Wes
Anderson ist längst mehr als nur ein Regisseur – er ist
ein eigenes Genre. Wenn sein Name auf einem Filmplakat steht, weiß
man, was einen erwartet: schräge Dialoge und Figuren in minutiös
komponierten Bildern. Als bekennende Bewunderin seiner Filme konnte
ich es natürlich kaum erwarten, sein neuestes Werk „Der
Phönizische Meisterstreich“ endlich auf der großen
Leinwand sehen zu können. Der Titel klingt vielversprechend,
fast triumphal. Doch hält der Film, was er verspricht oder ist
er am Ende doch mehr Fehlschlag als Meisterstreich?
„Der
Phönizische Meisterstreich“, welcher am 18.Mai 2025 bei
den Internationale Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte, erzählt
die Geschichte des Industriellen Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro),
der, nachdem er mehrere Attentatsversuche überlebt, seine entfremdete
Tochter Liesl (Mia Threapleton), eine Nonne, zur Alleinerbin seines
Imperiums ernennt. Als plötzlich in Kordas Geschäften herumgepfuscht
wird, versuchen die beiden, die entstandene Vermögenslücke
mit Hilfe von diversen skurrilen Bekanntschaften wieder zu schließen
und begeben sich dafür, begleitet von Insektenkundler Bjorn (Michael
Cera), auf eine verrückte Reise durch das von Intrigen durchzogene
Phönizien.
Seit „The Royal Tannenbaums“ hat
sich Wes Anderson eine filmische Handschrift erarbeitet, die einzigartig
ist: visuell unverkennbar, stilisiert bis zur Perfektion, dabei durchzogen
von einer melancholischen Menschlichkeit gepaart mit meist schwarzem
Humor. Dieser Handschrift bleibt er auch mit „Der Phönizische
Meisterstreich“ treu. Symmetrische Bildkompositionen, pastellfarbene,
künstlich anmutende Kulissen und eine detailverliebte Ausstattung
prägen den Film. Die gewohnte Schönheit ist da, ohne Zweifel.
Aber das Herz des Films? Das schlägt zu leise.
Was
auf dem Papier nach einer brillanten Geschichte klingt, entfaltet
sich auf der Leinwand erstaunlich blutleer. Die Figuren wirken meist
nicht wie Charaktere, sondern wie Schachfiguren - kunstvoll aufgestellt,
aber nicht zum Leben erweckt. Die Dialoge sind gewohnt pointiert,
aber selten berührend. Vieles bleibt angedeutet, aber nicht durchdrungen.
Besonders die Beziehung zwischen Vater und Tochter, eigentlich das
emotionale Zentrum der Geschichte, bleibt seltsam blass. Man versteht,
was sie bedeuten sollte, aber nicht was sie fühlt. Und auch wenn
viele der hier aufgezählten Elemente im Einzelnen typisch für
Wes Anderson sind, in Kombination bilden sie für mich leider
einen erzählerischen Totalausfall.
Eigentlich
kann Wes Anderson Emotion - auch in Verbindung mit seinem besonderen
Stil und seinen oft eigenartigen Charakteren. Das hat er besonders
mit „The Royal Tenenbaums“, aber auch mit Filmen wie „Fantastic
Mr. Fox“ oder dem „Darjeeling Limited“ bewiesen.
In „Der Phönizische Meisterstreich“ fehlt mir dieser
emotionale Aspekt jedoch leider komplett und insgesamt fiel es mir
diesmal schwer, die Handlung durch und durch nachzuvollziehen. Dazu
muss ich sagen, dass ich im Allgemeinen kein großer Fan von
Heist- oder Espionage-Filmen bin, jedoch gehofft hatte, dass mir mein
Lieblingsregisseur dieses Genre ein wenig zugänglicher machen
würde… ohne Erfolg.
Für
mich lebt dieser neuste Wes-Anderson-Film besonders von seinem Humor.
Immer wieder gab es Szenen, die mich aufgrund von Situationskomik,
absolut abgedrehten Figuren und Schauplätzen oder trockenen Gags
zum Schmunzeln gebracht haben. Diese gelungenen Momente können
die Geschichte im Großen und Ganzen natürlich nicht retten,
aber haben immerhin dafür gesorgt, dass ich es während der
102 Minuten Laufzeit sehr gut im Kino ausgehalten habe. Auch die Musik
von Alexandre Desolat, ein langjähriger Wegbegleiter Andersons,
ist ein Lichtblick: Sie kommentiert, unterläuft und trägt
den Film und schafft es dabei gelegentlich auch, doch noch ein wenig
Emotionen hervorzurufen.
Vielleicht ist „Der Phönizische
Meisterstreich“ aber auch Teil einer bewussten Grenzauslotung.
Ich frage mich, ob Wes Anderson derzeit möglicherweise damit
beschäftigt ist, sein eigenes Kinoexperiment zu betreiben Wie
skurril darf eine Figur sein, wie künstlich ein Dialog, wie überstilisiert
eine Szene, bevor das Publikum abspringt? Gut möglich, dass er
austestet, wie weit er gehen kann, getragen von dem Wissen, dass sein
Name allein längst für einen bestimmten Anspruch und eine
gewisse Unantastbarkeit steht.
Natürlich,
für mich als Wes-Anderson-Fan ist „Der Phönizische
Meisterstreich“ auf keinen Fall ein schlechter Film. Er ist
nicht das große Meisterwerk, auf das ich gehofft hatte, aber
es ist ein Film, der selbst im Stolpern eleganter ist als die meisten
anderen im Stehen. Und doch hinterlässt er eine gewisse Enttäuschung.
Nicht, weil er scheitert, sondern weil er sich mit so wenig zufriedengibt.
Dieser Film ist so sehr darauf bedacht, Wes Anderson zu sein, dass
er vergisst, überhaupt noch irgendetwas anderes zu sein. Aber
vielleicht braucht es das, um zu erkennen, wie sehr Form und Inhalt
sich gegenseitig bedingen und dass selbst einer der großartigsten
Regisseure gelegentlich daran erinnert werden muss, dass Stil kein
Ersatz für Substanz ist.
Ich
war außerdem zu Gast beim Film- und Serien-Podcast „Der
Tele-Stammtisch“ um mit Stu und Schlogger über „Der
Phönizische Meisterstreich“ zu sprechen. Zum Podcast hier
klicken.
DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH
Start:
29.05.25 | FSK 12
R: Wes Anderson | D: Benicio Del Toro, Mia Threapleton, Michael
Cera
USA 2025 | Universal Pictures Germany