LONGLEGS
Ein fesselndes Spiel mit Angst und Atmosphäre
Im
Rahmen der Verfolgung eines Serienmörders stößt eine
FBI-Agentin auf eine Reihe von verborgenen Hinweisen, die es zu lösen
gilt, um der schrecklichen Mordserie ein Ende zu setzen.
Die
junge FBI-Agentin Lee Harker (Maika Monroe) wird mit einem ungelösten
Fall eines Serienmörders (Nicolas Cage) betraut, der seit über
30 Jahren seine Taten begeht – und das auf äußerst
mysteriöse Weise. Das Besondere ist nämlich: Es gibt nur
ein einziges Anzeichen, dass bei den Morden, bei denen immer Familienväter
ihre Familie und sich selbst gemetzelt haben, noch eine weitere Person
involviert war: Es wurde jedes Mal ein Brief mit okkulten Symbolen
und der Unterschrift „Longlegs“ hinterlassen. Harker gelingt
es, die Nachrichten des Killers zu entschlüsseln – aber
auch, weil dieser sie kontaktiert und ihr den entscheidenden Hinweis
liefert. Der nun endlich ins Rollen kommende Fall nimmt bald eine
unerwartete Wendung und die Nachwuchs-Agentin entdeckt eine persönliche
Verbindung zu dem Mörder. Doch warum hat dieser ein besonderes
Interesse an ihr? Zudem wird ihr klar, dass Longlegs bald wieder zuschlagen
wird. Nur sie kann ihn aufhalten.
In
der Welt des Horrorkinos gibt es Filme, die sich durch ihre schockierenden
Bilder und blutigen Szenen auszeichnen, und dann gibt es Werke wie
„Longlegs“, die eine tiefere, psychologische Dimension
des Schreckens erforschen. Regisseur Oz Perkins, bekannt für
seine Arbeiten wie „Die Tochter des Teufels“ und „Gretel
& Hansel“, bringt mit seinem vierten Spielfilm eine Geschichte
auf die Leinwand, die nicht nur das Genre des Horrors neu interpretiert,
sondern auch die Zuschauer in einen Strudel aus Anspannung und Unbehagen
zieht. Die Erzählung entfaltet sich in den 1990er-Jahren –
einer Zeit, in der legendäre Serienkiller-Jagden wie „Das
Schweigen der Lämmer“ und „Sieben“ populär
waren. Doch Perkins gelingt es, diese Vorbilder zu variieren und gleichzeitig
eine eigene Identität zu schaffen. Der Film ist kein klassischer
Horror-Schocker; vielmehr ist er ein psychologisches Drama mit übernatürlichen
Elementen. Ein herausragendes Merkmal von „Longlegs“ ist
die dichte Atmosphäre, die Perkins von der ersten Sekunde an
aufbaut. Der Prolog zeigt ein junges Mädchen, das durch einen
Vorhang beobachtet, wie sich ein Auto ihrem abgelegenen Haus nähert.
Diese einfache Szene vermittelt sofort ein Gefühl des Unheils
– etwas Böses naht. Das enge quadratische Bildformat verstärkt
dieses Gefühl der Beklemmung und wird im Verlauf des Films allmählich
in das übliche breite Kinoformat überführt.
Perkins’
geschickte Bildsprache und der gezielte Einsatz von Sound tragen dazu
bei, dass jede noch so banale Szene von Anspannung durchzogen ist.
Die offene Tür im Hintergrund von Harkers Büro wird zum
Symbol für die ständige Bedrohung – das Böse
könnte jederzeit eintreten. Diese subtile Inszenierung macht
„Longlegs“ zu einer körperlichen Erfahrung; man fühlt
sich als Zuschauer unweigerlich in den Bann gezogen. Maika Monroe
brilliert in ihrer Rolle als Lee Harker. Nach ihrem gefeierten Auftritt
in „It Follows“ war ihr Weg zur Scream Queen zunächst
holprig gewesen. In „Longlegs“ zeigt sie jedoch eine beeindruckende
Performance voller Nuancen. Harker ist keine typische Identifikationsfigur;
ihre emotionale Distanz und Apathie wirken zunächst suspekt.
Doch Monroe offenbart geschickt das Bröckeln dieser Fassade –
vom inneren Kampf bis hin zum befreienden Wutschrei. An ihrer Seite
spielt Alicia Witt als Harkers streng religiöse Mutter eine entscheidende
Rolle. Ihre Interaktionen sind nicht nur emotional aufgeladen, sondern
bieten auch einen Blick auf familiäre Dynamiken, die im Kontrast
zu den grausamen Taten stehen. Und
dann ist da noch Nicolas Cage – ein Schauspieler, dessen Wandlung
in diesem Film für Gesprächsstoff sorgen wird. Mit seiner
unkonventionellen Darstellung bleibt er lange Zeit ungreifbar; seine
Figur hat sowohl feminine Züge als auch eine bedrohliche Präsenz.
Cages Stimme wechselt zwischen verletzlich und rau – eine Darbietung
voller Facetten, die dem Charakter Tiefe verleiht.
Der
Film endet nicht mit einem klassischen Schockmoment oder einer klaren
Auflösung; stattdessen hinterlässt er den Zuschauer mit
einem Gefühl des Unbehagens und der Reflexion über das Böse
in unserer Gesellschaft. Der Abspann wird von dem 1970er-Hit „Bang
A Gong (Get It On)“ von T. Rex begleitet – ein unerwarteter
Gute-Laune-Ausklang nach einem intensiven Erlebnis. „Longlegs“
ist mehr als nur ein Horrorfilm; es ist eine eindringliche Untersuchung
menschlicher Abgründe und familiärer Strukturen vor dem
Hintergrund eines übernatürlichen Thrillers. Perkins schafft
es meisterhaft, Spannung aufzubauen und gleichzeitig tiefere Themen
anzusprechen – ein Werk, das lange nach dem Verlassen des Kinos
nachhallt. Dieser
packende und spannende Film ist ein bemerkenswerter Beitrag zum Horrorgenre,
der sowohl Fans klassischer Thriller als auch Liebhaber psychologischer
Dramen anspricht. Es fordert den Zuschauer heraus, über Angst
nachzudenken – nicht nur über die äußeren Bedrohungen,
sondern auch über die inneren Dämonen, die uns alle begleiten
können.
LONGLEGS
Start:
08.08.24 | FSK 16
R: Oz Perkins | D: Maika Monroe, Nicolas Cage, Blair Underwood
USA 2024 | DCM