offen. Im Zentrum von "A Real Pain" steht die Beziehung zwischen David und Benji. David, der neurotische und introvertierte Part, verkörpert den pflichtbewussten Enkel, der die Reise antritt, um der verstorbenen Großmutter die Ehre zu erweisen und sich mit seinen Wurzeln auseinanderzusetzen. Benji hingegen, der impulsive und unberechenbare Cousin, scheint die Reise eher als willkommene Abwechslung von seinem ziellosen Leben zu betrachten.


© 2024 SEARCHLIGHT PICTURES

Diese unterschiedlichen Motivationen und Persönlichkeiten sorgen für eine dynamische und oft konfliktgeladene Beziehung zwischen den beiden. Eisenberg und Culkin harmonieren hervorragend miteinander und verkörpern die beiden Charaktere mit großer Authentizität. Die Chemie zwischen ihnen ist spürbar und trägt maßgeblich zum Unterhaltungswert des Films bei. Die Reise nach Polen dient nicht nur als Kulisse für die Handlung, sondern spielt auch eine wichtige Rolle bei der Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte. Die Besichtigung von Gedenkstätten und ehemaligen jüdischen Vierteln konfrontiert die Cousins auf unterschiedliche Weise mit dem Trauma des Holocaust und dem Schicksal ihrer Vorfahren. Während David versucht, die Geschichte zu verstehen und zu verarbeiten, scheint Benji eher unberührt und distanziert zu bleiben. Diese unterschiedlichen Reaktionen verdeutlichen die unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Cousins an das Leben und die Vergangenheit.

"A Real Pain" balanciert gekonnt zwischen tragischen und komischen Momenten. Der Film vermeidet es, in reine Melodramatik oder alberne Komik abzudriften, sondern findet einen eigenen, berührenden Ton. Die humorvollen Dialoge und skurrilen Situationen lockern die bedrückende Thematik auf und sorgen für einige Lacher. Gleichzeitig werden die tragischen Aspekte der Familiengeschichte und die inneren Konflikte der Charaktere mit der nötigen Sensibilität behandelt. Trotz der vielen positiven Aspekte weist "A Real Pain" auch einige Schwächen auf. Die Charakterentwicklung der meisten Nebenfiguren bleibt oberflächlich, und die Handlung verliert stellenweise an Fokus. Auch die Auflösung einiger Konflikte wirkt etwas abrupt und unbefriedigend. Zudem konzentriert sich der Film zu sehr auf die Dynamik der beiden Cousins und vernachlässigt dabei die Auseinandersetzung mit der polnischen Geschichte und Kultur. Die Reise selbst dient eher als Katalysator für die Entwicklung der Beziehung zwischen David und Benji, anstatt eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Land und seiner Geschichte zu ermöglichen.


A REAL PAIN

Start: 16.01.25 | FSK 12
R: Jesse Eisenberg | D: Jesse Eisenberg, Kieran Culkin, Will Sharpe
USA 2023 | Walt Disney Germany


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