KINO | 28.05.2025

DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH

Wes Anderson ist längst mehr als nur ein Regisseur – er ist ein eigenes Genre. Wenn sein Name auf einem Filmplakat steht, weiß man, was einen erwartet: schräge Dialoge und Figuren in minutiös komponierten Bildern. Als bekennende Bewunderin seiner Filme konnte ich es natürlich kaum erwarten, sein neuestes Werk „Der Phönizische Meisterstreich“ endlich auf der großen Leinwand sehen zu können. Der Titel klingt vielversprechend, fast triumphal. Doch hält der Film, was er verspricht oder ist er am Ende doch mehr Fehlschlag als Meisterstreich?

von Laura Sternberg


© Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved

„Der Phönizische Meisterstreich“, welcher am 18.Mai 2025 bei den Internationale Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte, erzählt die Geschichte des Industriellen Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro), der, nachdem er mehrere Attentatsversuche überlebt, seine entfremdete Tochter Liesl (Mia Threapleton), eine Nonne, zur Alleinerbin seines Imperiums ernennt. Als plötzlich in Kordas Geschäften herumgepfuscht wird, versuchen die beiden, die entstandene Vermögenslücke mit Hilfe von diversen skurrilen Bekanntschaften wieder zu schließen und begeben sich dafür, begleitet von Insektenkundler Bjorn (Michael Cera), auf eine verrückte Reise durch das von Intrigen durchzogene Phönizien.

Seit „The Royal Tannenbaums“ hat sich Wes Anderson eine filmische Handschrift erarbeitet, die einzigartig ist: visuell unverkennbar, stilisiert bis zur Perfektion, dabei durchzogen von einer melancholischen Menschlichkeit gepaart mit meist schwarzem Humor. Dieser Handschrift bleibt er auch mit „Der Phönizische Meisterstreich“ treu. Symmetrische Bildkompositionen, pastellfarbene, künstlich anmutende Kulissen und eine detailverliebte Ausstattung prägen den Film. Die gewohnte Schönheit ist da, ohne Zweifel. Aber das Herz des Films? Das schlägt zu leise.

Was auf dem Papier nach einer brillanten Geschichte klingt, entfaltet sich auf der Leinwand erstaunlich blutleer. Die Figuren wirken meist nicht wie Charaktere, sondern wie Schachfiguren - kunstvoll aufgestellt, aber nicht zum Leben erweckt. Die Dialoge sind gewohnt pointiert, aber selten berührend. Vieles bleibt angedeutet, aber nicht durchdrungen. Besonders die Beziehung zwischen Vater und Tochter, eigentlich das emotionale Zentrum der Geschichte, bleibt seltsam blass. Man versteht, was sie bedeuten sollte, aber nicht was sie fühlt. Und auch wenn viele der hier aufgezählten Elemente im Einzelnen typisch für Wes Anderson sind, in Kombination bilden sie für mich leider einen erzählerischen Totalausfall.

Eigentlich kann Wes Anderson Emotion - auch in Verbindung mit seinem besonderen Stil und seinen oft eigenartigen Charakteren. Das hat er besonders mit „The Royal Tenenbaums“, aber auch mit Filmen wie „Fantastic Mr. Fox“ oder dem „Darjeeling Limited“ bewiesen. In „Der Phönizische Meisterstreich“ fehlt mir dieser emotionale Aspekt jedoch leider komplett und insgesamt fiel es mir diesmal schwer, die Handlung durch und durch nachzuvollziehen. Dazu muss ich sagen, dass ich im Allgemeinen kein großer Fan von Heist- oder Espionage-Filmen bin, jedoch gehofft hatte, dass mir mein Lieblingsregisseur dieses Genre ein wenig zugänglicher machen würde… ohne Erfolg.


© Courtesy of TPS Productions/Focus Features © 2025 All Rights Reserved

Für mich lebt dieser neuste Wes-Anderson-Film besonders von seinem Humor. Immer wieder gab es Szenen, die mich aufgrund von Situationskomik, absolut abgedrehten Figuren und Schauplätzen oder trockenen Gags zum Schmunzeln gebracht haben. Diese gelungenen Momente können die Geschichte im Großen und Ganzen natürlich nicht retten, aber haben immerhin dafür gesorgt, dass ich es während der 102 Minuten Laufzeit sehr gut im Kino ausgehalten habe. Auch die Musik von Alexandre Desolat, ein langjähriger Wegbegleiter Andersons, ist ein Lichtblick: Sie kommentiert, unterläuft und trägt den Film und schafft es dabei gelegentlich auch, doch noch ein wenig Emotionen hervorzurufen.

Vielleicht ist „Der Phönizische Meisterstreich“ aber auch Teil einer bewussten Grenzauslotung. Ich frage mich, ob Wes Anderson derzeit möglicherweise damit beschäftigt ist, sein eigenes Kinoexperiment zu betreiben Wie skurril darf eine Figur sein, wie künstlich ein Dialog, wie überstilisiert eine Szene, bevor das Publikum abspringt? Gut möglich, dass er austestet, wie weit er gehen kann, getragen von dem Wissen, dass sein Name allein längst für einen bestimmten Anspruch und eine gewisse Unantastbarkeit steht.

Natürlich, für mich als Wes-Anderson-Fan ist „Der Phönizische Meisterstreich“ auf keinen Fall ein schlechter Film. Er ist nicht das große Meisterwerk, auf das ich gehofft hatte, aber es ist ein Film, der selbst im Stolpern eleganter ist als die meisten anderen im Stehen. Und doch hinterlässt er eine gewisse Enttäuschung. Nicht, weil er scheitert, sondern weil er sich mit so wenig zufriedengibt. Dieser Film ist so sehr darauf bedacht, Wes Anderson zu sein, dass er vergisst, überhaupt noch irgendetwas anderes zu sein. Aber vielleicht braucht es das, um zu erkennen, wie sehr Form und Inhalt sich gegenseitig bedingen und dass selbst einer der großartigsten Regisseure gelegentlich daran erinnert werden muss, dass Stil kein Ersatz für Substanz ist.

Ich war außerdem zu Gast beim Film- und Serien-Podcast „Der Tele-Stammtisch“ um mit Stu und Schlogger über „Der Phönizische Meisterstreich“ zu sprechen. Zum Podcast hier klicken.


DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH

Start: 29.05.25 | FSK 12
R: Wes Anderson | D: Benicio Del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera
USA 2025 | Universal Pictures Germany


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