KINO | 16.04.2025

Blood & Sinners

Beim Versuch, ihr von Problemen geplagtes Leben hinter sich zu lassen, kehren zwei Zwillingsbrüder in ihre Heimatstadt zurück, um dort einen Neuanfang zu wagen. Doch schon bald müssen sie feststellen, dass bei ihrer Rückkehr ein noch größeres Übel auf sie wartet.

von Richard-Heinrich Tarenz


Copyright: © 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.
Photo Credit: Photo Courtesy Warner Bros. Pictures

1932: Die Zwillingsbrüder Elijah und Elias Smoke (beide von Michael B. Jordan gespielt) wollen auf vertrautem Boden noch einmal neu anfangen. Also lassen sie ihr bisheriges Leben in der Unterwelt Chicagos hinter sich und kehren zurück in ihre alte Heimatstadt Clarksdale im Bundesstaat Mississippi, um dort eine Bar aufzumachen. Doch dort scheint alles andere als ein ruhiges Leben auf die Zwillinge zu warten: Nicht nur der Ku-Klux-Klan, sondern offenbar auch Vampire haben es sich vor Ort gemütlich gemacht. Wem können die Brüder also noch vertrauen? Und was führen Mary (Hailee Steinfeld) und Remmick (Jack O'Connell) im Schilde? Für alle, die noch keine spitzen Zähne haben, wird die Lage immer brenzliger. Also muss etwas getan werden, um die Blutsauger zu vertreiben. Zum Glück haben die Smoke-Brüder durch ihre Erfahrungen als Soldaten im Ersten Weltkrieg einiges gelernt und nehmen den Kampf gegen die untote Horde auf.

Ryan Cooglers „Blood & Sinners“ erweist sich als ein ambitioniertes Genremosaik, das die bluesige Melancholie des amerikanischen Südens der Depressionszeit auf kühne Weise mit den Konventionen des Horrorfilms verschmilzt. Bis zur ersten Manifestation des blutsaugenden Antagonisten Remmick nach gut einer Stunde Laufzeit entfaltet sich Cooglers fünfter Langfilm als ein visuell opulentes Südstaaten-Gangsterdrama, dessen atmosphärische Dichte und bildgewaltige Inszenierung bereits in diesen frühen Szenen eine bemerkenswerte Sogkraft entwickeln. Umso überraschender, wenngleich nicht minder fesselnd, vollzieht der Film im weiteren Verlauf einen Genrewechsel, der in seinem bleihaltigen Finale unverkennbar Quentin Tarantinos stilistisches Erbe anklingen lässt.


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Nach seinen kommerziellen und kritischen Erfolgen mit „Creed“ und den „Black Panther“-Filmen betritt Coogler mit „Blood & Sinners“ erstmals Terrain, das weder auf realen Begebenheiten noch auf einem etablierten Franchise fußt. Das beachtliche Budget von 90 bis 100 Millionen Dollar floss sichtbar in die akribische Gestaltung der Sets und die detailreiche Ausstattung, was dem Film eine beeindruckende Authentizität verleiht. Die Kameraarbeit von Autumn Durald, bekannt für ihre Arbeit an „The Last Showgirl“, ist schlichtweg grandios. Gedreht ausschließlich auf 65mm-Analogmaterial, erzeugt sie atemberaubende Bilder von einer eleganten Epik. Der punktuelle Einsatz von IMAX-Kameras führt zu einem dynamischen Wechsel des Bildseitenverhältnisses, der auf extreme Weise zwischen der immersiven Weite des IMAX-Formats und dem Cinemascope-artigen Ultra Panavision oszilliert.

Dieser formale Kniff unterstreicht auf eindrückliche Weise den Kontrast zwischen der epischen Ausdehnung der Baumwollfelder und der beklemmenden Enge des von Vampiren belagerten Juke Joints. Die ersten Einstellungen von „Blood & Sinners“ evozieren unweigerlich Assoziationen zu Martin Scorseses historischen Epen. Die Detailverliebtheit und die akkurate Rekonstruktion der Epoche zeugen von einem ähnlichen Anspruch an Authentizität. Dennoch erweist sich die Musik, unter der Ägide des zweifach Oscar-prämierten Komponisten Ludwig Göransson, der hier auch als ausführender Produzent fungiert, als ein noch integralerer Bestandteil der Handlung und der Figurenzeichnung.


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Cooglers Faszination für Bluesmusik, die den Ursprung des gesamten Projekts bildete – die paradoxe Verbindung von Blues als „Teufelsmusik“ und der Tatsache, dass viele berühmte Bluesmusiker Pfarrerssöhne waren –, durchzieht den Film als ein zentrales Motiv der zugleich heilenden und zerstörerischen Kraft der Musik. Dies kulminiert in einem spektakulären, mehrminütigen One-Take im Juke Joint, in dem Raum und Zeit zu verschwinden scheinen und Jahrhunderte afroamerikanischer Musikgeschichte ineinander verschmelzen. Gleich in der Eröffnungsszene mit den Zwillingsbrüdern demonstriert Michael B. Jordan, der beide Rollen mit bemerkenswerter schauspielerischer Finesse verkörpert, in einer subtilen Interaktion mit sich selbst die nahtlose Integration seiner Doppelperformance. Im weiteren Verlauf verschwindet die Künstlichkeit dieser Doppelrolle nahezu vollständig zugunsten der überzeugenden Darstellung zweier unterschiedlicher Persönlichkeiten.

Das Drehbuch brilliert zudem mit einem detaillierten und spezifischen Wissen über die afroamerikanische Geschichte jener Zeit, das dem aufwendigen Produktionsdesign eine zusätzliche Ebene der Authentizität verleiht. Obwohl „Blood & Sinners“ tief in historischen und kulturellen Kontexten verwurzelt ist, scheut sich Coogler nicht, in der zweiten Hälfte des Films den vampirischen Wahnsinn ungezügelt zu entfesseln. Klassische Horrorelemente wie durchbissene Kehlen und Pfähle in Herzen werden mit unerbittlicher Konsequenz inszeniert. Schlussendlich mündet der Film in einer kathartischen Rachefantasie, die eine deutliche Verbindung zu den Werken Quentin Tarantinos herstellt, wobei das herbeigesehnte Massaker hier jedoch weniger ironisch distanziert als ehrlich wütend und zutiefst persönlich wirkt. „Blood & Sinners“ erweist sich somit als ein mutiger und stilistisch versierter Genre-Hybrid, der sowohl Liebhaber atmosphärischer Südstaaten-Dramen als auch Freunde blutiger Horror-Action gleichermaßen zu fesseln vermag.


BLOOD & SINNERS

Start: 17.04.25 | FSK 16
R: Ryan Coogler | D: Michael B. Jordan, Hailee Steinfeld, Miles Caton
USA 2025 | Warner Bros. GmbH


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