KINO | 14.05.2025

ISLANDS

Jan-Ole Gerster, der das Publikum vor mehr als 10 Jahren mit „Oh Boy“ in Berlin-Melancholie versinken ließ, liefert mit „Islands“ nun erneut eine faszinierende Charakterstudie. Mit stiller Intensität, getragen von hypnotischen Bildern und einer schleichenden Unruhe erzählt der Regisseur die Geschichte eines Urlaubs, der zur Zerreißprobe wird. „Islands“ - ein Film wie eine Fata Morgana: flirrend, verführerisch und nie so, wie es im ersten Moment scheint.

von Laura Sternberg


© 2025 augenschein Filmproduktion / LEONINE Studios, Foto: Juan Sarmiento G.

Tom (Sam Riley) arbeitet als Tennistrainer in einem Hotelresort auf Fuertaventura. Sein Leben ist ein Kreislauf aus Alkohol, belanglosen Affären und dem täglichen Spiel auf dem Platz - eine Existenz im Leerlauf. Als die Familie Maguire anreist, wird sein monotoner Alltag plötzlich auf den Kopf gestellt. Er entwickelt eine enge Beziehung zu Anne (Stacy Martin), ihrem Ehemann Dave (Jack Farthing) und dem gemeinsamen Sohn Anton (Dylan Torrell). Ihn beschleicht das Gefühl, Anne schon einmal begegnet zu sein, während die Spannung zwischen ihnen wächst. Eines Nachts verschwindet Dave. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen geraten sowohl Anne als auch Tom unter Verdacht.

„Islands“ glänzt auch eine meisterhafte visuelle Gestaltung. Weite Landschaften, verlassene Orte, ewiges Licht - die Insel wird zum Spiegel innerer Isolation. Die Figuren erscheinen oft klein, verloren in der Komposition. Der Zoom als zentrales Gestaltungselement ist dabei kein bloßer Effekt, sondern ein Ausdruck innerer Zustände: „Wenn man von einer sehr weiten Brennweite […] heranzoomt, dann verzerrt sich natürlich auch das Umfeld“, erklärt Gerster. „Und diese Verzerrung und Veränderung war ein passendes Stilmittel, um die Wahrnehmung der Figuren zu verdeutlichen.

Die Kamera beobachtet mehr, als dass sie eingreift. Gerster, selbst Autor des Drehbuchs, lobt die Präzision seiner Darsteller: „Wir haben beschlossen, wenige Einstellungen zu drehen und somit weniger zu schneiden, um dadurch den Schauspielern mehr Raum zu geben. Dazu braucht es allerdings auch Schauspieler, die genau diesen Raum füllen können.“ Und das gelingt. Insbesondere Sam Riley beeindruckt mit seiner überzeugenden Darstellung des innerlich zerrissenen Tom.


© 2025 augenschein Filmproduktion / LEONINE Studios, Foto: Juan Sarmiento G.

Auch die Figurenwahl folgt keiner rein dramaturgischen Logik. „Wenn ich mich für eine Figur interessiere, bedeutet das eigentlich schon für mich, dass es eine persönliche Verbindung gibt“, erklärt der Regisseur. „Warum ich […] stark auf Figuren reagiere, die eine gewisse Verlorenheit in sich tragen, hat sicherlich mit mir und meiner Vergangenheit zu tun.“ Diese Selbstauskunft verleiht den melancholischen Untertönen des Films eine zusätzliche Tiefe.

Gersters Umgang mit Dramaturgie ist ebenso intuitiv wie radikal. Er folgt keiner Spannungskurve, sondern einem emotionalen Sog. Vieles, was im Film passiert, wirkt geradezu metaphorisch, denn „Islands“ interessiert sich mehr für die Innenwelten als für die äußeren Abläufe. Er spricht von einem Kino, das sich dem Assoziativen und Geheimnisvollen verpflichtet fühlt: „Geschichten in den alles permanent erklärt, ausgesprochen und logisch beantwortet wird, gehören meiner Meinung nach dann doch eher ins Fernsehen.“

Und von diesen metaphorischen und teilweise unerklärlichen Momenten lebt der Film. Sehr einprägsam ist beispielsweise ein nächtliches Aufeinandertreffen von Tom und einem Kamel, das beinahe surreal anmutet und zum Glücksmoment am Set wurde. „Eigentlich kann man sowas nicht drehen. Also wenn man Glück hat, geht das mit einem Hund, aber sicherlich nicht mit einem Kamel. […] Und tatsächlich war es wirklich im letzten Licht, wo alle Elemente auf Wundersame Art und Weise in Perfektion zusammengekommen sind“, erinnert sich Gerster. Ein magischer Take.


© WILD Magazin

„Islands“ ist ein Film, der sich jeder Eindeutigkeit entzieht und genau dadurch seine Stärke entfaltet. Wer sich auf die Langsamkeit, auf die Ungewissheit einlässt, wird belohnt mit einem Film, der nicht belehrt, sondern beobachtet. Ein Film, der zeigt, dass das größte Drama manchmal in einem einzigen Blick liegt, in einer Umarmung, die ausbleibt oder in den Worten, die nie ausgesprochen wurden.

Nach monatelanger harter Arbeit konnte „Islands“ am 28.04. nun endlich Premiere feiern. Im Cinenova in Köln gingen Jan-Ole Gerster, Sam Riley und weitere Teammitglieder über den roten Teppich. Im persönlichen Interview verriet Gerster, dass die Premiere in Köln besonders wichtig sei, dass die Produktionsfirma von dort sei und der Film überhaupt erst durch die Förderung der Filmstiftung aus NRW möglich gemacht worden sei. „Somit ist eine Premiere hier in Köln auch nochmal eine gute Gelegenheit, Danke zu sagen.“

Und freuen können sich Regisseur und Hauptdarsteller nicht nur über eine gelungene Premiere, sondern auch über mehrere Nominierungen beim Deutschen Filmpreis. „Islands“ erhielt Nominierungen in den Kategorien bester Spielfilm, Beste Tongestaltung und Beste Filmmusik, in letzterer gewann der Film, während Sam Riley als beste männliche Hauptrolle nominiert war. Für ihn sei es immer noch etwas Besonderes, eine Hauptrolle zu spielen, verriet er am roten Teppich und er genieße dabei jede Minute am Set. Und nach einer gelungenen Premiere konnten Regisseur, Darsteller und das gesamte Team ihren Erfolg hoffentlich ordentlich feiern. Denn im persönlichen Gespräch verriet Gerster auf die Frage, welchem seiner Charaktere er gern einmal im echten Leben begegnen würde: „Also jetzt, wo ich so viel arbeite und gar nicht mehr dazu komme, den schönen Dingen des Lebens nachzugehen, würde ich eigentlich gerne mal mit Dave einen Abend im Waikiki, dem berüchtigten Nachtklub aus unserem Film, verbringen.“


ISLANDS

Start: 08.05.25 | FSK 6
R: Jan-Ole Gerster | D: Sam Riley, Stacy Martin, Jack Farthing
Deutschland 2025 | Leonine


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